Nicht nur Theorie: Mögliche Strafbarkeit überhöhter Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Nachdem im Frühjahr 2022 wieder die regelmäßigen Betriebsratswahlen stattgefundenen haben, stellt sich in vielen Unternehmen wieder die Frage nach der Vergütungshöhe freigestellter Betriebsratsmitglieder. Den nun veröffentlichen Entscheidungsgründe einer bereits am 28. September 2021 ergangenen Entscheidung des Landgerichts Braunschweig (Az.: 16 KLs 406 Js 59398/16 (85/19), 16 KLs 85/1) zu einer möglichen Strafbarkeit unter anderem wegen Untreue gem. § 266Abs. 1 StGB bei Gewährung von zu hohen Gehältern an Betriebsratsmitglieder hat daher gerade derzeit aktuelle Bedeutung.

1. DER UNTREUETATBESTAND

Das Landgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Überzahlung durch zu hohe Gehälter von Betriebsratsmitgliedern einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht gem. § 93 Abs. 1 AktG i.V.m. Ziffer 4.3.2 des Deutschen Corporate Governance Kodexes darstellt. Vorstandsmitglieder oder Personalleiter, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz freigestellten Betriebsratsmitgliedern überhöhte Gehälter oder Boni gewähren, handeln pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB und erfüllen damit den objektiven Tatbestand der Untreue. Entsprechendes muss danach auch für Geschäftsführer einer GmbH gem. § 43 Abs. 1 GmbHG gelten.

Die Pflichtwidrigkeit ergibt sich dabei konkret daraus, dass die überhöhte Vergütung einen Verstoß gegen § 37 Abs.1 und 4 i.V.m. § 78 S. 2 BetrVG darstellt. Die Betriebsratstätigkeit darf nicht nur keine Nachteile, sondern auch keine Vorteile für Betriebsratsmitglieder mit sich bringen.

2. DIE BETRIEBSRATSVERGÜTUNG

Gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG ist das Betriebsratsamt ein Ehrenamt, um die Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder zu gewährleisten. Gem. § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitgliedern ist daher lediglich ihr Lohnausfall zu ersetzen. Das Gesetz ordnet an, dass dabei das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen wird als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

Es kommt nicht auf die hypothetische Entwicklung des konkreten Betriebsratsmitglieds an, sondern auf die Entwicklung von Arbeitnehmer*innen mit objektiv vergleichbarer Tätigkeit bei vergleichbarer, fachlicher und persönlicher Qualifikation unter Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung (vgl. BAG, Urteil vom 17. August 2005 – 7 AZR 528/04). Auch die Übertragung von höherwertigen Tätigkeiten kann mit Verweis auf die BAG-Rechtsprechung nur berücksichtigt werden, wenn sie betriebsüblich ist. Das ist wiederum nur der Fall, wenn die höherwertige Tätigkeit nach den Gepflogenheiten hätte übertragen werden müssen oder aber die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen einen solchen Aufstieg erreicht. Den Betriebsratsmitgliedern bleibt es aber grundsätzlich unbenommen, eine andere, schnellere Entwicklung als diejenige der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen darzulegen, um eine höhere Vergütung in Anspruch nehmen zu können.

3. GRUNDSÄTZE FÜR DIE ENTWICKLUNG DER BR-VERGÜTUNG 

Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Entwicklung der Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nun der strengsten hierzu vertretenen Auffassung angeschlossen und dabei das Ehrenamtsprinzip und die Unentgeltlichkeit der Amtsführung in den Mittelpunkt gestellt. Eine Bezahlung als „Co-Manager“ oder „auf Augenhöhe“ der Verhandlungspartner der Betriebsratsmitglieder auf Arbeitgeberseite sei unzulässig. Es sei allein auf den typischen Normalverlauf abzustellen, Sonderkarrieren mithin nicht zu berücksichtigen. Insbesondere dürften für die berufliche und gehaltstechnische Entwicklung Fähigkeiten und Kenntnisse, die das Betriebsratsmitglied im Zuge seiner Betriebsratstätigkeit erwirbt, nicht berücksichtigt werden. Ob solche Qualifikationen ausnahmsweise einbezogen werden dürfen, wenn sie im unmittelbaren [...]

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