Nachdem die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestimmt worden ist, werden sich Arbeitgeber zukünftig womöglich vermehrt dem Problem des Arbeitszeitbetrugs und des Missbrauchs von Zeiterfassungssystemen stellen müssen. Mit einer aktuellen Entscheidung setzt das LAG Hamm (Urt. v. 27. Januar 2023, Az. 13 Sa 1007/22) ein überraschend klares Zeichen gegen den Arbeitszeitbetrug. Selbst eine zehnminütige Kaffeepause kann eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer es unterlässt, für diese Pause auszustempeln.

1. SACHVERHALT
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die im Jahr 1959 geborene Klägerin war seit 2013 bei dem Beklagten als Raumpflegerin beschäftigt. Am Morgen des 8. Oktobers 2021 stempelte sich die Klägerin über das Zeiterfassungssystem zur Aufnahme ihrer Tätigkeit ein. Gegen 8:30 Uhr begab sich die Klägerin – ohne sich auszustempeln – für mindestens 10 Minuten in das gegenüber der Betriebsstätte gelegene Café, um dort zusammen mit einer anderen Person Kaffee zu trinken. Dies hatte der beklagte Arbeitgeber beobachtet. Nachdem die Klägerin zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehrte, konfrontierte der Beklagte sie mit seiner Beobachtung. Die Klägerin beteuerte, das Betriebsgelände nicht verlassen zu haben, und meinte, dass der Beklagte sich irren müsse. Erst als der Beklagte das Zeigen von Beweisfotos ankündigte, gab die Klägerin die Kaffeepause während der eingestempelten Arbeitszeit zu. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

2. ENTSCHEIDUNG
Nach der Entscheidung des LAG Hamm stellt auch die nur 10-minütige Kaffeepause einen so schwerwiegenden (versuchten) Arbeitszeitbetrug dar, der den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigt. Daran ändert auch das Alter der Klägerin, die 9-jährige Betriebszugehörigkeit und die bestehende Schwerbehinderung nichts.
Wie schon das Arbeitsgericht Gelsenkirchen erstinstanzlich entschied, sah auch das LAG Hamm einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB als gegeben an. Der Arbeitgeber sei angesichts der schwer zu kontrollierenden Dokumentation der Arbeitszeit auf die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Mitarbeiter angewiesen. Trägt ein Mitarbeiter vorsätzlich fehlerhafte Arbeitszeiten ein, führe dies zu einem nachhaltigen schweren Vertrauensbruch. Wenn der Mitarbeiter auf die persönliche Konfrontation die Pflichtverletzung darüber hinaus vehement leugnet und erst auf das Vorhalten von Beweisfotos die Wahrheit einräumt, sei die Verlässlichkeit irreversibel zerstört. Dabei genüge auch der einmalige Verstoß und der geringe wirtschaftliche Schaden, um einen schweren Vertrauensverlust herbeizuführen.
Obwohl die Klägerin mit einem Alter von 62 Jahren, einer Betriebszugehörigkeit von 9 Jahren und einer bestehenden Schwerbehinderung gewichtige Interessen vortragen konnte, waren diese nicht geeignet, der schwerwiegenden Pflichtverletzung in Form des Arbeitszeitbetrugs hinreichend entgegenzutreten und die Unwirksamkeit der Kündigung zu bewirken.

3. FRISTLOSE KÜNDIGUNG AUCH BEI EINMALIGEM ARBEITSZEITBETRUG
Auch wenn in diesem Fall erschwerend die beharrliche Leugnung der Klägerin für die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung hinzukam, zeigt die Entscheidung des LAG Hamm eindrucksvoll, dass die Dauer des Arbeitszeitbetrugs und der entstandene Schaden kein Mindestmaß erfordern. Entscheidend ist der Vertrauensverlust, der durch die bewusst wahrheitswidrige Angabe erfolgt. Der Arbeitgeber muss sich auf die Integrität und Loyalität seiner Mitarbeiter verlassen können.




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