Weihnachtsgeld trotz Kurzarbeit?

Von und am Dezember 22, 2021

Auswirkungen krisenbedingter Ausfallzeiten auf jährliche Sonderzahlungen

Ende November 2021 hat das BAG entschieden, dass sich bei Kurarbeit „Null“ der Urlaubsanspruch zeitanteilig verringert (9 AZR 234/21). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertige demnach eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.

Es stellt sich die Frage, inwiefern hier Parallelen zu Jahressonderzahlungen, insbesondere Weihnachtsgelder gezogen werden können.

1. KÜRZUNGSMÖGLICHKEITEN BEIM WEIHNACHTGELD

Je nachdem, ob eine Sonderzahlung für erbrachte Arbeitsleistung oder die reine Betriebstreue geleistet wird, kommt eine anteilige Kürzung für Zeiten in Betracht, in denen tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wird. Bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter bedarf es hingegen einer ausdrücklichen Vereinbarung, wenn „unproduktive“ Zeiten anspruchsmindernd berücksichtigt werden sollen. Vereinbaren die Parteien eines Arbeitsvertrags bspw. ein „Weihnachtsgeld” ohne weitere Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig ist, so ist davon auszugehen, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses zu Weihnachten nicht Anspruchsvoraussetzung ist. Es handelt sich dann vielmehr um eine reine Fälligkeitsbestimmung. In der Folge steht das „Weihnachtsgeld“ zumindest auch im Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Arbeitsleistung und -entgelt (Synallagma).

2. PARALLELE: LEISTUNGEN IM AUSTAUSCHVERHÄLTNIS

Das BAG hat bereits in der Vergangenheit festgestellt, dass bei der Vergütung der Arbeitsleistung auch entgeltfortzahlungspflichtige „unproduktive“ Ausfallzeiten zu berücksichtigen sind und hierzu bspw. auch die Urlaubeabgeltung zählt. Sie sind damit Teil des arbeitsvertraglichen Synallagmas (6 AZR 367/17). Untechnisch könnte man formulieren, dass für Urlaubsabgeltung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung „vorgearbeitet“ wird bzw. es sich um eine – neben der bloßen Vergütungspflicht – stehende weitere (gesetzliche) Leistung des Arbeitgebers handelt, die dem Arbeitnehmer für dessen Gegen- bzw. Arbeitsleistung zukommt. Somit steht letztlich auch der einem Abgeltungsanspruch zugrunde liegende Urlaubsanspruch im weitesten Sinne im Gegenseitigkeitsverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung.

3. KONSEQUENZ: KÜRZUNG VON SONDERZAHLUNGEN BEI VEREINBARTER KURZARBEIT

Zumindest für von Unternehmen gewährte Sonderzahlungen, die im Gegenseitigkeitsverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung stehen, erscheint damit eine anteilige Kürzungsmöglichkeit gerechtfertigt zu sein, wenn aufgrund von vereinbarter Kurzarbeit Arbeitsleistungen tatsächlich ausfallen. Nur bei reinen Betriebstreueleistungen scheidet eine anteilige Kürzung von vornherein aus. Bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter ist hingegen anzunehmen, dass für eine entsprechende eine Kürzungsmöglichkeit im Falle von Kurzarbeit vorher vereinbart worden sein musss.

Gerade wenn – wie so häufig – Weihnachtsgelder ohne konkretere Vorgaben (bspw. zeitanteilige Entstehung/Kürzung) vereinbart sind, wird es sich hierbei oft um Sonderzahlungen mit Mischcharakter handeln. Eine Kürzung aufgrund von angefallener Kurzarbeitszeiten kommt daher regelmäßig nicht in Betracht. Vereinbarungen, die keine Einzelheiten zur Anspruchsentstehung enthalten, werden nämlich regelmäßig ebenso wenig eine Kürzungsmöglichkeiten für unproduktive Zeiten bei vereinbarter Kurzarbeit vorsehen.

Thomas Gennert
Dr. Thomas Gennert ist auf die Beratung im Arbeitsrecht spezialisiert. Er berät in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, auf dem Gebiet des Datenschutzrechts und bei compliancebezogenen Fragestellungen sowie im Rahmen unternehmensinterner Untersuchungen. Darüber hinaus vertritt er Mandanten in arbeitsrechtlichen und damit in Zusammenhang stehenden Gerichts- und Schiedsverfahren sowie bei Personalthemen im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen. Er berät Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Unternehmensgremien bei der Verhandlung von Arbeits- und Aufhebungsverträgen, in haftungsrechtlichen Fragestellungen, sowie auf dem Gebiet der Unternehmensmitbestimmung.


Lukas Deutzmann
Der Tätigkeitsschwerpunkt von Lukas Deutzmann liegt im Bereich Arbeitsrecht. Während seines Referendariats sammelte Herr Deutzmann Erfahrungen beim Landesarbeitsgericht Köln sowie beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus war er als Referendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der arbeitsrechtlichen Abteilung einer international tätigen Kanzlei in Köln tätig. Zwischen 2016 und 2018 arbeitete Herr Deutzmann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln bei Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Preis.

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