Entwurf für eine neue CoronaArbSchVO ab dem 1. Juli 2021

Von und am Juni 18, 2021

1. AUSLAUFEN DER AKTUELL GÜLTIGEN SARS-COV2-ARBEITSSCHUTZVERORDNUNG UND BESTIMMUNGEN DES IFSG
Die derzeit geltende SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung („VO“) läuft zum 30. Juni 2021 aus. Die VO sieht derzeit insbesondere bei einer gleichzeitigen Nutzung von Räumen durch mehrere Personen eine grundsätzlich geltende Mindestfläche von 10m² für jede im Raum befindliche Person vor. Auch soll in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern ein zeitversetztes Arbeiten ermöglicht werden. Darüber hinaus legt die VO Voraussetzungen fest, bei deren Vorliegen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Mund-Nasen-Schutz zur Verfügung zu stellen haben (Unterschreitung von 10m² pro Mitarbeiter oder des Mindestabstands von 1,5m; Tätigkeit mit erhöhtem Aerosolausstoß), die von den Mitarbeitern zudem getragen werden müssen. Für Mitarbeiter, die nicht ausschließlich im Homeoffice tätig werden, müssen Arbeitgeber zudem zweimal pro Woche Testungen in Bezug auf das COVID-19 Virus anbieten.

Gleichzeitig endet zum 30. Juni 2021 gem. § 28b Abs. 7, 10 IfSG auch die für Arbeitgeber geltende gesetzliche Verpflichtung, ihren Mitarbeitern die Tätigkeit aus dem Homeoffice anzubieten, sofern keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.

2. ENTWURF DER NEUEN SARS-COV2-ARBEITSSCHUTZVERORDNUNG
Der nun vorliegende Entwurf für eine neue VO ab dem 1. Juli 2021 („VO-Neu“) sieht aufgrund der sich entspannenden Infektionslage angepasste Regelungen vor. Künftig sollen demnach nur noch grundlegende Vorgaben wie die Kontaktreduzierung, die Testangebotspflicht sowie die Verpflichtung zur Erstellung und Aktualisierung betrieblicher Hygienekonzepte in der VO-Neu verbleiben. Der Verweis auf die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (Arbeitsschutzregel) und die Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger wird gleichzeitig beibehalten.

Zwar übernimmt der Entwurf auch Punkte aus der bisher geltenden VO (Kontaktreduzierungen, Zugänglichmachen des Hygienekonzepts für die Mitarbeiter, Aufbewahrungspflicht für Testnachweise). Als grundlegende Änderungen sind jedoch folgende Punkte zu benennen:

  • Pflicht zur Bereitstellung von Mund-Nasen-Schutz nur noch für den Fall, dass die vom Arbeitgeber durchzuführende Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass ein Schutz der Mitarbeiter durch technisch und organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ausreichend und das Tragen von Schutzmasken erforderlich ist.
  • Die Pflicht, zweimal pro Woche kostenlose Tests anzubieten, soll nicht mehr erforderlich sein, soweit andere geeignete Schutzmaßnahmen einen gleichwertigen Schutz der Mitarbeiter sicherstellen oder ein entsprechender Schutz anderweitig nachgewiesen werden kann.
  • Die Aufbewahrungspflicht für die Nachweise über die Beschaffung von Tests bzw. Vereinbarungen mit Dritten über Testungen der Mitarbeiter soll bis zum 10. September 2021 verlängert werden.

Eine Verlängerung der zuletzt gesetzlichen Pflicht für Arbeitgeber, ihren Mitarbeitern die Tätigkeit aus dem Homeoffice anzubieten, ist nicht geplant. Auch die VO-Neu sieht eine solche Pflicht nicht vor.

3. BEDEUTUNG DER IM ENTWURF ENTHALTENEN ÄNDERUNGEN
Der Entwurf ermöglicht Arbeitgebern für die Gestaltung des betrieblichen Alltags in Abhängigkeit der Pandemielage insgesamt größere Freiheiten als bisher.

So sollen laut Begründung der VO-Neu Mitarbeiter, bei denen ein Nachweis der vollständigen Impfung oder Genesung von einer COVID-19-Erkrankung vorliegt, vom Testangebot des Arbeitgebers ausgenommen werden können. Zwar soll die Gefährdungsbeurteilung dabei festlegen, ob ein Testangebot dennoch sinnvoll sein kann, um das Risiko der Einschleppung von COVID-19 in den Betrieb weiter zu vermindern. Grundsätzlich ist damit aber der Grundstein für eine Berücksichtigung des Impf- und Genesungsstatus im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und des darauf beruhenden Hygienekonzeptes gelegt.

Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass Mund-Nasen-Schutz nur noch zur Verfügung zu stellen ist, sofern die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass ein Schutz der Beschäftigten durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ausreichend und das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes erforderlich ist. Sollte die Belegschaft vollständig „durchgeimpft“ und/oder genesen sein, könnte die Gefährdungsbeurteilung daher z.B. auch zu dem Ergebnis gelangen, dass künftig weder Tests noch Mund-Nasen-Schutz im Betrieb erforderlich sind. Allerdings muss immer auch möglicher Kundenkontakt oder Kontakt mit anderen, außenstehenden Personen berücksichtigt werden.

Die Begründung stellt zudem klar, dass die VO-Neu kein neues arbeitsschutzrechtliches Auskunftsrecht des Arbeitgebers bzgl. des Impf- bzw. Genesenenstatus der Mitarbeiter vorsieht. Stattdessen sollen die bestehenden arbeits-, datenschutz- und infektionsschutzrechtlichen Vorgaben maßgebend bleiben (bspw. § 23a IfSG). Das IfSG sieht ein Auskunftsrecht insofern bisher nur für bestimmte Arbeitsverhältnisse im Rahmen von medizinischen Tätigkeitsfeldern vor (§ 23 Abs. 3 IfSG). Hygienekonzepte könnten daher in der praktischen Umsetzung daran scheitern, dass Arbeitgebern nicht genügend Informationen über ihre Mitarbeiter vorliegen. Es ist unklar, ob der Arbeitgeber vor dem Hintergrund eines solchen Hygienekonzepts nicht doch einen Auskunftsanspruch gegenüber seinen Mitarbeitern bzgl. des Impfstatus haben kann.

Der enthaltene Verweis der VO-Neu auf die Arbeitsschutzregel führt im Ergebnis dazu, dass Arbeitgeber im Rahmen ihres Hygienekonzepts auch weiterhin die dort enthaltenen Konkretisierungen (bspw. zu Sanitäts-, Pausenräumen, Kantinen, Lüftungen und Mindestabständen) zu berücksichtigen haben, um sicher sein zu können, die Anforderungen aus den Arbeitsschutzverordnungen zu erfüllen.

4. FAZIT
Der aktuelle Entwurf der VO-Neu ab dem 1. Juli 2021 lässt Arbeitgebern wieder erheblich größere Freiheiten bei der Erarbeitung von Hygienekonzepten und der Gestaltung ihrer betrieblichen Abläufe. Je nach Einzelfall können Beschränkungen theoretisch sogar weitgehend entfallen. Andererseits können Gefährdungsbeurteilungen auch weiterhin zu dem Ergebnis gelangen, dass bestehende Beschränkungen fortgelten müssen und ggf. auch die Tätigkeit aus dem Homeoffice Bestandteil des betrieblichen Hygienekonzepts/Alltags bleibt. Eine Pflicht Letzteres anzubieten, soll jedoch ausdrücklich nicht mehr bestehen.

Thomas Gennert
Dr. Thomas Gennert ist auf die Beratung im Arbeitsrecht spezialisiert. Er berät in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, auf dem Gebiet des Datenschutzrechts und bei compliancebezogenen Fragestellungen sowie im Rahmen unternehmensinterner Untersuchungen. Darüber hinaus vertritt er Mandanten in arbeitsrechtlichen und damit in Zusammenhang stehenden Gerichts- und Schiedsverfahren sowie bei Personalthemen im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen. Er berät Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Unternehmensgremien bei der Verhandlung von Arbeits- und Aufhebungsverträgen, in haftungsrechtlichen Fragestellungen, sowie auf dem Gebiet der Unternehmensmitbestimmung.


Lukas Deutzmann
Der Tätigkeitsschwerpunkt von Lukas Deutzmann liegt im Bereich Arbeitsrecht. Während seines Referendariats sammelte Herr Deutzmann Erfahrungen beim Landesarbeitsgericht Köln sowie beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus war er als Referendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der arbeitsrechtlichen Abteilung einer international tätigen Kanzlei in Köln tätig. Zwischen 2016 und 2018 arbeitete Herr Deutzmann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln bei Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Preis.

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