Weisungsrecht
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Kamera an bei der Videokonferenz

1. HOMEOFFICE UND INFEKTIONSSCHUTZGESETZ

Seit dem 24. November 2021 gilt das geänderte Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zunächst befristet bis zum 19. März 2022 gilt nunmehr gem. § 26b Abs. 4 IfSG auch wieder die Pflicht für Arbeitgeber:innen, ihren Arbeitnehmer:innen im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten, die Arbeit auf dem Homeoffice anzubieten. Eine Ausnahme gilt demnach nur bei dringenden betrieblichen Gründen, die einer Tätigkeit aus dem Homeoffice entgegenstehen.

Arbeitnehmer:innen ihrerseits haben ihre Arbeit aus dem Homeoffice zu erbringen, sofern keine Gründe entgegenstehen (siehe hierzu auch folgenden Beitrag).

Die betriebsinterne Kommunikation aber auch die mit betriebsfremden Dritten wird hierdurch erneut weitgehend auf Telefon- und insbesondere auch Videokonferenzen verlagert. Doch inwiefern können Arbeitnehmer:innen – sowohl für Kundentermine als auch betriebsinterne Besprechungen – zu einer aktiven Teilnahme an Videokonferenzen, insbesondere durch Einschalten der Webcam verpflichtet werden?

2. VERTRAGLICHE REGELUNG ODER ARBEITGEBERSEITIGES WEISUNGSRECHT

Da abseits der geänderten Gesetzeslage grundsätzlich kein Anspruch auf eine Tätigkeit aus dem Homeoffice besteht, dies aber evtl. bereits seit längerer Zeit – auch schon vor der Corona-Pandemie – in Unternehmen gelebt wird, bestehen hier ggf. bereits Vereinbarungen (individualvertragliche oder kollektive, etwa Betriebsvereinbarungen). In diesen können (und sollten) hierbei auch Regelungen enthalten sein, inwiefern Arbeitnehmer:innen durch Einschalten ihrer Webcam aktiv an Videokonferenzen teilzunehmen haben. Allgemein ist dringend zu empfehlen, die Tätigkeit aus dem Homeoffice vertraglich zu regeln und – falls gewünscht – bspw. auch deren befristete Möglichkeit ausdrücklich festzuschreiben.

Sollte die Homeoffice-Tätigkeit nur aufgrund der derzeit geltenden gesetzlichen Verpflichtung erfolgen und eine ausdrückliche Vereinbarung fehlen, können Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen zur Enischaltung ihrer Webcam und der aktiven Teilnahme an Videokonferenzen kraft ihres Weisungsrechtes gem. § 106 S. 1 GewO verpflichten. Da das Arbeitsverhältnis von seiner rechtlichen Ausgestaltung die persönliche Leistungserbringung vorsieht, müssen Arbeitgeber:innen auch die „persönliche“ Teilnahme an Videokonferenzen verlangen können. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn für Arbeitnehmer:innen (wie bei allen gewöhnlich genutzten Programmen) die technische Möglichkeit besteht, durch virtuelle Hintergründe oder eine Schärfenreduzierung den Einblick in das private, häusliche Umfeld auf ein Minimum zu reduzieren. Auf diese Weise ist der Eingriff in das Grundrecht der Arbeitnehmer:innen aus Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) als derart gering anzusehen, dass für ein Verweigerungsrecht die Grundlage fehlt. Wenn das persönliche Umfeld der Arbeitnehmer:innen durch technische Vorkehrungen weitestgehend ausblendet werden kann, darf nichts anderes gelten als am eigentlichen betrieblichen Arbeitsplatz: Dort könnten sich Arbeitnehmer:innen einer persönlichen Teilnahme an Gesprächen ebenfalls nicht verweigern und sich auch nicht vor dem Arbeitgeber und Kollegen „verstecken“. Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung des Erforderlichkeitsgrundsatzes aus § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG.

Auch wenn das IfSG nicht die Möglichkeit vorsieht, Arbeitnehmern die Tätigkeit aus dem Homeoffice wegen eines bestimmten Verhaltens – bspw. wiederholter Weigerung einer aktiven Teilnahme an Videokonferenzen – zu versagen, würde eine dennoch erklärte Verweigerung eine abmahnungsfähige Pflichtverletzung darstellen, die im Wiederholungsfall auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen kann.

3. AUFZEICHNUNGEN

Teilweise werden Arbeitnehmer:innen das Einschalten der Videokamera mit der Begründung verweigern wollen, dass von Ihnen keine Aufzeichnungen angefertigt werden sollen. Dieses Argument kann jedoch nicht überzeugen, wenn es allein um die Frage geht, [...]

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EuGH bestätigt hohe Hürden für Verbot religiöser Symbole am Arbeitsplatz

Das Verbot des Tragens von religiösen Symbolen am Arbeitsplatz, insbesondere eines religiös motivierten Kopftuchs, beschäftigt seit langem sowohl die Gerichte, als auch die Politik. Während der EuGH bisher allgemeine Verbote insbesondere von religiösen Symbolen am Arbeitsplatz zumindest im Bereich des Kundenkontakts aufgrund der unternehmerischen Freiheit für gerechtfertigt ansah, verfolgte die deutsche Rechtsprechung einen wesentlich restriktiveren Ansatz. Danach sei der bloße Wunsch eines neutralen Auftretens nicht ausreichend. Es bedürfe vielmehr des Nachweises konkreter Beeinträchtigungen der Unternehmerfreiheit, z.B. in Form von betrieblichen Störungen oder wirtschaftlichen Einbußen oder im Bereich der Anstellung beim Staat einer konkreten Gefährdung oder Störung durch das religiöse Symbol.

Der EuGH hatte nun im Rahmen zweier Vorabentscheidungsverfahren (C-804/18 und C-341/19), aufgrund der Vorlagen durch das ArbG Hamburg und das BAG, insbesondere darüber zu entscheiden, ob die religionsfreundlichere Rechtsprechung der deutschen Gerichte mit dem Europarecht vereinbar bzw. zu Gunsten der Arbeitnehmer nationale (Grund-)Rechte wie die Religionsfreiheit weiterhin berücksichtigt werden können.

Der EuGH hat – ausweislich der bisher lediglich vorliegenden Pressemitteilung – nun seine Rechtsprechung zur unternehmerischen Neutralitätspolitik weiter geschärft und entschieden, dass die Mitgliedstaaten einen eigenen Wertungsspielraum haben, der einen höheren Schutz vor Benachteiligungen u.a. wegen der Religion ermöglicht. Mithin wird es bei der restriktiven Rechtsprechung der deutschen Gerichte bleiben. Gerade pauschale Kopftuchverbote dürften damit auch künftig unzulässig sein.

Bisherige Grundsätze des EuGH zum Verbot u.a. von religiösen Symbolen
Bisher hat der EuGH eine eher unternehmerfreundliche Rechtsprechung verfolgt. Hinsichtlich der Auslegung des Richtlinie 2000/78, die dem deutschen AGG zugrunde liegt, hat er entschieden, dass ein unternehmensinternes Verbot, politische, philosophische und religiöse Zeichen am Arbeitsplatz zu tragen, keine unmittelbare Diskriminierung darstelle, da diese Vorgaben zum neutralen Erscheinungsbild unterschiedslos für alle Arbeitnehmer gelten (EuGH, Urt v. 14.3.2017 – C 157/15). Zwar könnten durch solche Neutralitätsregelungen Arbeitnehmer mit bestimmter Religionszugehörigkeit in besonderer Weise benachteiligt werden, sodass eine mittelbare Diskriminierung denkbar sei. Diese scheide jedoch aus, wenn die interne Neutralitätsregelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Neutralitätsregelungen auch angemessen und erforderlich seien. Als rechtmäßiges Ziel sei der bloße – durch die unternehmerische Freiheit – gedeckte Wunsch des Arbeitgebers ausreichend, dem Kunden gegenüber den Eindruck der Neutralität zu vermitteln. Diese Politik müsse tatsächlich ausnahmslos in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden. Hinsichtlich der Erforderlichkeit stellt der EuGH dann allein darauf ab, dass das Tragen religiöser Symbole nur soweit verboten werden könne, wie dies zur Verfolgung des Ziels – dem neutralen Kundenauftritt – notwendig ist. Deshalb müsse sich das Verbot auf Arbeitnehmer beschränken, die Kundenkontakt haben.

Bisherige Rechtsprechung in Deutschland
Angesichts der der herausragenden Bedeutung der Religionsfreiheit, legten die deutschen Gerichte im Vergleich zum EuGH einen deutlich strengeren Maßstab bei der Prüfung von Neutralitätsregelungen an, die sich auch auf religiöse Symbole bezogen. Für den Bereich des Staatsdienstes entschieden sowohl das BAG als auch das BVerfG zuletzt, dass nur bei Vorliegen „konkreter Störungen“ ein Verbot religiöser Symbole möglich sei (BAG, Urt. v. 27.8.2020 – 8 AZR 62/19; BVerfG, Beschl. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10). Eine bloße abstrakte Gefährdung gewünschter Neutralität oder des Schulfriedens genüge nicht. Für den Bereich der [...]

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