Die gesetzlichen Bestimmungen zur Kurzarbeit im SGB III sind – diplomatisch ausgedrückt – nicht zwingend anwenderfreundlich, sondern eher fehleranfällig. Als es 2020 praktisch von jetzt auf gleich zu einem bundesweiten Stillstand großer Teile der Wirtschaft kam, sahen sich viele Unternehmen erstmals und plötzlich mit Kurzarbeit konfrontiert. Erfahrungen mit den Voraussetzungen und Anträgen bestanden nicht zwingend. An sich besteht ein Beratungsanspruch gegenüber der Agentur für Arbeit, die bei den Anträgen helfen soll. Aber die war überlastet und hat Anträge mehr oder weniger durchgewunken – alles musste schnell gehen. Die Mischung aus Fehlern bei Anträgen auf Unternehmensseite und fehlender Kontrolle durch die Arbeitsagentur ist explosiv und führt zu Korrekturbedarf. Für die Agenturen ist die Korrektur und Rückforderung von zu Unrecht gewährten Leistungen meist einfach, weil nur vorläufige Bescheide ergingen. Etwas komplizierter ist die Rückforderung bei den Arbeitnehmern, wenn fälschlicherweise zuviel Kurzarbeitergeld gezahlt wurde, wobei die Chancen auch hier gut sind. Was dies für die Unternehmen bedeutet erläutern wir im Folgenden:
Wie wird Kurzarbeit beantragt und ausgezahlt?
Kurzarbeitergeld (KUG) wird nicht direkt von der Bundesagentur an die Mitarbeiter gezahlt, das Unternehmen übernimmt die Rolle des Treuhänders, der das Kurzarbeitergeld in der Regel als Vorschuss an die Mitarbeiter zahlt und sich auf Antrag von der Bundesagentur erstatten lässt. Das Antragsverfahren ist dabei zweistufig. Zunächst zeigt das Unternehmen den Arbeitsanfall an (§ 99 Abs. 2 SGB III) und nach Bewilligung durch die Agentur für Arbeit musst das Unternehmen monatliche Anträge auf Auszahlung stelle. In diesem Moment haben die Mitarbeiter das vom Unternehmen nach § 106 SGB III berechnete KUG bereits erhalten, rechtlich also als Vorschuss, der mit der Erstattung der Agentur für Arbeit verrechnet wird.
Die Berechnung des Kurzarbeitergeldes erfolgt durch das Unternehmen. Hält die Berechnung einer Plausibilitätskontrolle stand, erfolgt die Zahlung in der Regel innerhalb von 15 Tagen im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung, § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. In der Regel sollten die Bescheide innerhalb von 7 Monaten nach der KUG Auszahlung abschließend geprüft werden. Das Verfahren endet mit der Entscheidung der Agentur für Arbeit, ob die vorläufigen Entscheidungen bestehen bleiben oder abgeändert werden.
Wenn das Unternehmen das KUG richtig errechnet hat, ergeben sich dabei meist nur Korrekturen, weil die Anzahl der Kurzarbeitstage korrigiert wird. Die Agentur für Arbeit korrigiert das dann meist durch Verrechnung mit der nächsten Erstattung.
Rückforderungsmöglichkeiten der Agentur für Arbeit bei Überzahlungen
Das Problem entsteht, wenn die Berechnung des vorgeschossenen KUG nicht stimmt und zuviel KUG an die Mitarbeiter gezahlt wurde. Die Bundesagentur Agentur für Arbeit kann das Kurzarbeitergeld in Fällen von Überzahlungen vom Arbeitgeber zurückverlangen und zwar in der Regel nach § 328 Abs. 3 SGB III, weil der Bewilligungsbescheid nur vorläufig ergangen ist (Wenn dagegen ein endgültiger Bescheid ergangen ist, erfolgt dir Korrektur nach §§ 108 Abs. 3 SGB III und § 321 Nr. 3 iVm § 320 Abs. 1 SGB III).
Müssen die Arbeitnehmer dann das zu viel erhaltene Kurzarbeitergeld an den Arbeitgeber zurückzahlen?
Bei vorläufigen Bescheiden könnte sich der Arbeitgeber auf den Standpunkt stellen, dass Kurzarbeitergelder Vorschusszahlungen sind und damit nur soweit beim Mitarbeiter verbleiben, wie die Bundesagentur das Kurzarbeitergeld endgültig an den Arbeitgeber auskehrt. Kommt es zu einer Korrektur des Bewilligungsbescheides muss der Mitarbeiter zu viel erhaltenes Kurzarbeitergeld zurückzahlen und der Arbeitgeber darf in den Grenzen der Pfändungsfreibeträge (§§ 850c ff.) mit Ansprüchen des Arbeitnehmers aufrechnen. Diesem Verständnis liegt zugrunde, dass das KUG nur als Vorschuss auf das (endgültig von der Bundesagentur bewilligte) KUG gezahlt wird. Da in Höhe der Überzahlung kein endgültiger Anspruch des Mitarbeiters besteht, ergibt sich der Rückzahlungsanspruch aus dem Vorschusscharakter der Auszahlung. Bei vergleichbaren Leistungen der Arbeitsförderung wurde dies durch Entscheidungen der Instantgerichte so bestätigt (LAG Hessen, Urteil vom 27.6.2000 – 9 Sa 487/00). Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch für das KUG gilt.
Bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen oder Regelungen mit dem Arbeitnehmer über die Einführung von Kurzarbeit sollte der Vorschusscharakter und die Rückzahlungsverpflichtung bei korrigierten endgültigen Bescheiden der Bundesagentur klargestellt werden.
Für die Mitarbeiter ist die Rückzahlung natürlich unerfreulich und ggf. für das Unternehmen daher unpopulär. Die Versuchung liegt nahe, darauf seitens des Unternehmen zu verzichten. Das ist natürlich möglich, heißt aber nicht, dass die Überzahlung dem Mitarbeiter dann netto bleibt. Die Entscheidung, die Überzahlung nicht zurückzufordern, begründet beim Mitarbeiter einen lohnsteuerlichen Vorteil. Die Rechtslage ist hier noch nicht endgültig geklärt. Es liegt aber nahe, dass es zu einem nachholenden Lohnsteuerabzug kommt. Dabei können nach LStR 41c.1 Abs. (4) S.3 auch die Pfändungsfreigrenzen unterschritten werden. Soweit der gesamte nächste Barlohn die nachträgliche einzubehaltende Lohnsteuer nicht deckt, muss das Unternehmen eine entsprechende Anzeige beim Finanzamt tätigen (§ 41c Abs. 4 EStG); insb. in Fällen, in denen wg. beendetem Arbeitsverhältnis ein nachträglicher Einbehalt ohnehin ausscheidet. Das Finanzamt fordert den (Differenz-)Betrag dann beim Mitarbeiter ein. Hinzu kommt die nachträgliche Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge, soweit die Leistung der Sozialversicherung unterliegt.
Was gilt bei tariflichen Ausschlussfristen?
Nach der o.g. Entscheidung des LAG Hessen würden auch (tarifliche) Ausschlussfristen der Geltendmachung nicht im Wege stehen, da diese Fristen erst mit Fälligkeit der Forderungen begännen. Fälligkeit trete jedoch erst mit der Endgültigkeit des Bescheides zum Kurzarbeitergeld ein.