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Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen

Telefonische Krankschreibung und Videosprechstunde

Durch Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses gilt seit dem 4. August 2022 erneut, dass sich Arbeitnehmer:innen bis zu sieben Tage telefonisch krankschreiben lassen können. Die Regelung gilt befristete bis zu 30. November 2022 und nur bei Atemwegserkrankungen. Doch welche Bedeutung kommt einer Krankschreibung zu? Welches Verfahren ist zu beachten? Was gilt sonst bei Krankschreibungen mittels Videosprechstunden?

1. ANSCHEINSBEWEIS

Einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt als vom Gesetzgeber vorgesehener Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein hoher Beweiswert zu. Sie begründet zwar nicht eine gesetzliche Vermutung mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre. Ihr kommt jedoch die Wirkung einer tatsächlichen Vermutung als Anscheinsbeweis zu. Unternehmen müssen daher den Anscheinsbeweis der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn sie Entgeltfortzahlung verweigern möchten oder die Arbeitsunfähigkeit aus anderen Gründen in Abrede stellen möchten. Hierzu müssen Tatsachen vorgetragen werden, die ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ergeben (bspw. durch vorherige Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit; wiederholter zeitlicher Zusammenhang mit Feiertagen und/oder Urlaub).

Sofern Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – wie in Deutschland gesetzlich vorausgesetzt – zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit unterscheiden, kommt auch im Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen grundsätzlich derselbe Beweiswert zu.

2. VERFAHREN ZUR FESTSTELLUNG DER ARBEITSUNFÄHIGKEIT 

Nach § 4 der geltenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (AU-RL) hat die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausschließlich aufgrund einer unmittelbar persönlichen oder mittelbar persönlichen ärztlichen Untersuchung im Wege einer Videosprechstunde zu erfolgen. Letzteres ist dabei nur zulässig, wenn die Erkrankung dies nicht sowieso ausschließt. Bei erstmaliger Feststellung soll im Falle der Videosprechstunde der Zeitraum der Bescheinigung drei Tage zudem nur überschreiten dürfen, wenn die Person, über deren Arbeitsunfähigkeit beschieden wird, ärztlich bereits aus vorherigen Kontakten persönlich bekannt ist. Eine Folgebescheinigung im Wege der Videosprechstunde scheidet bei fehlender vorausgegangener unmittelbar persönlicher Untersuchung und bereits entsprechender Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit sogar insgesamt aus.

Werden diese Anforderungen missachtet, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht den Anforderungen des § 5 EFZG genügt und Unternehmen diese damit als nicht ausreichend zurückweisen können. Auch ein Anscheinsbeweis kann einer solchen Bescheinigung daher nicht zukommen.

Eine Ausnahme hiervon gilt nun allerdings weiterhin aufgrund der Coronapandemie: Gem. § 8 Abs. 1 S. 2 AU-RL darf die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik vorweisen, für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen auch nach telefonischer Anamnese und zwar im Wege der persönlichen ärztlichen Überzeugung vom Zustand begutachteten Person durch eingehende telefonische Befragung erfolgen. Auch das Fortdauern der Arbeitsunfähigkeit kann im Wege der telefonischen Anamnese einmalig für einen weiteren Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen festgestellt werden.

3. FORMELLE ANFORDERUNGEN AN ARBEITSUNFÄHIGKEITSBESCHEINIGUNGEN 

Weiterhin ist nicht geklärt, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des § 5 EFZG der Schriftform gemäß § 126 BGB (Originalunterschrift auf Papier) bedarf. Die überwiegende Auffassung geht jedoch davon aus. Eine nur eingescannte Unterschrift genügt daher als Nachweis für eine Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht aus. Auch digital ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen entsprechen daher nicht den gesetzlichen Anforderungen. Entsprechende Angebote, die im Internet kursieren, können im Zweifel [...]

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Quarantäne im Urlaub

Auswirkungen einer CORONA-Infektion auf Entgeltansprüche


1. ENTSCHEIDUNG DES LAG DÜSSELDORF

Mit Urteil vom 15. Oktober 2021 hat das LAG Düsseldorf (Az.: 7 Sa 857/21) ebenso wie die Vorinstanz die Klage einer Arbeitnehmerin auf Nachgewährung von 10 Urlaubstagen abgewiesen. Die Klägerin hatte während ihres bewilligten Erholungsurlaubs eine behördliche Quarantäneanordnung erhalten, nachdem zunächst bei ihrer Tochter und dann auch bei ihr eine Corona-Infektion durch PCR-Test positiv festgestellt worden war. Der gegen die Klägerin ergangene Bescheid enthielt den Hinweis, dass sie Erkrankte im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt holte die Klägerin nicht ein.

Das LAG wies die Klage mit Hinweis auf § 9 BUrlG ab. Das Gesetz unterscheide zwischen Erkrankung und nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit. Eine Nichtanrechnung von bereits bewilligten Urlaubstagen erfordere einen ärztlichen Nachweis, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Der Hinweis auf eine Corona-Erkrankung im Bescheid der Behörde verhalte sich hierzu nicht. Da die Norm als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei, komme auch eine analoge Anwendung nicht in Betracht. Urlaubsstörende Ereignisse als Teil des persönlichen Lebensschicksals fielen grundsätzlich in den Risikobereich der Arbeitnehmer:innen.

Das Gericht hat die Revision zugelassen. Das Ergebnis überzeugt, denn auch aufgrund vieler anderer – dem Privatbereich zuzuordnender – Umstände, kann der Erholungszweck des Urlaubs entfallen oder jedenfalls eingeschränkt sein, ohne dass das BurlG die Nachgewährung gebietet.

2. ENTGELTANSPRÜCHE UND CORONA-INFEKTIONEN

Gerade vor dem Hintergrund, dass Unternehmen weiterhin betriebliche Testangebote anbieten und sie diese herbei teilweise auch so ausgestalten, dass sie als 3-G-Nachweis im Sinne des IfSG dienen können, stellt sich allen Beteiligten immer wieder die Frage, welche Konsequenzen ein positives Schnelltestergebnis zu Folge haben kann:

  • Schnelltest positiv; PCR-Test negativ:
    In dieser Konstellation haben Unternehmen den betroffenen Arbeitnehmer:innen zunächst den Zugang zum betrieblichen Arbeitsplatz zu versagen. Erst nach Vorlage eines negativen PCR-Testergebnisses dürfen Arbeitnehmer:innen ihre Tätigkeit wieder vor Ort aufnehmen. In der Zwischenzeit können sie regelmäßig ihre Arbeitsleistung nicht erbringen. Obwohl dies (auch) auf Anweisung des Unternehmens geschehen ist, besteht grundsätzlich dennoch kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn, da die Arbeitsleistung am betrieblichen Arbeitsplatz gem. § 28b Abs. 1 IfSG verboten ist. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG scheidet wiederum mangels Krankheit und auch Arbeitsunfähigkeit aus. Einzig ein Anspruch auf Grundlage von § 616 BGB kommt in Betracht, sofern dieser nicht einzelvertraglich abbedungen worden ist.
  • Schnelltest positiv; PCR-Test positiv; Schutzimpfung; keine Arbeitsunfähigkeit:
    Stellt sich nach einem positiven Schnelltest auch der PCR-Test als positiv heraus, führt dies dazu, dass Arbeitnehmer:innen unter behördliche angeordnete Quarantäne gestellt werden. Sie sind an der Erbringung der Arbeitsleistung vor Ort im Betrieb gehindert. Wenn die Arbeitsleistung nicht vom häuslichen Arbeitsplatz erbracht werden kann, sind Unternehmen hier in der Regel nicht zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet. Denn selbst wenn § 616 BGB nicht wirksam abbedungen worden sein sollte, wird der gesetzlich vorausgesetzte Zeitraum für „eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Sinne der Norm in aller Regel überschritten. In der Konsequenz entfällt von Anfang an ein Anspruch nach § 616 BGB. Eine Ent-geltfortzahlung nach Maßgabe des EFZG kommt wiederum nur in [...]

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