Es ist wieder soweit: Zum Ende eines jeden Geschäftsjahres stehen nicht nur die strategische Planung für das kommende Geschäftsjahr, sondern auch die Zielvereinbarungen bzw. einseitige Zielvorgaben für etwaige Bonuszahlungen der Mitarbeiter wieder auf der Agenda. Die rechtzeitige Vereinbarung bzw. einseitige Vorgabe von Zielen für Bonuszahlungen ist keine bloße Formalität, sondern eine arbeitsvertragliche (Neben-)Pflicht für Arbeitgeber. Bei Nachsichtigkeiten, Verzögerungen oder Versäumnissen riskieren Unternehmen nicht nur, den eigentlichen Zweck der Ziele – nämlich die Mitarbeitermotivation im Sinne einer übergreifenden Unternehmensstrategie – zu konterkarieren, sondern verursachen auch Schadenersatzforderungen der betroffenen Mitarbeiter.

Es ist zwischen einer zweiseitigen Zielvereinbarung und einer einseitigen Zielvorgabe durch das Unternehmen zu unterscheiden, die vom Arbeitgeber nun kurz vor Beginn des neuen Geschäftsjahres Unterschiedliches abfordern. Welche in einem konkreten Fall einschlägig ist, bestimmt sich nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.

Zweiseitige Zielvereinbarungen

Gilt für den Bonusberechtigung eine Zielvereinbarung, müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam über Art, Gewichtung, Umfang und Zeitpunkt der zu erreichende Ziele einigen. Zielvereinbarungen sind für den Arbeitgeber aufwendiger und ressourcenintensiver, da es hier einer Kooperation und letztendlich auch Zustimmung des Arbeitnehmers zu den Zielen bedarf.

Unterlässt – d.h. vergisst – es der Arbeitgeber die Gespräche zur Zielvereinbarung zu initiieren oder initiiert er diese zu spät, und kommt eine Zielvereinbarung deswegen nicht zustande, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz in Form des vollen Bonus verlangen.

Ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitnehmers kann die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers in der Theorie zwar mildern, praktisch sind diese Fälle allerdings zu vernachlässigen. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers setzt nämlich voraus, dass im Arbeitsvertrag die Initiativlast für das Führen von Zielvereinbarungsgesprächen nicht eindeutig dem Arbeitgeber auferlegt wird. Selbst bei beidseitigem Verschulden wird der Anspruch zwar anteilig gekürzt, allerdings nimmt das BAG regelmäßig ein Mitverschulden des Arbeitnehmers von ca. 10 % an. Letztendlich trägt der Arbeitgeber das Risiko einer unterbliebenen Zielvereinbarung quasi alleine. Haftungsrisiko für den Arbeitgeber birgt auch die Variante, in der es Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gelingt, sich (rechtzeitig oder überhaupt) auf Ziele zu einigen.
Für den Arbeitgeber beherrsch- und damit berechenbarer ist deswegen die – insgesamt vorzugswürdige – Zielvorgabe.

Einseitige Zielvorgaben durch den Arbeitgeber

Gilt für die Bonusberechtigung eine Zielvorgabe, so kann diese vom Arbeitgeber – ohne Mitwirkungen des Arbeitnehmers – einseitig getroffen werden. Dem Arbeitgeber wird gemäß § 315 Abs.1 BGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugesprochen. Unterlässt der Arbeitgeber die Zielvorgabe oder erfolgt diese verspätet, kann dem Arbeitnehmer in der Regel kein Mitverschulden angelastet werden. Denn die Festlegung der Ziele obliegt ausschließlich dem Arbeitgeber.

Somit schlummert auch hier ein Haftungsrisiko: Erst zu Beginn des Jahres hatte das BAG (19. Februar 2025 – 10 AZR 57/24) erklärt, auf Seiten des Arbeitgebers liege eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorgibt, an deren Erreichung die Zahlung einer variablen Vergütung in Form eines Bonus geknüpft ist (Zielvorgabe). Kann eine nachträgliche Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen, führt diese Pflichtverletzung dazu, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Schadensersatz in Höhe von 100% des Bonus schuldet.

In seiner Entscheidung nannte das Gericht keinen konkreten Zeitpunkt, bis wann der Arbeitgeber die Ziele vorgegeben haben [...]

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