Das Verbot des Tragens von religiösen Symbolen am Arbeitsplatz, insbesondere eines religiös motivierten Kopftuchs, beschäftigt seit langem sowohl die Gerichte, als auch die Politik. Während der EuGH bisher allgemeine Verbote insbesondere von religiösen Symbolen am Arbeitsplatz zumindest im Bereich des Kundenkontakts aufgrund der unternehmerischen Freiheit für gerechtfertigt ansah, verfolgte die deutsche Rechtsprechung einen wesentlich restriktiveren Ansatz. Danach sei der bloße Wunsch eines neutralen Auftretens nicht ausreichend. Es bedürfe vielmehr des Nachweises konkreter Beeinträchtigungen der Unternehmerfreiheit, z.B. in Form von betrieblichen Störungen oder wirtschaftlichen Einbußen oder im Bereich der Anstellung beim Staat einer konkreten Gefährdung oder Störung durch das religiöse Symbol.

Der EuGH hatte nun im Rahmen zweier Vorabentscheidungsverfahren (C-804/18 und C-341/19), aufgrund der Vorlagen durch das ArbG Hamburg und das BAG, insbesondere darüber zu entscheiden, ob die religionsfreundlichere Rechtsprechung der deutschen Gerichte mit dem Europarecht vereinbar bzw. zu Gunsten der Arbeitnehmer nationale (Grund-)Rechte wie die Religionsfreiheit weiterhin berücksichtigt werden können.

Der EuGH hat – ausweislich der bisher lediglich vorliegenden Pressemitteilung – nun seine Rechtsprechung zur unternehmerischen Neutralitätspolitik weiter geschärft und entschieden, dass die Mitgliedstaaten einen eigenen Wertungsspielraum haben, der einen höheren Schutz vor Benachteiligungen u.a. wegen der Religion ermöglicht. Mithin wird es bei der restriktiven Rechtsprechung der deutschen Gerichte bleiben. Gerade pauschale Kopftuchverbote dürften damit auch künftig unzulässig sein.

Bisherige Grundsätze des EuGH zum Verbot u.a. von religiösen Symbolen
Bisher hat der EuGH eine eher unternehmerfreundliche Rechtsprechung verfolgt. Hinsichtlich der Auslegung des Richtlinie 2000/78, die dem deutschen AGG zugrunde liegt, hat er entschieden, dass ein unternehmensinternes Verbot, politische, philosophische und religiöse Zeichen am Arbeitsplatz zu tragen, keine unmittelbare Diskriminierung darstelle, da diese Vorgaben zum neutralen Erscheinungsbild unterschiedslos für alle Arbeitnehmer gelten (EuGH, Urt v. 14.3.2017 – C 157/15). Zwar könnten durch solche Neutralitätsregelungen Arbeitnehmer mit bestimmter Religionszugehörigkeit in besonderer Weise benachteiligt werden, sodass eine mittelbare Diskriminierung denkbar sei. Diese scheide jedoch aus, wenn die interne Neutralitätsregelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Neutralitätsregelungen auch angemessen und erforderlich seien. Als rechtmäßiges Ziel sei der bloße – durch die unternehmerische Freiheit – gedeckte Wunsch des Arbeitgebers ausreichend, dem Kunden gegenüber den Eindruck der Neutralität zu vermitteln. Diese Politik müsse tatsächlich ausnahmslos in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden. Hinsichtlich der Erforderlichkeit stellt der EuGH dann allein darauf ab, dass das Tragen religiöser Symbole nur soweit verboten werden könne, wie dies zur Verfolgung des Ziels – dem neutralen Kundenauftritt – notwendig ist. Deshalb müsse sich das Verbot auf Arbeitnehmer beschränken, die Kundenkontakt haben.

Bisherige Rechtsprechung in Deutschland
Angesichts der der herausragenden Bedeutung der Religionsfreiheit, legten die deutschen Gerichte im Vergleich zum EuGH einen deutlich strengeren Maßstab bei der Prüfung von Neutralitätsregelungen an, die sich auch auf religiöse Symbole bezogen. Für den Bereich des Staatsdienstes entschieden sowohl das BAG als auch das BVerfG zuletzt, dass nur bei Vorliegen „konkreter Störungen“ ein Verbot religiöser Symbole möglich sei (BAG, Urt. v. 27.8.2020 – 8 AZR 62/19; BVerfG, Beschl. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10). Eine bloße abstrakte Gefährdung gewünschter Neutralität oder des Schulfriedens genüge nicht. Für den Bereich der [...]

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