Die betriebliche Mitbestimmung im Homeoffice

Von und am April 1, 2021

Was gilt es zu beachten?

1. DIE AUSGANGSLAGE – DIE CORONA-PANDEMIE ALS ANLASS FÜR HOMEOFFICE-ARBEIT
Homeoffice und vor allem Mobile Office wurden schon vor der Corona-Pandemie von einigen Arbeitgebern ermöglicht, haben seither aber enorm an Bedeutung gewonnen. So gibt z.B. die derzeit geltende Corona-Arbeitsschutzverordnungen Arbeitgebern vor, ihren Mitarbeitern soweit wie möglich die Tätigkeit aus dem Homeoffice zu ermöglichen. Hierbei stellt sich abgesehen von der individuellen Umsetzung mit dem jeweiligen Mitarbeitern auch die Frage nach möglichen Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates, die (zwingend) zu beachten sind.

2. BESCHLUSS DES LANDESARBEITSGERICHTS HESSEN
Das LAG Hessen hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit Beschluss vom 18. Juni 2020 (5 TaBVGa 74/20) entschieden, dass dem Betriebsrat kein „offensichtliches“ Mitbestimmungsrecht an der Durchführung des Arbeitsmodells „Mobile Working“ zustehe.

In dem zugrundeliegenden Fall hat ein Betriebsrat die Unterlassung der Durchführung des Arbeitsmodells „Mobile Working“ angestrebt, nachdem der Arbeitgeber dieses Modell anlässlich der Pandemielage eingeführt hatte, um die Arbeitnehmer vor Infektionen am Arbeitsplatz zu schützen aber ohne vorher eine Betriebsvereinbarung hierzu abzuschließen.

Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei der Einführung von Mobile Working zumindest nach der summarischen Prüfung im Eilverfahren (die rechtlich grds. vollumfänglich durchzuführen ist) nicht um eine Entscheidung, für die gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besteht. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG scheide aus, weil die Einführung untrennbar an das mitbestimmungsfreie Arbeitsmodell anknüpfe und zudem das betriebliche Zusammenleben nicht berührt werde, wenn ein Erlaubnisvorbehalt für mobil arbeitende Mitarbeiter besteht und diese außerplanmäßig in den Betrieb wollen. Das „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ gelte vielmehr nur in der Phase des Mobile Working. Weisungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird, unterliege nicht der Mitbestimmung. Auch sei ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 und 7 BetrVG nach Auffassung des LAG Hessen nicht einschlägig. Diese könnten zwar generell bei der Ausgestaltung des Mobile Working relevant werden, jedoch bestünden im zu entscheidenden Fall keine ausreichenden Anhaltspunkte hierfür. Insbesondere würden die Arbeitnehmer die gleiche technische Ausstattung wie im Betrieb nutzen.

Es besteht auch kein unabhängiger Unterlassungsanspruch, um künftig personelle Einzelmaßnahmen, die gegen §§ 99, 100 BetrVG verstoßen, zu verhindern. Das LAG Hessen hat dabei allerdings offengelassen, ob es sich überhaupt um eine Versetzung handelt, da den Mitarbeitern ohnehin eine Wahlmöglichkeit des Arbeitsortes eingeräumt wurde. Das LAG Köln hat mit Beschluss vom 14. August 2020 (9 TaBV 11/20) jedenfalls die Frage, ob ein Widerruf der „alternierenden Telearbeit“ eine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellt, bejaht.

Der Arbeitgeber durfte im vom LAG Hessen zu entscheidenden Fall demnach vorerst weiterhin sein Arbeitsmodell durchführen, ohne den Betriebsrat zu beteiligen.

Die Entscheidung zeigt jedoch auf, dass sich in vielerlei Hinsicht Fragen der betrieblichen Mitbestimmung ergeben können, wenn Arbeitgeber Homeoffice oder Mobile Working in ihrem Arbeitsalltag einsetzen wollen.

3. MÖGLICHE MITBESTIMMUNGSTATBESTÄNDE
Der Betriebsrat selbst hat nicht die Möglichkeit, den Arbeitgeber zur Einführung von Homeoffice zu „zwingen“. Solange § 87 BetrVG weder das Homeoffice noch das Mobile Working als Regelungsgegenstand enthält, fehlt ihm insofern das notwendige Initiativrecht. Aus betriebsverfassunsgrechtlicher Sicht bleibt der Arbeitgeber also in seiner Entscheidung frei, ob er Homeoffice anbietet oder nicht. Will sich der Arbeitgeber für die Einführung von Homeoffice oder Mobile Working entscheiden, eröffnet dies jedoch unter Umständen weitgehende Mitbestimmungstatbestände.

Bei der Ein- und Durchführung von Homeoffice können den Betriebsräten dem Grunde nach verschiedene Beteiligungsrechte zustehen. Bereits in der Planungsphase ist der Betriebsrat über die Vorhaben zu unterrichten (§§ 80 Abs. 2, 90 Abs. 1 Nr. 2-4, 92 BetrVG), insbesondere hinsichtlich der technischen und organisatorischen Gestaltung des Arbeitsplatzes, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung.

In der Durchführungsphase selbst können den Betriebsräten Mitbestimmungsrechte in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten je nach konkretem Vorhaben zustehen. Zu den sozialen Angelegenheiten, geregelt in § 87 BetrVG, gehören insbesondere das Ordnungsverhalten (Nr. 1), die Arbeitszeit (Nr. 2, 3), die technischen Einrichtungen (Nr. 6) und der Arbeits- bzw. Gesundheitsschutz (Nr. 7). Zu beachten ist, dass sobald die normierten erzwingbaren Mitbestimmungsrechte eingreifen, zugleich ein Initiativrecht des Betriebsrates entstehen kann, das zu einem Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwingt.

  • Maßnahmen, die das Ordnungsverhalten gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betreffen, sind anders als solche, die das Arbeitsverhalten regeln, mitbestimmungspflichtig. Soweit allein die vertragliche Arbeitspflicht konkretisiert wird, entfällt ein Mitbestimmungsrecht. Wird beispielsweise die Privatnutzung der zur Verfügung gestellten Einrichtungen verboten, ist dies mitbestimmungsfrei. Dagegen ist es mitbestimmungspflichtig, wenn die Privatnutzung unter Aufstellung von Verhaltensregeln erlaubt wird. Auch können die – für die Kontrollpflichten des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitsschutzes grds. notwendigen – Kontroll- und Betretungsrechte den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eröffnen.
  • Möchte der Arbeitgeber den Umfang der Erreichbarkeit, Kernarbeitszeiten oder eine feste Pausenregelung im Homeoffice etablieren, ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG zu beteiligen.
  • Wird die Grenze zur Überwachung und Kontrolle durch den Einsatz technischer Geräte überschritten, steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu. Es genügt nach der Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15), wenn die Einrichtung objektiv zur Überwachung geeignet ist. Umfasst ist hierbei sowohl die Einführung als auch Anwendung einer solchen Einrichtung. Gegenstand der Mitbestimmung des Betriebsrates ist der Einsatz technischer Einrichtungen, die der Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Mitarbeiter dienen (können). Hierunter fallen bspw. auch VPN-Clients oder Softwareprogramme zur internen und externen Kommunikation (Teams, Zoom, Skype etc.), aber auch bereits der Laptop selbst.
  • Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG betrifft den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Mitarbeiter. Räumen die Arbeitsschutzgesetze dem Arbeitgeber einen Gestaltungsspielraum bei den Regelungen über die Unfallverhütung und den Gesundheitsschutz in den Räumlichkeiten des Arbeitnehmers ein, ist der Betriebsrat daher zwingend zu beteiligen. Der Betriebsrat hat so z.B. auch hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung ein Mitbestimmungsrecht. Da der Arbeitgeber die Gefahren im Homeoffice nur schwer bewerten kann, liegt es häufig nahe, die Mitarbeiter über die Arbeitsbedingungen in den eigenen vier Wänden zu befragen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats betrifft dann die Erhebung zur Informationsbeschaffung.
  • Mitbestimmungsrechte in personellen Angelegenheiten nach §§ 99, 102 BetrVG erfassen sowohl den Wechsel aus dem Betrieb ins Homeoffice, als auch aus dem Homeoffice zurück in den Betrieb. Beide Formen werden grds. als mitbestimmungspflichtige Versetzung eingeordnet. Wird dies für einen längeren Zeitraum als einen Monat durchgeführt (§ 95 Abs. 3 BetrVG), hat der Betriebsrat seine Zustimmung zu erteilen. Das Mitbestimmungsrecht scheidet hingegen aus, wenn dem Mitarbeiter nur die freiwillige Möglichkeit zum Homeoffice eingeräumt wird oder die Gewährung ausschließlich auf Wunsch des Mitarbeiters erfolgt. Ist die Versetzung nur über den Ausspruch einer Änderungskündigung möglich, kann der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG anzuhören sein.
  • Das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten kommt bei Betriebsänderungen zum Tragen (§ 111 BetrVG). In Betracht kommen hierbei insbesondere die Verlegung des Betriebs, die Änderung der Betriebsorganisation oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. Dazu müsste die Änderung allerdings von grundlegender Bedeutung sein bzw. den ganzen oder zumindest einen wesentlichen Teil des Betriebes betreffen. Hierfür werden die Schwellenwerte des § 17 KSchG herangezogen. Auch bei der flächendeckenden Einführung von Homeoffice oder Remote Working wird vertreten, dass dies den Anwendungsbereich der §§ 111ff. BetrVG eröffnen kann. Hiervon ist aber wohl allenfalls auszugehen, wenn es zu einer vollständigen und dauerhaften Einführungen unter gleichzeitiger Aufgabe der betrieblichen Arbeitsstätte kommen sollte. Die Betriebspartner haben sich in solchen Fällen umfassend zum Telearbeitskonzept zu beraten. Dazu wäre unter den Voraussetzungen des § 112 BetrVG ggf. auch über Interessenausgleich und die Aufstellung eines Sozialplans zu verhandeln.

4. AUSBLICK
Das BMAS hat am 21. Dezember 2020 einen Referentenentwurf zum Betriebsrätestärkungsgesetz vorgelegt. Geplant ist die Stärkung der Rechtsstellung von Betriebsräten. Unter anderem soll Betriebsräten mehr Mitbestimmungsrechte an der Ausgestaltung von Homeoffice zustehen. Der Entwurf sieht die Ergänzung von § 87 Abs. 1 BetrVG um eine zusätzliche Ziffer 14 zur „Ausgestaltung von mobiler Arbeit“ vor. Ob dies aber tatsächlich eingeführt wird, ist zweifelhaft. Jedenfalls sprechen sich die Unionsparteien derzeit gegen eine solche Erweiterung aus und verlangen die Streichung der Ziffer 14 (siehen Sie hierzu auch den Artikel auf LTO online: Kanzleramt stellt sich gegen mehr Mitbestimmung für Betriebsräte).

 

Thomas Gennert
Dr. Thomas Gennert ist auf die Beratung im Arbeitsrecht spezialisiert. Er berät in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, auf dem Gebiet des Datenschutzrechts und bei compliancebezogenen Fragestellungen sowie im Rahmen unternehmensinterner Untersuchungen. Darüber hinaus vertritt er Mandanten in arbeitsrechtlichen und damit in Zusammenhang stehenden Gerichts- und Schiedsverfahren sowie bei Personalthemen im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen. Er berät Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Unternehmensgremien bei der Verhandlung von Arbeits- und Aufhebungsverträgen, in haftungsrechtlichen Fragestellungen, sowie auf dem Gebiet der Unternehmensmitbestimmung.


Lukas Deutzmann
Der Tätigkeitsschwerpunkt von Lukas Deutzmann liegt im Bereich Arbeitsrecht. Während seines Referendariats sammelte Herr Deutzmann Erfahrungen beim Landesarbeitsgericht Köln sowie beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus war er als Referendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der arbeitsrechtlichen Abteilung einer international tätigen Kanzlei in Köln tätig. Zwischen 2016 und 2018 arbeitete Herr Deutzmann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln bei Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Preis.

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