Kündigung
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Update Nachweisgesetz – Künftig Textform statt Schriftform ausreichend?

Bereits seit dem 1. August 2022 gilt das „neue“ Nachweisgesetz („NachwG“), das die Arbeitgeber u.a. dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern eine schriftliche (= mit Originalunterschrift versehene) Niederschrift über die wesentlichen Arbeitsbedingungen auszuhändigen. Insbesondere an diesem Schriftformerfordernis gab es von Anfang an erhebliche Kritik, da die maßgebliche EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ((EU) 2019/1152) („Richtlinie“) ein solches nicht zwingend vorsah (siehe hierzu bereits den Blog-Eintrag vom 24. Juni 2022).

Das Bundeskabinett hatte sich am 13. März 2024 über den Entwurf „eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ (BEG IV) geeinigt und reagierte damit auch auf die Kritik am strengen Schriftformerfordernis des NachwG: Der Kabinettsentwurf sieht vor, dass künftig ein in elektronischer Form im Sinne des § 126a BGB (= qualifiziert elektronisch signiert) abgeschlossener Arbeitsvertrag für den erforderlichen Nachweis ausreichen solle. Nun aber überraschte der Bundesjustizminister mit einem Rundschreiben vom 21. März 2024. Danach solle in Zukunft die einfache Textform (z.B. eine E-Mail) genügen, um Mitarbeitern den erforderlichen Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen zur Verfügung zu stellen.

Ob, wann und wie diese Anpassung des NachwG erfolgt, ist offen. Laut des Rundschreibens soll eine Niederschrift jedoch weiterhin in Schriftform notwendig sein, sofern Mitarbeiter eine solche einfordern sollten. Auch deshalb ist fraglich, ob es sich tatsächlich um einen „großen Wurf“ der Entbürokratisierung handelt. Selbst wenn, würde lediglich eine bürokratische Hürde gesenkt werden, die erst im August 2022 eingeführt worden ist.

1. Keine Auswirkungen auf den Abschluss von Arbeitsverträgen

Entgegen manch erster Einschätzung zu dem Rundschreiben des Bundesjustizministers würde sich an den Formvorgaben für den Abschluss eines Arbeitsvertrages nichts ändern. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages bedarf weiterhin grundsätzlich keiner Form. Dieser konnte bisher schon mündlich oder einfach per E-Mail geschlossen werden.

Schon bislang gab es Kritiker, die angesichts der Formfreiheit des Arbeitsvertrages selbst an der Verhältnismäßigkeit des Schriftformerfordernisses für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen zweifelten. Ein (Schrift-)Formerfordernis hat u.a. eine Beweis- und Dokumentationsfunktion. Wenn der Gesetzgeber nicht einmal eine Dokumentationsfunktion für den Abschluss des Arbeitsvertrages selbst für notwendig erachtet, ist fraglich, wieso der bloße Nachweis der Vertragsbedingungen einer strengeren Form unterliegen können soll.

2. Besondere Schriftformerfordernisse bleiben unberührt

Unabhängig davon, ob und wie die Anpassung des NachwG vollzogen werden wird, wäre davon allein das Schriftformerfordernis für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen betroffen. Demnach wären weiterhin insbesondere die folgenden gesetzlichen Schriftformerfordernisse zu beachten:

• Kündigung und Abschluss von Aufhebungsverträgen (§ 623 BGB)
• Befristungsabreden, auch bei Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über Regelaltersgrenze hinaus (§ 14 Abs. 4 TzBfG)
• Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (§ 74 Abs. 1 HGB)

Auch wenn sich die letzten beiden Schriftformerfordernisse allein auf die konkrete Regelung – Befristung bzw. Wettbewerbsverbot beziehen – werden befristete Arbeitsverträge und auch solche mit nachvertraglichen Wettbewerbsabreden in der Praxis in der Regel sowieso schriftlich abgeschlossen, wodurch den Anforderungen des NachwG automatisch entsprochen wird.

3. Unklare Bedeutung der geplanten weiteren Gesetzesänderung

Die ersten Reaktionen auf das Rundschreiben des Bundesjustizministers und der geplanten Absenkung des Formerfordernisses [...]

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Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer aktuellen Entscheidung (BAG, Urteil vom 20. Juli 2023 – 6 AZR 228/22) mit der Frage des Kündigungsschutzes von Geschäftsführern auseinandergesetzt, die auf Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt sind. Insbesondere ging es um die Frage der Anwendbarkeit von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG und § 613a Abs. 4 BGB.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag eine Kündigungsschutzklage eines Geschäftsführers gegen eine betriebsbedingte Kündigung zu Grunde. Der Kläger war ursprünglich seit September 2000 bei einer GmbH als kaufmännischer Angestellter beschäftigt, bis er im Dezember 2013 zu deren Geschäftsführer bestellt wurde. Hierbei wurde kein Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen, sondern mit einer „Änderung zum Arbeitsvertrag“ lediglich eine neue Arbeitszeitregelung getroffen, während alle anderen Bestandteile des Arbeitsvertrages bestehen bleiben sollten. Nachdem im Januar 2020 über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, eine Tochtergesellschaft des Unternehmens die Geschäfte fortführte und wesentliche Betriebsmittel übernommen hatte, kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis des Klägers betriebsbedingt. Daraufhin erklärte der Kläger, nachdem ihm die Kündigung bereits zugegangen war, dass er das Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung niederlege und klagte gegen die Kündigung seines Anstellungsverhältnisses.

Entscheidung

Nach der Entscheidung des BAG konnte sich der Kläger nicht auf den gesetzlichen Kündigungsschutz des § 1 KSchG berufen, sodass die Kündigung auch keiner sozialen Rechtfertigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, der vorsieht, dass Organmitglieder keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen, sei eröffnet gewesen, da die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) fortbestand. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Regelung andernfalls bedeutungslos wäre und dass die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bezeichneten Organvertreter ungeachtet eines etwaig zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses allein aufgrund ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes herausgenommen sein sollen.

Zur Anwendbarkeit des § 613a BGB führte das Gericht hingegen aus, dass strikt zwischen der organschaftlichen Bestellung und dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis zu unterscheiden sei. Liege der rechtlichen Beziehung zwischen Organ und Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis – und kein Geschäftsführeranstellungsvertrag – zugrunde, gehe bei einem Betriebsübergang gem. § 613a BGB das Arbeitsverhältnis, nicht aber die Organstellung auf den Erwerber über. Nach Ansicht des BAG gelte damit auch das eigenständige, vom Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gerade unabhängige Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB für einen Geschäftsführer, der auf Grundlage eines Arbeitsvertrages tätig ist. Eine Kündigung, deren Beweggrund der Betriebsübergang ist, sei demnach auch in diesen Konstellationen unwirksam. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift – so wie es noch das LAG Hamm vertreten hatte – lehnt das BAG ab. Wegen seines eindeutigen Wortlautes und der unionsrechtlichen Bezüge erstrecke sich § 613a Abs. 4 BGB auf alle Arbeitnehmer.

Ob die Kündigung im konkreten Fall wegen eines Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 BGB unwirksam war oder nicht, konnte das BAG aufgrund mangelnder Feststellungen jedoch nicht abschließend entscheiden und hat die Sache daher an das LAG Hamm zurückverwiesen.

Fazit

Die praktisch häufig anzutreffende Konstellation eines GmbH-Geschäftsführers, der auf Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt wird, hat für beide Vertragspartner ihre Tücken. [...]

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Während Kurzarbeit betriebsbedingt kündigen? Was Arbeitgeber dabei beachten sollten

Viele Unternehmen nutzen immer noch Kurzarbeit, obwohl sich abzeichnet, dass die wirtschaftlichen Gründe für den Arbeitsausfall (inzwischen) dauerhafter Natur sind. Immer häufiger stellt sich dann die Frage, wie der Übergang von Kurzarbeit zu betriebsbedingten Kündigungen gelingen kann. Was es dabei zu beachten gilt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Hintergrund

Auch wenn die Corona-Pandemie mittlerweile ihren Schrecken verloren hat, nutzen weiterhin viele Unternehmen das lieb gewonnene Instrument der Kurzarbeit, um auf die sich an die Pandemie anschließenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten wie den Ukraine Krieg, die Energie-Krise sowie allgemeine Absatzschwierigkeiten zu reagieren. Die Arbeitsagenturen zeigen sich zumindest bei der vorläufigen Bewilligung der Anträge unserer Erfahrung nach weiterhin eher großzügig.

Nicht selten versuchen Arbeitgeber daher die Kurzarbeit auch zu nutzen, wenn nicht ein bloß vorübergehender Arbeitsausfall vorliegt, sondern die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen sich das Unternehmen konfrontiert sieht, dauerhafter Natur sind. Teilweise wird versucht, die Mitarbeiter erst einmal kostengünstig in der Kurzarbeit zu „parken“ und auf bessere Zeiten zu hoffen. Häufig erfüllt sich dieser Wunsch jedoch nicht, so dass meist spätestens nach Ablauf der 12-monatigen Kurzarbeit erkannt wird, dass Personalabbau notwendig wird. Doch können die Unternehmen nun betriebsbedingt kündigen? Eine betriebsbedingte Kündigung setzt schließlich einen dauerhaften Arbeitsplatzwegfall voraus. Da steht in Widerspruch zum gleichzeitigen Bezug von Kurzarbeitergeld, welches nur bei einem vorübergehenden Arbeitsausfall gewährt wird. Kann in einer solchen Konstellation dennoch betriebsbedingt gekündigt werden?

Der Konflikt: Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen

Richtig ist, dass Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen sich bei gleichem Sachverhalt der Natur nach ausschließen. Es können also grundsätzlich nicht in einem Betrieb, in dem Kurzarbeit Null bei der gesamten Belegschaft besteht, gleichzeitig betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Sobald ein dauerhafter Arbeitsausfall vorliegt, sollte die Arbeitsagentur informiert und die Kurzarbeit beendet werden. Doch wann genau ist das der Fall?

Für Betriebsstillegungen und Betriebsänderungen sehen die Fachlichen Weisungen der Arbeitsagenturen einen relativ späten Zeitpunkt, nämlich konkrete Umsetzungsschritte vor:

„Trifft der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung, einen Betrieb oder bestimmte Betriebsteile stillzulegen oder eine Betriebsänderung in Form eines erheblichen Personalabbaus (§ 17 KSchG) durchzuführen, entfällt die Grundlage für die Gewährung des Kug, sobald konkrete Umsetzungsschritte, wie z.B. Ausspruch von Kündigungen; Abschluss von Interessenausgleichsvereinbarungen mit endgültigen Namenslisten, erfolgen.“ (Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit, gültig ab 20.12.2018, S. 19)

Und wenn es an derart konkreten Maßnahmen fehlt? Dann gelten nach den Fachlichen Weisungen wohl die allgemeinen Erläuterungen, nach denen die Voraussetzungen der Kurzarbeit während der gesamten Dauer des Bezuges vorliegen müssen. Mit anderen Worten: Steht fest, dass der Arbeitsausfall endgültig ist, z.B. weil eine unternehmerische Entscheidung über den dauerhaften Arbeitsplatzwegfall getroffen wurde, ist dies der Arbeitsagentur unverzüglich mitzuteilen – ansonsten droht die Rückforderung zu Unrecht gewährten Kurzarbeitergeldes.

Damit stellt sich die Frage, wann die Agentur für Arbeit die Kurzarbeit aufheben und gezahltes Kurzarbeitergeld zurückfordern kann, wenn sie davon ausgeht, dass der Arbeitsausfall tatsächlich schon seit längerem dauerhaft war. Um keine Indizien für den Bezug von Kurzarbeitergeld während einer Phase bereits dauerhaften Arbeitsausfalls zu schaffen, ist es für Arbeitgeber wichtig, eine saubere Zäsur zwischen dem nur vorübergehenden und dem dauerhaften Arbeitsausfall zu schaffen und entsprechend zu dokumentieren. Diese kann z.B. [...]

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Annahmeverzugslohn: Nur noch stumpfes Schwert im Kündigungsschutzprozess?

Geht der Kündigungsschutzprozess für den Arbeitgeber verloren, freuen sich viele Arbeitnehmer auf die rückwirkende Auszahlung des ausstehenden Gehalts: Sie fordern Annahmeverzugslohn. Dabei vergessen sie oft, dass auf den Annahmeverzugslohn auch dasjenige angerechnet werden muss, was sie in der Zeit nach dem vermeintlichen Vertragsende verdient haben oder zumutbar anderweitig hätten erzielen können. Angesichts der vielen freien Stellen im Jobmarkt dürfte insbesondere in Metropolen nur noch schwierig zu begründen sein, dass sich kein andere Erwerbsmöglichkeit habe finden lassen. Was Arbeitgeber tun können, um das Prozessrisiko massiv zu ihren Gunsten zu mindern, soll dieser Beitrag beleuchten.

Hintergrund

Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers und legt dieser dagegen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein, kann es bereits bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts Monate bis Jahre dauern. Derzeit erleben wir bei manchen Arbeitsgerichten, dass Kammertermine mit einer Vorlaufzeit von 11 Monaten vergeben werden – nachdem man bereits zwei Monate auf den Gütetermin gewartet hat.

Die Überlastung der Gerichte hat unmittelbare Auswirkungen auf das Prozessrisiko, sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer riskiert, wenn er sich keine Beschäftigung sucht und auf den positiven Ausgang des Rechtsstreits vertraut, dass er im Fall des Unterliegens für einen langen Zeitraum keinen Arbeitslohn erhält. Gleichzeitig riskiert der Arbeitgeber, wenn er den Rechtsstreit verliert, Annahmeverzugslohn an den Arbeitnehmer zahlen zu müssen. Zieht sich ein Rechtsstreit derart lang hin, sind diese im Raum stehenden Annahmeverzugslohnansprüche häufig wirtschaftlich entscheidender als die im Streit stehenden Abfindungsansprüche.

Einschränkungen des Annahmeverzugslohns

Was viele Arbeitnehmer und häufig auch ihre Prozessvertreter außer Acht lassen, ist, dass der Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB zwei Einschränkungen unterliegt:

(i) Zum einen muss der Arbeitnehmer sich dasjenige anrechnen lassen, was er in der Zwischenzeit als Selbständiger oder bei einem anderen Arbeitgeber erworben hat. Damit ist ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer in der Zeit doppelt Einkommen erzielt, nämlich gegenüber dem alten und einem neuen Arbeitgeber. Diese Regelung haben die meisten Kläger „auf dem Schirm“, da diese Einschränkung nicht dazu führen kann, dass sie weniger erhalten, als ihnen beim bisherigen Arbeitgeber vertraglich zustand.

(ii) Die weitere Einschränkung ist die Anrechnung desjenigen, was der Arbeitnehmer böswillig unterlässt zu erwerben. Es geht also nicht nur darum, was der Arbeitnehmer tatsächlich verdient hat, sondern was er hätte verdienen können. Mit einem Blick auf den äußerst arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmarkt gelangt man schnell zu der Erkenntnis, dass für die allermeisten Berufszweige ein Überangebot an Jobmöglichkeiten bestehen dürfte, insbesondere in Metropolregionen. Zusätzlich gilt, dass Arbeitnehmer grundsätzlich auch Jobs annehmen müssen, für die sie überqualifiziert sind. Die Grenze ist die Unzumutbarkeit.

Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Arbeitgeber haben Anspruch auf schriftliche Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter dem Arbeitnehmer unterbreiteten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung (BAG, Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19). Spätestens in einem Prozess über Annahmeverzugslohnforderungen kann der Arbeitgeber sein Auskunftsbegehen widerklagend geltend machen. Ob er darüber hinaus einen Anspruch auf Offenlegung der Eigenbemühungen des unwirksam gekündigten Arbeitnehmers bei der Stellensuche, etwa über Online-Stellenportale wie StepStone, Indeed & Co., hat, ist noch nicht abschließend [...]

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Betriebsbedingter Kündigung – Vermutungswirkung bei Insolvenz

In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG festgestellt, dass die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch dann eingreift, wenn bis zu einem anvisierten Stilllegungszeitpunkt noch viel Zeit vergeht und für ein Unternehmen in der Zwischenzeit – anders als prognostiziert – doch ein Erwerber gefunden wird (BAG, Urteil vom 17. August 2023 – 6 AZR 56/23, PM). Denn im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs muss sich die Betriebsänderung noch in der Planungsphase befinden, damit dem Betriebsrat entsprechend dem Zweck des § 111 BetrVG eine Einflussnahme auf die unternehmerische Entscheidung möglich ist.

1. SACHVERHALT

Der Entscheidung lag eine Klage eines seit 2011 bei der Insolvenzschuldnerin, einem Unternehmen der Stahlindustrie, angestellten Arbeitnehmers zu Grunde. Der Kläger wandte sich gegen eine von dem Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung. Vor dem Hintergrund, dass keine annahmefähigen Kaufangebote für die Betriebe der Insolvenzschuldnerin vorgelegen hatten, hatte der Insolvenzverwalter mit dem bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich wegen einer geplanten Betriebsstillegung geschlossen. Der Interessenausgleich beinhaltete insgesamt drei verschiedenen Namenslisten, auf denen alle Beschäftigten der Insolvenzschuldnerin genannt waren. Der Kläger war auf der zweiten Liste namentlich geführt, die eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse nach Ablauf eines Zeitraums für die Ausproduktion vorsah. Bei der Ausproduktion wird im insolventen Betrieb das noch vorhandene Potential (Know-how, Aufträge, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfertigwaren) im Rahmen der Abwicklung genutzt und im Interesse der Gläubiger wertschöpfend verwertet. Nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs kündigte der Insolvenzverwalter daher das Arbeitsverhältnis des Klägers betriebsbedingt mit Schreiben vom 29. Juni 2020 mit Wirkung zum 31. Mai 2021. Im weiteren Verlauf wurden anschließend doch noch Teile des Betriebs der Insolvenzschuldnerin durch Kaufvertrag vom 22. Februar 222 an einen vormaligen Hauptkunden veräußert.

2. RECHTLICHER RAHMEN

Gem. § 111 Abs. 1 S. 1 BetrVG muss in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern der Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend unterrichtet und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat beraten werden. Dabei bedeutet rechtzeitig, dass die Unterrichtung und Beratung noch Einfluss auf die Gestaltung der Betriebsänderung nehmen können.

Über eine geplante Betriebsänderung soll gem. § 112 BetrVG zwischen den Betriebsparteien zudem ein Interessenausgleich geschlossen werden, der das „Ob“ und das „Wie“ der Betriebsänderung regelt. Der Betriebsrat kann den Abschluss eines Interessenausgleichs – anders als den eines Sozialplans – jedoch nicht erzwingen. Kommt ein solcher nicht zustande, können Beschäftigte allerdings ggf. individuell Nachteilsausgleichsansprüche geltend machen.

Im Rahmen eines solchen Interessenausgleichs können die Betriebsparteien unter anderem auch diejenigen Beschäftigten in einer Liste namentlich benennen, die bei der Durchführung der Betriebsänderung entlassen werden sollen. Eine solche Namensliste hat erhebliche individualrechtliche Bedeutung, indem durch sie die Betriebsbedingtheit der Kündigung nach § 1 Abs. 5 KSchG vermutet und der Prüfungsmaßstab bei der Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt wird. Eine entsprechende Regelung sieht § 125 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO auch für den Fall vor, dass im Zusammenhang mit einer Insolvenz eine Betriebsänderung geplant ist und ein Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen wird.

3. ENTSCHEIDUNG

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hatte in der Vorinstanz [...]

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Kündigungsgrund: WhatsApp-Nachricht – Bundesarbeitsgericht (BAG) erteilt pauschaler Vertraulichkeitserwartung eine Absage

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einer aktuellen Entscheidung (BAG, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23, PM) damit auseinander zu setzen, inwiefern Äußerungen, die in privaten WhatsApp-Chatgruppen getätigt wurden, einen Grund für den Ausspruch einer (außerordentlich fristlosen) Kündigung darstellen können.

1. SACHVERHALT
Der Entscheidung lag eine Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers gegen die Kündigung durch seine Arbeitgeberin, eine deutsche Fluggesellschaft, zu Grunde. Der Kläger war seit 2014 Mitglied in einer WhatsApp-Gruppe mit fünf weiteren Beschäftigten der Beklagten. Im November 2020 trat zudem ein ehemaliger Kollege als Mitglied der Gruppe bei. Die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe waren seit Jahren befreundet, zwei der Personen waren miteinander verwandt. In der WhatsApp-Gruppe wurden rein private Themen diskutiert, aber darüber hinaus wurden auch teils stark beleidigende, sexistische und zu Gewalt aufstachelnde Äußerungen über Vorgesetzte und andere Beschäftigte der Beklagten getätigt. Als die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erlangte, kündigte Sie den Kläger außerordentlich und fristlos.

2. ENTSCHEIDUNG DES BAG
Der Kündigungsschutzklage des Klägers hatte zunächst in den Vorinstanzen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte einen Kündigungsgrund wegen einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung des Klägers in Bezug auf die von ihm verfassten Mitteilungen abgelehnt.

Die Revision der Beklagten hatte hingegen nun vor dem BAG Erfolg. Das BAG urteilte, dass der Kläger im vorliegenden Fall nicht berechtigterweise erwarten konnte, dass die Äußerungen in dem Gruppenchat vertraulich bleiben und nicht an Dritte weitergeben werden. Eine solche Vertraulichkeitserwartung ist nach Ansicht des BAG vielmehr nur dann ausnahmsweise berechtigt. wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeits-rechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Kriterien hierfür sind der Inhalt der ausgetauschten Nachrichten, die (sich ändernde) personelle Zusammensetzung und die Größe einer Chatgruppe. Aber auch die Beteiligung der einzelnen Chat-Mitglieder und das gewählte Medium sind zu berücksichtigen. Soweit in Gruppenchats beleidigende oder menschenverachtende Äußerungen getätigt werden, bedarf es dann einer besonderen Darlegung, warum die Chatmitglieder erwarten konnten, dass der Inhalt ihrer Nachrichten dennoch vertraulich bleibt. Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, ist der Pressemitteilung des BAG nicht zu entnehmen. Die allgemeinen Ausführungen der Vorinstanz zu den langjährigen Freundschaften und dem engen persönlichen Verhältnis zwischen den Chatmitgliedern sowie der Ende-zu-Ende Verschlüsselung des gewählten Kommunikationsmediums, wodurch ein Einsehen der Nachrichten durch Außenstehende verhindert wurde, genügten dem BAG jedenfalls nicht. Gelingt es danach nicht, solche besonderen Umstände darzulegen, die ausnahmsweise eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung begründen, können bekannt gewordene beleidigende und menschenverachtende Äußerungen eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Ob die Kündigung im konkreten Fall demnach gerechtfertigt war oder nicht, konnte das BAG nicht abschließend entscheiden. Es hat die Sache vielmehr an das LAG zurückverwiesen. Dieses muss dem Kläger nun Gelegenheit geben, darzulegen, warum er unter Berücksichtigung der oben dargestellten Kriterien ggf. eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

3. KONSEQUENZEN
Mit der Entscheidung stellt das BAG klar, dass auch Äußerungen von Beschäftigten mit Bezug zum Arbeitsverhältnis im privaten Umfeld arbeitsrechtliche Konsequenzen haben können. Damit hat das BAG zugleich auch Vorgaben für die Behandlung der in den letzten Jahren viel diskutierten „Social-Media Fällen“ gegeben. Beleidigende Äußerungen können hierbei unabhängig vom gewählten Medium und der Frage, ob sie „öffentlich“ oder „privat“ [...]

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Fristlose Kündigung wegen Kaffepause – Arbeitszeitbetrug als schwerwiegende Pflichtverletzung

Nachdem die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestimmt worden ist, werden sich Arbeitgeber zukünftig womöglich vermehrt dem Problem des Arbeitszeitbetrugs und des Missbrauchs von Zeiterfassungssystemen stellen müssen. Mit einer aktuellen Entscheidung setzt das LAG Hamm (Urt. v. 27. Januar 2023, Az. 13 Sa 1007/22) ein überraschend klares Zeichen gegen den Arbeitszeitbetrug. Selbst eine zehnminütige Kaffeepause kann eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer es unterlässt, für diese Pause auszustempeln.

1. SACHVERHALT
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die im Jahr 1959 geborene Klägerin war seit 2013 bei dem Beklagten als Raumpflegerin beschäftigt. Am Morgen des 8. Oktobers 2021 stempelte sich die Klägerin über das Zeiterfassungssystem zur Aufnahme ihrer Tätigkeit ein. Gegen 8:30 Uhr begab sich die Klägerin – ohne sich auszustempeln – für mindestens 10 Minuten in das gegenüber der Betriebsstätte gelegene Café, um dort zusammen mit einer anderen Person Kaffee zu trinken. Dies hatte der beklagte Arbeitgeber beobachtet. Nachdem die Klägerin zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehrte, konfrontierte der Beklagte sie mit seiner Beobachtung. Die Klägerin beteuerte, das Betriebsgelände nicht verlassen zu haben, und meinte, dass der Beklagte sich irren müsse. Erst als der Beklagte das Zeigen von Beweisfotos ankündigte, gab die Klägerin die Kaffeepause während der eingestempelten Arbeitszeit zu. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

2. ENTSCHEIDUNG
Nach der Entscheidung des LAG Hamm stellt auch die nur 10-minütige Kaffeepause einen so schwerwiegenden (versuchten) Arbeitszeitbetrug dar, der den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigt. Daran ändert auch das Alter der Klägerin, die 9-jährige Betriebszugehörigkeit und die bestehende Schwerbehinderung nichts.
Wie schon das Arbeitsgericht Gelsenkirchen erstinstanzlich entschied, sah auch das LAG Hamm einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB als gegeben an. Der Arbeitgeber sei angesichts der schwer zu kontrollierenden Dokumentation der Arbeitszeit auf die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Mitarbeiter angewiesen. Trägt ein Mitarbeiter vorsätzlich fehlerhafte Arbeitszeiten ein, führe dies zu einem nachhaltigen schweren Vertrauensbruch. Wenn der Mitarbeiter auf die persönliche Konfrontation die Pflichtverletzung darüber hinaus vehement leugnet und erst auf das Vorhalten von Beweisfotos die Wahrheit einräumt, sei die Verlässlichkeit irreversibel zerstört. Dabei genüge auch der einmalige Verstoß und der geringe wirtschaftliche Schaden, um einen schweren Vertrauensverlust herbeizuführen.
Obwohl die Klägerin mit einem Alter von 62 Jahren, einer Betriebszugehörigkeit von 9 Jahren und einer bestehenden Schwerbehinderung gewichtige Interessen vortragen konnte, waren diese nicht geeignet, der schwerwiegenden Pflichtverletzung in Form des Arbeitszeitbetrugs hinreichend entgegenzutreten und die Unwirksamkeit der Kündigung zu bewirken.

3. FRISTLOSE KÜNDIGUNG AUCH BEI EINMALIGEM ARBEITSZEITBETRUG
Auch wenn in diesem Fall erschwerend die beharrliche Leugnung der Klägerin für die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung hinzukam, zeigt die Entscheidung des LAG Hamm eindrucksvoll, dass die Dauer des Arbeitszeitbetrugs und der entstandene Schaden kein Mindestmaß erfordern. Entscheidend ist der Vertrauensverlust, der durch die bewusst wahrheitswidrige Angabe erfolgt. Der Arbeitgeber muss sich auf die Integrität und Loyalität seiner Mitarbeiter verlassen können.




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Gefälschter Impfnachweis – wichtiger Grund für außerordentliche Kündigung

In zwei Entscheidungen hat das LAG Düsseldorf kürzlich deutlich gemacht, dass die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann (Az. 8 Sa 326/22 bzw. 3 Sa 374/22). Damit bestätigt es die Ansicht einiger erstinstanzlicher Gerichte.

1. DIE ENTSCHEIDUNGEN DES LAG DÜSSELDORF

Gleich in zwei Fällen hatte das LAG Düsseldorf darüber zu entscheiden, ob die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.

In einem Fall legte der klagende Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber ein digitales EU-Impfzertifikat vor, um den Anforderungen der damals geltenden 3G-Regelung zu genügen. Das Zertifikat war von einer Berliner Ärztin ausgestellt, gegen welche bereits wegen des Verdachts auf illegalen Handel mit gefälschten Impfnachweisen ermittelt wurde. Der Arbeitnehmer war zudem an beiden Tagen der angeblichen Verabreichung der Impfdosen arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit dem Vorwurf der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises im Beisein des Betriebsrats konfrontiert hatte, kündigte er dem Arbeitnehmer anschließend nach erfolgter Be-triebsratsanhörung fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht.

Das Arbeitsgericht Duisburg gab der dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage im März dieses Jahres statt. Zwar stelle die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises einen wichtigen Grund dar. Doch ließe sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen, dass der Impfnachweis tatsächlich gefälscht gewesen sei. Die Beweislast dafür trage der Arbeitgeber. Auch die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung seien nicht erfüllt, da der Betriebsrat zu einer solchen nicht angehört worden sei.

Das LAG bestätigte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, dass die Vorlage einer Impfnachweis-Fälschung einen Grund für die fristlose Kündigung darstellen könne. Zur streitigen Frage des Vorliegens einer Fälschung sei aber eine Beweisaufnahme nötig, weshalb das LAG lediglich einen Beweisbeschluss erließ. Die Verhandlung wird nun fortgesetzt.

Parallel dazu hatte das LAG Düsseldorf über eine weitere außerordentliche Kündigung wegen der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises zu entscheiden. Auch in diesem Verfahren machte das Gericht in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass die Fälschung grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstelle. Die außerordentliche Kündigung scheiterte in diesem Fall aber an der Interessenabwägung. Der Kläger war bereits seit 19 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und räumte die Fälschung auf Vorhalt sofort ein. Außerdem müsse sich die Beklagte selbst einen (inhaltlich bisher nicht näher bekannten) Verstoß gegen § 28b IfSG vorhalten lassen. Auch die ordentliche Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis nicht beenden, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde.

2. AUSBLICK

Die Entscheidungen des LAG Düsseldorf bestärken Arbeitgeber im Umgang mit gefälschten Impfnachweisen, auch wenn deren Bedeutung jedenfalls im Moment gering ist. Die Entscheidungen dürften aber dennoch richtungsweisend für ähnliche Pflichtverletzungen von Arbeitnehmenden in der Zukunft sein.

Deutlich wurde in diesem Zusammenhang erneut die Wichtigkeit der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates. Insbesondere sollten Arbeitgeber genau prüfen, ob sie den Betriebsrat nicht vorsorglich zu einer Verdachtskündigung angehören, sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Pflichtverletzung nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne.




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Whistleblowing

Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Hinweisgeberschutzgesetz

Die Bundesregierung hat am 27. Juli 2022 einen Entwurf für ein „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen Unionsrecht melden“, verabschiedet. Zwar muss der Gesetzentwurf zunächst noch den regulären Gesetzgebungsprozess durchlaufen und nach Ende der Sommerpause zunächst in den Bundestag eingebracht werden. Da Deutschland jedoch bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht in Verzug ist – sie hätte bis zum 17. Dezember 2021 umgesetzt werden müssen –, kann mit einem zeitnahen und wohl inhaltlich auch unveränderten Inkrafttreten gerechnet werden.

1. ANWENDUNGSBEREICH

Nach dem Gesetzesentwurf sollen unter anderem Arbeitnehmer:innen zukünftig berechtigt sein, Verstöße gegen strafbewehrte oder bußgeldbewehrte Vorschriften zu melden oder offen zu legen. Erfasst werden zudem bspw. explizit auch Verstöße gegen Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus, zur Produktsicherheit und Umweltschutz. Auch Geschäftsgeheimnisse können in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, sofern die hinweisgebende Person hinreichend Grund zur Annahme hatte, dass die Weitergabe oder die Offenlegung der Informationen notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken.

Der bisher grundsätzlich geltende Vorrang einer rein internen Eskalation wird durch den Gesetzentwurf aufgeweicht. So stehen zukünftig unternehmensinterne und externe Meldemöglichkeiten (stattliche Meldestellen) gleichwertig nebeneinander. Auch wenn zunächst eine interne Meldung gewählt wurde, dürfen sich Arbeitnehmer:innen zusätzlich an eine externe Meldestelle wenden. Die Offenlegung (Zugänglichmachen von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit) soll hingegen nur geschützt sein, wenn besondere Umstände vorliegen.

2. MELDEVERFAHREN

Unternehmen mit in der Regel mindesten 50 Beschäftigten (neben Arbeitnehmer:innen zählen bspw. auch zur Berufsbildung Beschäftigte) haben zukünftig Meldestellen einzurichten, bei denen Arbeitnehmer:innen auf in den Anwendungsbereich des Gesetzes falllende Verstöße hinweisen können. Der Entwurf sieht – abhängig von der Unternehmensgröße – auch die Einrichtung gemeinsamer Meldestellen vor. Dies kann insbesondere in Konzernverbunden eine sinnvolle Möglichkeit darstellen.

Die Meldestelle kann entweder beim Unternehmen selbst eingerichtet werden (als unabhängige Stelle) oder aber auf einen Dritten übertragen werden. Unabhängig davon, ob eine gemeinsame Meldestelle mehrerer Unternehmen oder eine Meldestelle bei einem Dritten eingerichtet wird, bleibt das jeweilige Unternehmen in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen und Rückmeldungen auf eingegangene Hinweise zu geben.

Hinsichtlich der einzurichtenden Meldekanäle ist klargestellt, dass Meldungen sowohl mündlich als auch in Textform erfolgen können müssen. Unklar ist hingegen die Regelung zur anonymisierten Meldung. Diese soll zwar grundsätzlich bearbeitet werden; eine Pflicht, anonyme Meldungen zu ermöglichen, besteht jedoch nicht.

3. WEITERE PFLICHTEN FÜR UNTERNEHMEN

Neben der beschriebenen Einrichtung von Meldestellen, gehen mit dem Gesetzentwurf auch weitere Pflichten für Unternehmen einher. Sie treffen bspw. Dokumentations-, Prüf- und Mitteilungspflichten, auch innerhalb vorgegebener Fristen. In Abhängigkeit davon, ob sich aufgrund der gegebenen Hinweise tatsächlich Verstöße feststellen lassen, sind zudem weitere Maßnahmen zu ergreifen.

4. SCHUTZ DER HINWEISGEBENDEN PERSONEN

Sofern Arbeitnehmer:innen zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zur Annahmen hatten, dass die von ihnen gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, werden sie vom Gesetz weitgehend geschützt. So verbietet das Gesetz ausdrücklich jede Form von Repressalien. Sollten Arbeitnehmer:innen Benachteiligungen erleiden, nachdem von ihnen eine Meldung oder Offenlegung erfolgt ist, soll zukünftig die gesetzliche Vermutung gelten, dass es sich [...]

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Neues zum Whistleblowing – Neuer Referentenentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz

Am 13. April 2022 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG-E“). Umgangssprachlich als „Whistleblowergesetz“ bezeichnet, setzt es eine entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates um (RL (EU) 2019/1937) („Richtlinie“). Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist insbesondere der vorgesehene Schutz von Whistleblowern vor Kündigungen, Versetzungen oder Disziplinarmaßnahmen bemerkenswert. Das gilt nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen das Unionsrecht, sondern – über die europäischen Vorgaben hinausgehend – auch bei Verstößen gegen rein nationales Recht. Auf die bis Mitte Mai stattfindende Verbände- und Länderbeteiligung zum Referentenentwurf folgt dann die Abstimmung in Bundestag und Bundesrat.

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

Bereits von der letzten Bundesregierung wurde ein Referentenentwurf zum Hinweisgeberschutz auf den Weg gebracht. Das damalige Gesetzgebungsverfahren scheiterte jedoch an Unstimmigkeiten zwischen SPD und Union. Streitpunkt war, ob Whistleblower nur geschützt werden sollten, wenn es um Verstöße gegen EU-Recht geht oder weitergehend auch bei gemeldeten Verstößen gegen nationales Recht. Während die SPD schon damals eine nun auf den Weg gebrachte überschießende Umsetzung der Richtlinie befürwortete, kritisierte die Union die damit einhergehende Bürokratie und zusätzliche Regulierung.

Am 17. Dezember 2021 ist die in der Richtlinie vorgegebene Umsetzungsfrist verstrichen. Anfang 2022 hatte die EU-Kommission daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Bis zum Inkrafttreten des HinSchG können sich Beschäftigte gegebenenfalls unmittelbar auf einzelne Artikel der Richtlinie berufen.

INHALT DES REFERENTENENTWURFS

Im Wesentlichen entspricht der Referentenentwurf demjenigen aus der letzten Legislaturperiode. Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs des HinSchG-E ist klarzustellen, dass u.a. auch Vorstände und Geschäftsführer als Hinweisgeber in Frage kommen und damit vom Hinweisgeberschutz profitieren können. In sachlicher Hinsicht werden Verstöße gegen Vorschriften aus dem Strafrecht, bestimmte Ordnungswidrigkeiten und Unions- sowie korrespondierendes nationales Recht erfasst. Dem HinSchG-E zufolge sind unternehmensinterne und externe Meldekanäle zu errichten, an die sich Whistleblower wenden können. Das interne Meldesystem kann nach dem HinSchG-E beispielsweise auch über eine konzernweite Meldestelle gewährleistet werden. Die originäre Verantwortung dafür, einen festgestellten Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, muss dabei bei dem jeweiligen beauftragenden Tochterunternehmen verbleiben. Zwischen beiden Meldekanälen haben Hinweisgeber ein Wahlrecht. Bei Einhaltung der gesetzlich geregelten Anforderungen an eine Meldung werden die Beschäftigten umfangreich vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligung geschützt.

ABWEICHUNGEN VOM BISHERIGEN ENTWURF

Der sachliche Anwendungsbereich sollte nach dem Entwurf von 2021 noch die Meldung und Offenlegung von Informationen über Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind, sowie sonstige Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder und bestimmte EU-Rechtsakte erfassen. Der jetzige Entwurf ist dahingehend etwas enger formuliert und umfasst bußgeldbewehrte Verstöße nur insoweit, als die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG-E). Zudem soll statt wie im alten Entwurf vorgesehen nicht der Bundesdatenschutzbeauftragte, sondern das Bundesamt für Justiz für die externe Meldestelle zuständig sein. Die Begründung des aktuellen Entwurfs stellt zudem anders als die des vorhergehenden klar, dass die erwähnten konzernweiten Meldestellen als „Dritte“ im Sinne des Gesetzes gelten.

WESENTLICHE ASPEKTE IN ARBEITSRECHTLICHER HINSICHT

Auswirkungen auf das Arbeitsrecht hat insbesondere der Schutz der Beschäftigten vor benachteiligenden Handlungen oder Unterlassungen [...]

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