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Verjährung von Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung

Bundesarbeitsgericht (BAG) konkretisiert Rechtsprechung!

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.
Nachdem das BAG am 20. Dezember 2022 (9 AZR 266/20) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH entschieden hatte, dass die Verjährung von Urlaubansprüchen davon abhängt, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zuvor in die Lage versetzt haben, diesen auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen, hatte das BAG nun darüber zu entscheiden ob und inwiefern entsprechende Grundsätze auf Urlaubsabgeltungsansprüche zu übertragen sind.

1. VERJÄHRUNGSBEGINN ERST MIT ZUMUTBARER KLAGEERHEBUNG

In der ersten Entscheidung (PM zu BAG, Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20) ging es um einen Kläger, der seit 2010 als Ausbildungsleiter in einer Flugschule arbeitete. Dem Arbeitnehmer stand jährlicher Erholungsurlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen zu, der ihm allerdings nicht gewährt wurde. Im Oktober 2015 verständigten sich die Arbeitsvertragsparteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig sein sollte, und beendeten das Arbeitsverhältnis. Mit Klage aus August 2019 verlangte der Kläger sodann Urlaubsabgeltung für die Jahre 2010 bis 2015.

Das LAG Niedersachsen wies die Berufung des Klägers noch zurück. Das BAG hingegen gab der Klage teilweise statt, und zwar für die Jahre 2010 bis 2014; Urlaubsabgeltung für 2015 lehnte der Senat ab. Inhaltlich nahm das BAG zunächst Bezug auf seine Entscheidung vom 20. Dezember 2022, nach der Urlaubsansprüche zwar verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über ihren konkreten Urlaubsanspruch informieren und sie in Hinblick auf Verfallfristen auffordern, den Urlaub tatsächlich zu nehmen (sog. Mitwirkungsobliegenheit). Sofern Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht entsprechen, komme weder ein Verfall noch eine Verjährung des Urlaubs in Betracht.

Diese Grundsätze seien – so das BAG – nicht auf den Urlaubsabgeltungsanspruch übertragbar. Vielmehr ändere sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Urlaubsabgeltungsansprüche aufgrund Beendigung des Arbeitsverhältnisses können daher ungeachtet der Einhaltung der Mitwirkungsobliegenheit der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber während des laufenden Arbeitsverhältnisses verjähren. Beginn dieser Verjährungsfrist sei grundsätzlich das Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis ende, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit durch Arbeitgeber:innen ankomme.

Hinsichtlich der Verjährung sei jedoch eine Ausnahme zu machen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung betroffenen Arbeitnehmer:innen nicht zumutbar gewesen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der EuGH erst im Jahre 2018 die obige Mitwirkungsobliegenheit von Arbeitgeber:innen begründet habe und einem automatischen Verfall von Urlaub verneint habe. Arbeitnehmer:innen hätten bis zu dieser Entscheidung davon ausgehen müssen, dass ihre Urlaubsansprüche mit Ende des Jahres oder ggf. eines Übertragungszeitraumes verfallen seien, auch eine Urlaubsabgeltung mithin nicht in Betracht komme. Erst nach Bekanntgabe der Entscheidung des EuGH im November 2018 mussten ausscheidende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer daher tätig werden, um eine Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann daher auch ohne ordnungsgemäße Unterrichtung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über den drohenden Urlaubsverfall nach Ende des Arbeitsverhältnisses verjähren. Die dreijährige [...]

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EuGH vereinheitlicht Verfall und Verjährung im Urlaubsrecht

Urlaubsansprüche verjähren erst dann, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten auf den Urlaubsanspruch hingewiesen und zur Urlaubsnahme aufgefordert hat – so der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom gestrigen Tag (EuGH, Urt. v. 22. September 2022, Az. C-120/21). Damit liegt es in der Hand des Arbeitgebers die Verjährungsfrist von drei Jahren in Gang zu setzen und die Geltendmachung von erhöhten Urlaubsabgeltungsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Wir beleuchten die Folgen des Urteils für die Praxis:

SACHVERHALT

Die Klägerin, vormals Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin in einer Kanzlei, klagte gegen ihren damaligen Arbeitgeber auf Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus 2017 und den Vorjahren. Die Klägerin hatte wegen hohen Arbeitsaufwands den ihr zustehenden Urlaub nicht vollständig in Anspruch nehmen können. Der Beklagte hatte die Klägerin weder aufgefordert Urlaub zu nehmen noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen könne. Gegen die Klage verteidigte der Beklagte sich unter anderem mit dem Einwand der Verjährung. Nachdem das Arbeitsgericht Solingen die Klage in erster Instanz hinsichtlich der nach nationalem Recht verjährten Urlaubsansprüche abgelehnt hatte, gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klägerin unter Beachtung unionsrechtlicher Vorgaben vollumfänglich Recht, weil der Beklagte die Klägerin nicht durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt habe, den Urlaub zu nehmen. Das BAG legte dem EuGH auf die Revision des Arbeitgebers hin die Frage vor (BAG, EuGH-Vorlage vom 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A)), ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist gestattet, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.

DIE ENTSCHEIDUNG

Nach dem Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts des EuGHs ist die gestrige Entscheidung des EuGHs keine Überraschung, sondern vielmehr Konsequenz der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten der Arbeitgeber im Urlaubsrecht. Das BAG hatte 2019 nach Entscheidung des EuGHs im Vorabentscheidungsverfahren festgestellt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 BUrlG) erlischt, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Beschäftigte den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Dies resultiere daraus, dass der Arbeitgeber bei unionskonformer Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs habe. Seither wurde die Frage des (Zeitpunktes des) Erlöschens von Urlaubsansprüchen rege diskutiert.

Der EuGH stellte in seinem gestrigen Urteil fest, dass es zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führen würde und dem unionsrechtlich verfolgten Zweck des Gesundheitsschutzes des Beschäftigten zuwiderliefe, wenn sich der Arbeitgeber auf die Verjährung der Ansprüche des Beschäftigten berufen könne, ohne ihn tatsächlich in die Lage versetzt zu haben, diese Ansprüche wahrzunehmen. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch Verjährung von Ansprüchen ist nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber sich aufgrund seines eigenen Versäumnisses hinsichtlich der Aufforderungs- und Hinweispflicht solchen Ansprüchen gegenübergestellt sieht. Die Folge ist, dass Urlaubsansprüche nicht verfallen oder verjähren und damit jederzeit, spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form eines Urlaubsabgeltungsanspruchs, geltend gemacht werden können, wenn der [...]

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