Arbeitnehmerüberlassung
Subscribe Abonnieren Sie die Beiträge von Arbeitnehmerüberlassung

Employer of Record – Neue fachliche Weisung der Agentur für Arbeit

Parallel zur zunehmenden Digitalisierung erfreute sich die Beschäftigung von ausländischem Personal über einen sog. Employer of Record (EoR) in der Arbeitswelt immer größerer Beliebtheit. Im Rahmen einer Anpassung ihrer fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vom 15. Oktober 2024 hat die Bundesagentur für Arbeit jedoch erhebliche Risiken im Zusammenhang mit diesem Beschäftigungsmodell beschrieben, sodass Unternehmen dessen Wahl kaum mehr empfohlen werden konnte. Nach scharfer Kritik aus der juristischen Literatur hat die Bundesagentur für Arbeit nunmehr eine überraschende Kehrtwende vollzogen und ihre fachlichen Weisungen kürzlich erneut überarbeitet. Wie das EoR-Modell funktioniert und welche Bedeutung die neuerliche Anpassung der fachlichen Weisungen für die Praxis hat, erläutern wir in diesem Blog-Beitrag.

Was ist ein Employer of Record?

Wörtlich übersetzt bedeutet „Employer of Record“ so viel wie „Arbeitgeber auf dem Papier“. Rein praktisch handelt es sich dabei um ein Modell, bei dem ein ausländischer Dienstleister – meist eine Personalagentur – die formale Arbeitgeberrolle für einen ausländischen Arbeitnehmer übernimmt, der in seinem Heimatland tätig ist. Der Arbeitnehmer schließt mit dem EoR einen Arbeitsvertrag nach lokalem Recht, während die tatsächliche Arbeitsleistung vollständig remote für ein deutsches Unternehmen erbracht wird. Das deutsche Unternehmen schließt seinerseits einen Vertrag mit dem EoR und erhält hierdurch das fachliche Weisungsrecht, ohne selbst als Arbeitgeber im Ausland auftreten zu müssen.

Das ursprünglich aus dem angelsächsischen Raum stammende EoR-Modell hat sich insbesondere im Zuge der Corona-Pandemie und der zunehmenden Verbreitung von Homeoffice und digitaler Zusammenarbeit etabliert. Es richtet sich vor allem an Tätigkeiten, die ortsunabhängig erbracht werden können, etwa in der IT, im Projektmanagement oder in der Beratung. Anders als bei klassischer Leiharbeit erfolgt keine physische Eingliederung in den Betrieb des Entleihers. Der Arbeitsplatz bleibt im Ausland und die Kommunikation läuft über digitale Kanäle wie E-Mail, Videokonferenzen oder Kollaborationstools.

Rechtlich basiert die Beschäftigung über einen EoR maßgeblich auf dem sogenannten „Territorialprinzip“, welches dem AÜG zugrunde liegt. Hiernach findet das AÜG grundsätzlich nur Anwendung, wenn ein relevanter Inlandsbezug besteht, der insbesondere bei körperlicher Präsenz in Deutschland sowie einer physischen Eingliederung in einen deutschen Betrieb angenommen wird. Erfolgt die Arbeitsleistung hingegen ausschließlich remote aus dem Ausland, sprechen gute Gründe dafür, einen solchen Inlandsbezug zu verneinen. Wird diese Sichtweise zugrunde gelegt, eröffnet das EoR-Modell die Möglichkeit einer Beschäftigung von Fremdpersonal ohne die typischen Einschränkungen der klassischen Arbeitnehmerüberlassung, etwa die im AÜG vorgesehene Notwendigkeit einer Verleiherlaubnis oder die zeitliche Begrenzung der Überlassung auf 18 Monate.

Wichtig: Innerhalb von Deutschland verstößt das EoR-Modell – unabhängig von den Weisungen der Bundesagentur für Arbeit – gegen das AÜG und Provider und Kunde setzen sich im Inland dessen Sanktionen (Bußgeld, Strafbarkeit, entstehendes Arbeitsverhältnis) aus.

Fachliche Weisungen der Agentur für Arbeit: Die Änderung von Oktober 2024

Bis zum Herbst 2024 enthielten die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit keine ausdrückliche Position zur Beschäftigung von Arbeitnehmern über einen EoR. Dies änderte sich mit der Weisungsfassung vom 15. Oktober 2024, die für erhebliche Verunsicherung in der unternehmerischen Praxis sorgte. Die Bundesagentur für Arbeit weitete darin den Anwendungsbereich des AÜG aus und stellte klar, dass auch rein virtuelle Tätigkeiten aus dem Ausland unter bestimmten Umständen als [...]

Continue Reading




mehr lesen

Verlängerung der Arbeitsnehmerüberlassungshöchstdauer durch Tarifvertrag

Tarifverträge der Einsatzbranche gelten auch für nicht-tarifgebundene Zeitarbeitnehmer und Personaldienstleister

Das BAG hat kürzlich eine umstrittene Frage beim Einsatz von Zeitarbeitnehmern zugunsten der Zeitarbeits- und Einsatzbranchen geklärt: Die gesetzliche Höchstdauer bei Arbeitnehmerüberlassung kann auf Grundlage eines Tarifvertrages der Einsatzbranche überschritten werden darf, dies ungeachtet der Tarifbindung von Zeitarbeitnehmer bzw. Zeitarbeitsunternehmen. Das Urteil vom 14. September 2022 (Az. 4 AZR 83/21) liegt derzeit nur als Pressemitteilung vor. Doch diese lässt bereits die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung für die Praxis erkennen. Auch in einem Parallelverfahren vom selben Tag (Az. 4 AZR 26/21) hat das BAG die Klage eines Zeitarbeitnehmers ablehnend beschieden.

1. SACHVERHALT

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Der klagende Leiharbeitnehmer wurde im Mai 2017 für knapp 24 Monate als Kfz-Meister an das beklagte Einsatzunternehmen überlassen. Im Unternehmen der Beklagten fand der „Tarifvertrag Leih/Zeitarbeit“, der zwischen dem Verband Südwestmetall und der Gewerkschaft IG Metall geschlossen wurde, Anwendung. In diesem wurde von den Tarifvertragsparteien unter anderem geregelt, dass die Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung 48 Monate nicht überschreiten darf. Der klagende Leiharbeitnehmer war nicht Mitglied in der IG Metall. Er stützte seine Klage darauf, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem entleihenden Einsatzunternehmen kraft Gesetzes aufgrund der Überschreitung der gesetzlichen Höchstdauer zustande gekommen und im Übrigen die gesetzliche Verlängerungsmöglichkeit verfassungswidrig sei. Dem erteilte das BAG nun eine Absage.

2. RECHTLICHER RAHMEN

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (im Folgenden „AÜG“) regelt die Rechtsverhältnisse zwischen Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer. Bis zu seiner Novellierung im April 2017 sah § 1 AÜG zwar vor, dass eine Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend, mithin nicht dauerhaft erfolgen darf. Es herrschte jedoch weitgehend Unklarheit über die Frage, wann eine Überlassungsdauer noch als „vorübergehend“ einzustufen ist und ab welchem Zeitraum eine dauerhafte Überlassung anzunehmen ist. Diese Rechtsunsicherheit wurde mit der Neufassung im Jahr 2017 beseitigt. Der Gesetzgeber ergänzte das AÜG um eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer. Diese beträgt gemäß § 1 Abs. 1b) AÜG 18 Monate.

In der Gesetzesbegründung wurde die Einführung der zeitlichen Beschränkung mit der Orientierung der Arbeitnehmerüberlassung auf ihre Kernfunktion begründet. Diese erstreckt sich vorrangig auf die zeitweise Überlassung eines Arbeitnehmers. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Stammarbeitnehmer verdrängt werden könnten. Vor diesem Hintergrund sollte die Stellung der Leiharbeitnehmern gestärkt und die Verhinderung von Missbrauch in den Fokus gerückt werden.

Wird die gesetzliche Überlassungshöchstdauer zu Unrecht überschritten, droht dem Entleiher eine häufig unerwünschte Konsequenz: Gemäß § 10 Abs. 1 AÜG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr 1b AÜG führt jede noch so geringe Überschreitung der einschlägigen Überlassungshöchstdauer u.a. zu einem kraft Gesetzes fingierten Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und entleihendem Einsatzunternehmen.

Der Gesetzgeber sah auf der anderen Seite aber auch das Bedürfnis nach einer flexiblen und bedarfsgerechten Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung. Aus diesem Grund wurde mit der Einführung des § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG eine Möglichkeit geschaffen, die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung variabel zu gestalten. Ein Abweichen von der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstdauer von 18 Monaten wurde ausdrücklich kodifiziert – durch Tarifvertrag oder aufgrund Tarifvertrages durch die Betriebsparteien per Betriebsvereinbarung. So können Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine abweichende Überlassungshöchstdauer– sowohl nach oben [...]

Continue Reading




mehr lesen

FOLGE UNS

THEMENBEREICHE

ARCHIV