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Krankenstand so hoch wie nie: Was können Arbeitgeber tun?

Die Statistiken sind eindeutig: Im Jahr 2023 fehlten Arbeitnehmer in Deutschland krankheitsbedingt durchschnittlich 15,2 Tage. Damit hat der Krankenstand in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht. Oft bestehen Bedenken, ob die Arbeitnehmer wirklich arbeitsunfähig sind und selbst wenn nicht, können die Einschränkungen im Betriebsablauf in Extremfällen nur schwer getragen werden. Allerdings sehen sich Arbeitgeber häufig machtlos, wenn sich Arbeitnehmer rechtzeitig ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bescheinigen lassen. Was sie trotzdem tun können, beleuchtet dieser Beitrag:

Häufige Kurzerkrankungen

In der Praxis erleben wir immer häufiger Fälle, in denen Mitarbeiter viele eher kürzere Neuerkrankungen haben und so immer wieder neue Entgeltfortzahlungszeiträume auslösen. Das kann neben der finanziellen Belastung auch zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf führen. Der Arbeitgeber ist mit Entgeltfortzahlungszeiträumen belastet, die deutlich über die vom Gesetzgeber an sich als Obergrenze vorgesehene Belastungsgrenze von sechs Wochen hinausgehen. Da allerdings Kurzausfälle meist eher auf leichteren Erkrankungen (Erkältungen, Magen-Darm Probleme, Kopfschmerzen etc.) beruhen, die jeweils vollständig auskuriert sind, ist die für eine Kündigung erforderliche negative Gesundheitsprognose nicht ohne Weiteres zu begründen. Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 3. 11. 2005 – 3 Sa 320/05, NZA-RR 2006) hat jedoch in einer älteren, aber aus unserer Sicht zu wenig beachteten Entscheidung festgestellt, dass auch Krankheiten, die

auf Grund einer persönlichen konstitutionellen Schwäche derart gehäuft aufgetreten sind, mithin angesichts unveränderter Lebensumstände auch künftig in ähnlichem Umfang auftreten werden

geeignet sein können, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Hierfür ist jedoch in aller Regel ein Referenzzeitraum von zwei Jahren notwendig. So hat das LAG Düsseldorf (Urteil vom 17.5.2022 – 14 Sa 825/21) entschieden, dass eine krankheitsbedingte Kündigung mit 36 Fehltagen im ersten und 82 Fehltagen im zweiten Jahr, rechtswirksam war.

Als Orientierungshilfe wird man jedenfalls sagen müssen, dass Krankheitstage in Höhe von weniger als 6 Wochen im Normalfall nicht ausreichen, um eine Kündigung zu tragen, denn für diesen Zeitraum müssen Arbeitgeber ohnehin Entgeltfortzahlung leisten. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn in diesem Zeitraum bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer für einen langen Zeitraum nicht arbeiten können wird. Bei einer solchen Dauererkrankung sind in Einzelfällen vier Monate als für eine Kündigung ausreichend lang angesehen worden. Hier kommt es jedoch immer auf den konkreten Fall an, allgemeine Aussagen lassen sich nicht treffen.

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit – Einstellung der Entgeltfortzahlung?

Wenn Arbeitgeber den begründeten Verdacht haben, dass der Arbeitnehmer seine Krankheit nur vortäuscht, allerdings keine stichhaltigen Beweise vorliegen, liegt eine Handlungsmöglichkeit darin, die Entgeltfortzahlung einzustellen. Dem Arbeitnehmer bleibt dann nur der Weg zum Gericht. In einem Prozess wird der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit konkreten Zweifeln am Vorliegen einer Erkrankung erschüttern müssen. Das kann der Fall sein, wenn die Erkrankung passgenau die verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt oder aber auch dann, wenn der Sechs-Wochen-Zeitraum der Entgeltfortzahlung abgelaufen ist und sich passgenau eine Neuerkrankungen anschließt. In diesen Fällen bringt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitnehmer nur wenig. Er muss zusätzlich darlegen und ggf. beweisen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sich in welcher Weise auf seine Arbeitsfähigkeit ausgewirkt haben. Außerdem muss er die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden. Nur wenn das Gericht dann, möglicherweise nach Zeugenbefragung der Ärzte, von [...]

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Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen

Telefonische Krankschreibung und Videosprechstunde

Durch Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses gilt seit dem 4. August 2022 erneut, dass sich Arbeitnehmer:innen bis zu sieben Tage telefonisch krankschreiben lassen können. Die Regelung gilt befristete bis zu 30. November 2022 und nur bei Atemwegserkrankungen. Doch welche Bedeutung kommt einer Krankschreibung zu? Welches Verfahren ist zu beachten? Was gilt sonst bei Krankschreibungen mittels Videosprechstunden?

1. ANSCHEINSBEWEIS

Einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt als vom Gesetzgeber vorgesehener Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein hoher Beweiswert zu. Sie begründet zwar nicht eine gesetzliche Vermutung mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre. Ihr kommt jedoch die Wirkung einer tatsächlichen Vermutung als Anscheinsbeweis zu. Unternehmen müssen daher den Anscheinsbeweis der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn sie Entgeltfortzahlung verweigern möchten oder die Arbeitsunfähigkeit aus anderen Gründen in Abrede stellen möchten. Hierzu müssen Tatsachen vorgetragen werden, die ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ergeben (bspw. durch vorherige Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit; wiederholter zeitlicher Zusammenhang mit Feiertagen und/oder Urlaub).

Sofern Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – wie in Deutschland gesetzlich vorausgesetzt – zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit unterscheiden, kommt auch im Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen grundsätzlich derselbe Beweiswert zu.

2. VERFAHREN ZUR FESTSTELLUNG DER ARBEITSUNFÄHIGKEIT 

Nach § 4 der geltenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (AU-RL) hat die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausschließlich aufgrund einer unmittelbar persönlichen oder mittelbar persönlichen ärztlichen Untersuchung im Wege einer Videosprechstunde zu erfolgen. Letzteres ist dabei nur zulässig, wenn die Erkrankung dies nicht sowieso ausschließt. Bei erstmaliger Feststellung soll im Falle der Videosprechstunde der Zeitraum der Bescheinigung drei Tage zudem nur überschreiten dürfen, wenn die Person, über deren Arbeitsunfähigkeit beschieden wird, ärztlich bereits aus vorherigen Kontakten persönlich bekannt ist. Eine Folgebescheinigung im Wege der Videosprechstunde scheidet bei fehlender vorausgegangener unmittelbar persönlicher Untersuchung und bereits entsprechender Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit sogar insgesamt aus.

Werden diese Anforderungen missachtet, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht den Anforderungen des § 5 EFZG genügt und Unternehmen diese damit als nicht ausreichend zurückweisen können. Auch ein Anscheinsbeweis kann einer solchen Bescheinigung daher nicht zukommen.

Eine Ausnahme hiervon gilt nun allerdings weiterhin aufgrund der Coronapandemie: Gem. § 8 Abs. 1 S. 2 AU-RL darf die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik vorweisen, für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen auch nach telefonischer Anamnese und zwar im Wege der persönlichen ärztlichen Überzeugung vom Zustand begutachteten Person durch eingehende telefonische Befragung erfolgen. Auch das Fortdauern der Arbeitsunfähigkeit kann im Wege der telefonischen Anamnese einmalig für einen weiteren Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen festgestellt werden.

3. FORMELLE ANFORDERUNGEN AN ARBEITSUNFÄHIGKEITSBESCHEINIGUNGEN 

Weiterhin ist nicht geklärt, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des § 5 EFZG der Schriftform gemäß § 126 BGB (Originalunterschrift auf Papier) bedarf. Die überwiegende Auffassung geht jedoch davon aus. Eine nur eingescannte Unterschrift genügt daher als Nachweis für eine Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht aus. Auch digital ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen entsprechen daher nicht den gesetzlichen Anforderungen. Entsprechende Angebote, die im Internet kursieren, können im Zweifel [...]

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