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Über Geld spricht man – das BAG und die EU setzen neue Maßstäbe

Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht ist nicht nur ein rechtspolitisches Ziel, sondern über §§ 3, 7 EntgTranspG sowie Art. 157 AUEV ein verbindlicher Rechtsanspruch. Lediglich die Umsetzung dieses Anspruchs bereitet in der Praxis regelmäßig Probleme. Im Vergleich zu männlichen Beschäftigten verdienen weibliche Beschäftigte für vergleichbare Arbeit jedenfalls im Durchschnitt noch immer weniger Gehalt.

Prozessual bietet § 22 AGG Beschäftigten sowohl den Vorteil einer erleichterten Darlegungslast als auch einer Beweislastumkehr. Die klagende Partei muss danach lediglich Indizien darlegen und im Streitfall beweisen, die eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vermuten lassen. Sodann obliegt es dem Arbeitgeber, diese Vermutung zu widerlegen.

Korrespondierend bietet das Entgelttransparenzgesetz seit 2017 Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitenden einen individuellen Auskunftsanspruch. Dieser ist auf die Angabe des Medians des Vergleichsentgelts gerichtet. Auf diese Weise können Beschäftigte Informationen über Kriterien zur Entgeltfestsetzung und den Medianverdienst vergleichbarer Kolleginnen und Kollegen eines anderen Geschlechts einfordern. Praktisch ist das Benennen der korrekten Vergleichsgruppe hier aber nicht ganz einfach.

Das Ziel des Gesetzes besteht darin, Entgeltgerechtigkeit und Transparenz zu fördern, indem die Mitarbeitenden erfahren können, ob sie weniger für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit verdienen. Allerdings sieht das EntgTranspG über den Auskunftsanspruch hinaus keine eigenständigen Zahlungsansprüche vor. Insbesondere regelt das Gesetz nicht ausdrücklich die Rechtsfolgen, die Beschäftigte aus den erlangten Informationen herleiten können.

Medianwert als Maßstab

Nach der bisherigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte begründete der Umstand, dass eine Arbeitnehmerin ein geringeres Entgelt als das Medianentgelt der männlichen Vergleichsperson(en) erhält, die (widerlegbare) Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts (BAG v. 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19).

Das Medianentgelt ist der Wert, der genau in der Mitte liegt, wenn alle Zahlen der Reihe der Größe nach sortiert sind – die Hälfte ist kleiner, die andere Hälfte größer. Der Nachteil dieser Vergleichsmethode ist, dass der Medianwert die tatsächliche Entgeltstruktur nur eingeschränkt abbilden kann, da er keine Auskunft über die Spannweite oder Verteilung der Gehälter ergibt. Das führt dazu, dass erhebliche Unterschiede innerhalb einer Vergleichsgruppe hierdurch verdeckt bleiben.

BAG setzt auf Paarvergleich

Mit der Frage, ob diese Vermutungswirkung auch eintritt, wenn die betroffene Arbeitnehmerin sich nicht auf den über den Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG erlangten Medianwert bezieht, sondern auf das ihr bekannte Gehalt eines konkreten männlichen Kollegen, musste sich jüngst das Bundesarbeitsgericht befassen.

In dem vom BAG zu entscheidenden Fall hat eine Arbeitnehmerin der mittleren Führungsebene der Daimler Truck AG rückwirkend finanzielle Gleichstellung eingeklagt. Ihr Gehalt unterschritt in dem relevanten Zeitraum das jeweilige Medianentgelt beider Geschlechter in der maßgeblichen Führungsebene. Die Besonderheit des Falles: Die Betroffene orientierte sich dabei nicht an ebendiesen Medianwerten, sondern am Gehalt eines Spitzenverdieners in der Gruppe der männlichen Abteilungsleiter.

Die Vorinstanz (LAG Baden-Württemberg v. 1. Oktober 2024 – 2 Sa 14/24) gestand der Klägerin ein höheres Arbeitsentgelt zwar zu, allerdings nur in Höhe der Differenz der Medianentgelte der männlichen und weiblichen Vergleichsgruppe. Für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung genüge es nicht, sich auf eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts zu berufen. Angesichts der Größe der männlichen Vergleichsgruppe und der Medianentgelte beider vergleichbarer Geschlechtergruppen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit [...]

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Ver­fall­regel ver­stößt gegen Treu und Glauben

In vielen Start-ups erhalten Mitarbeitende neben ihrem Gehalt auch virtuelle Unternehmensbeteiligungen – sogenannte virtuelle Optionen. Diese sollen als Anreiz dienen, langfristig im Unternehmen zu bleiben und am wirtschaftlichen Erfolg teilzuhaben. Doch was passiert mit diesen Rechten, wenn Mitarbeitende selbst kündigen? Das Bundesarbeitsgericht hat nun überraschend geurteilt – mit weitreichenden Folgen für Start-ups und andere Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen.

Was das für Unternehmen und deren Vertragsgestaltung bedeutet, lesen Sie im Artikel von Dr. Thomas Gennert und Athanasia Eleftheriadou auf Legal Tribune Online (LTO).

Hier gelangen Sie zum vollständigen Artikel.




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Annahmeverzugslohn und Anrechnung von anderweitigem Erwerb – Tipps für die Praxis

Grundsätzlich gilt: Ohne Arbeit kein Lohn. Eine Ausnahme ist der Annahmeverzugslohn (siehe auch HR-News Beitrag vom 17. Oktober 2023: „Annahmeverzugslohn: Nur noch stumpfes Schwert im Kündigungsschutzprozess?“). Diesen muss der Arbeitgeber in der Regel zahlen, wenn er Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung freistellt oder nach dem vermeintlichen Kündigungsdatum die Unwirksamkeit der Kündigung rechtskräftig festgestellt wird. Für den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer hätte arbeiten können, dies aber aufgrund der Erklärungen des Arbeitgebers nicht konnte, ist die vertragsgemäße Vergütung weiterzuzahlen. Dabei hat sich der Arbeitnehmer aber anderweitigen Erwerb anrechnen zu lassen (§ 615 S. 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG). Außerdem kann der Annahmeverzugslohn um den Wert gemindert werden, den der Arbeitnehmer „böswillig unterlässt“, zu verdienen (§ 615 S. 2 BGB, § 11 Nr. 2 KSchG).

In der Praxis zeigt sich oft, dass Arbeitgeber die Möglichkeiten der Anrechnung des anderweitigen Erwerbs nicht ausreichend nutzen, sondern vermeintlich pflichtbewusst den Annahmeverzugslohn ungemindert auszahlen. Ein Grund mehr einen Blick auf die Entscheidung des BAG vom 24. Januar 2024 (5 AZR 331/22) zu werfen, in der sowohl der anzurechnende tatsächlich erzielte Verdienst als auch der böswillig unterlassene (hypothetische) Verdienst genauer erläutert wird:

1. DER SACHVERHALT

Nachdem der Klägerin zu Ende April 2014 gekündigt wurde, erhob sie Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber stellte die Lohnzahlungen zum Ende April 2014 ein. Die Klägerin meldete sich daraufhin ab März 2014 bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend. Die Klägerin wurde im Mai 2014 als Geschäftsführerin einer GmbH eingetragen. Für die Geschäftsführertätigkeit erhielt sie keine Vergütung, sondern eine Gewinnbeteiligung. Die GmbH, deren Geschäftsführerin die Klägerin war, wurde im Januar 2015 persönlich haftende Gesellschafterin einer KG, an der die Klägerin mit einem Anteil im Wert von EUR 10.000 beteiligt war. Für den Zeitraum Mai bis Oktober 2014 erzielten weder die KG noch die GmbH einen Gewinn, sondern Verluste. Die Klägerin erhielt für diesen Zeitraum daher auch keine Gewinnbeteiligung.

Bis Ende 2015 konnte der Klägerin durch die Arbeitsagentur keine Beschäftigung vermittelt werden. Im Januar 2016 stellte das Arbeitsgericht Gera fest, dass die Kündigung (sowie auch weitere, zusätzlich erklärte Kündigungen) das Anstellungsverhältnis nicht wirksam beendet hatten.

Für den Zeitraum Mai 2014 bis September 2014 klagte die Klägerin anschließend auf Annahmeverzugslohn, in Höhe der zuvor erzielten Vergütung. Nachdem das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen (Urteil vom 6. September 2022 – 1 Sa 427/20) der Klage im wesentlichen stattgegeben hatte, nutzte das BAG die Revision zur Klarstellung der Regelungen zur Anrechnung von Nebenverdienst und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das LAG zurück.

2. DIE ENTSCHEIDUNG

Das BAG stellte fest, dass das LAG weder den tatsächlichen Verdienst der Klägerin in ausreichendem Maße ermittelt hatte, noch ausreichend Feststellungen getroffen hatte, ob die Geschäftsführertätigkeit mit reiner Gewinnbeteiligung nicht ggf. ein böswilliges Unterlassen im Sinne von § 11 Nr. 2 KSchG darstellt.

Zu Ersterem: Entgegen der Ansicht des LAG müssen Einkünfte aus einer Gewinnbeteiligung auch berücksichtigt werden, wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden. Der Zeitpunkt der Fälligkeit von Ansprüchen ist danach für die Anrechenbarkeit von sonstigen Verdiensten nicht relevant, sondern vielmehr der Zeitpunkt der Arbeit/Leistung, für [...]

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(Fremd-)Geschäftsführer – Arbeitgeberrepräsentant oder doch „nur“ Arbeitnehmer?

Vor kurzem hatte sich Dr. Thomas Gennert in diesem Blog mit einer Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 20. Juli 2023 – 6 AZR 228/22) auseinandergesetzt und die Frage erörtert, unter welchen Umständen (Fremd-)Geschäftsführer in den Anwendungsbereich von gesetzlichen Kündigungsschutzvorschriften fallen und ihre Anstellungsverhältnisse von Betriebsübergängen erfasst sein können.

Ebenfalls im Sommer 2023 hat sich das BAG mit der Frage befasst, ob Fremdgeschäftsführer nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses Urlaubsabgeltung geltend machen können (BAG, Urteil vom 25. Juli 2023 – 9 AZR 43/22):

  1. Der Sachverhalt

Die Klägerin war zunächst als Arbeitnehmerin bei der Beklagten beschäftigt und seit 2012 als Geschäftsführerin angestellt, zuletzt auf einem Dienstvertrag aus dem Jahr 2016. Ihr vertraglicher Urlaubsanspruch belief sich auf 33 Tage im Kalenderjahr.

Seit 2018 wurde die Klägerin in einer Geschäftsstelle der zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörenden GmbH eingesetzt. Die Beklagte übernahm für diese GmbH bestimmte entgeltliche Dienstleistungs- und Beratungstätigkeiten und stellte dieser dazu „ihre Geschäftsführerin … im erforderlichen Umfang für den o. g. Tätigkeitsbereich zur Verfügung“. Die Klägerin hatte hierbei gewisse Vorgaben einzuhalten (bspw. Arbeitszeiten, Durchführung von Kaltakquise und Kundenbetreuung, Kontroll- und Überwachungsaufgaben).

Nachdem die Klägerin ihr Amt als Geschäftsführerin mit Erklärung von 5. September 2019 niederlegte, wurde sie am 17. September 2019 aus dem Handelsregister ausgetragen. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien endete aufgrund der Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. Juni 2020. Seit dem 30. August 2019 erbrachte die Klägerin keine Leistungen mehr; sie war arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte nahm daraufhin die Klägerin auf Rückzahlung von erhaltenen Tantiemenzahlungen vor dem Amtsgericht in Anspruch. Die seitens der Klägerin erhobene Widerklage auf Entgeltfortzahlung wurde vom Amtsgericht abgetrennt und an das Arbeitsgericht verwiesen. Dort machte die Klägerin im Wege einer Klageerweiterung Urlaubsabgeltung für insgesamt 38,5 Tagen geltend, insgesamt EUR 11.294,36 brutto.

  1. Die Entscheidung

Wie bereits zuvor das Landesarbeitsgericht entschied auch das BAG, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung zustehe. Die Klägerin sei Arbeitnehmerin im Sinne des § 1 BUrlG. Das BUrlG setze die Vorgaben des Art. 7 RL 2003/88/EG um, deshalb sei die Norm europarechtskonform auszulegen und nicht der nationale, sondern der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zu Grunde zu legen. Da die Klägerin während bestimmter Zeiten für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen zu beringen hatte und als Gegenleistung eine Vergütung erhielt, seien die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs erfüllt. Zudem hielt die Klägerin weder die Mehrheit noch eine Sperrminorität an den Anteilen der Gesellschaft und konnte jederzeit als Geschäftsführerin abberufen werden.

  1. Der Kontext

Spätestens seit der Danosa Entscheidung des EuGH im Jahr 2010 (EuGH, Urteil vom 11. November 2010 – C-232/09) ist klar, dass Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts sein können. Zwar ist hierfür immer eine Beurteilung im konkreten Einzelfall erforderlich. Die danach notwendige Weisungsgebundenheit ist – auch ohne die eher untypischen festen Arbeitszeiten und detailliert beschriebenen Pflichten wie die des Klägers in dem vom BAG zu entscheidenden Fall – regelmäßig bereits aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Weisungsgebundenheit von Geschäftsführern einer GmbH (§§ 37, 46 Nr. 5, 6 und 8 GmbHG) sowie deren jederzeitigen Abrufbarkeit (§ 38 [...]

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