Einvernehmlicher Änderungsvertrag beeinflusst den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer!
Das BAG hat mit Urteil vom 23. November 2022 (Az. 7 AZR 122/22) den Anspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf Feststellung einer Vergütungserhöhung abgelehnt und damit die Auffassungen der Vorinstanzen bestätigt.
1. SACHVERHALT
Der klagende Arbeitnehmer war seit 1998 bei der Beklagten als Karosseriebauer beschäftigt. Ab dem 1. Juli 2007 übernahm er eine Tätigkeit als Teamleiter inklusive der fachlichen Führung von Mitarbeitern an einem anderen Standort des Unternehmens und war somit Teil der ersten Leitungsebene in der betrieblichen Hierarchie. Seit 2010 ist er Betriebsratsmitglied. Der klagende Arbeitnehmer schloss mit dem beklagten Unternehmen 2012 eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung, in der die zukünftige Beschäftigung als Techniker ohne Leitungsfunktion zu einer geringeren Vergütung vereinbart wurde, er also fortan eine geringwertige Tätigkeit verrichtete. Ab dem 1. Juni 2014 wurde er als Betriebsratsvorsitzender von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt.
Der klagende Arbeitnehmer begehrte mit seiner Klage zunächst die Zahlung von über 75.000 Euro brutto und die Feststellung der Erhöhung einer Vergütung. Nach seiner Ansicht stünden ihm die Ansprüche entsprechend der Entwicklung der Gehaltsstruktur vergleichbarer Arbeitnehmer zu. Er benannte andere Teamleiter als Vergleichsgruppe. Nachdem bereits das Arbeitsgericht den Zahlungsanspruch als verfallen abgelehnt hat, verfolgte der Kläger im weiteren Verfahrensgang ausschließlich die Feststellung der Vergütungserhöhung.
2. RECHTLICHER RAHMEN
Die Entscheidung des BAG betrifft im Kern das Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot im Rahmen der Vergütung von (freigestellten) Betriebsratsmitgliedern. Das Gesetz sieht mit § 37 Abs. 4 BetrVG den Schutz von Betriebsratsmitgliedern vor Nachteilen sowohl in wirtschaftlicher als auch beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern vor. Dieser Schutz soll nicht nur während der Amtszeit, sondern darüberhinausgehend für ein weiteres Jahr bestehen und kann auf zwei Jahre verlängert werden, wenn das Betriebsratsmitglied drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt war (§ 38 Abs. 3 BetrVG). Welche Arbeitnehmer im konkreten Fall vergleichbar sind, kann in der Praxis unter Umständen – wie auch in dem vom BAG zu entscheidenden Fall – Schwierigkeiten bereiten.
Diese gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG konkretisiert das Benachteiligungsverbot gemäß § 78 S. 2 BetrVG. Gewährleistet werden soll die Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern. Aus diesem Grund ist eine Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern gegenüber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern ebenso verboten wie deren Benachteiligung.
Zur Bestimmung der Vergleichsgruppe sollen nach der ständigen Rechtsprechung des BAG diejenigen Arbeitnehmer herangezogen werden, die im Zeitpunkt der Amtsüberlassung ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben und dafür in gleicher Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren wie das Betriebsratsmitglied.
Die betriebsübliche berufliche Entwicklung lässt sich anhand der normalen betrieblichen und personellen Entwicklungen messen. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber eine solche Entwicklung aufgrund gleichförmigen Verhaltens und von ihm aufgestellten Regeln erkennen lässt.
3. DIE ENTSCHEIDUNGEN
Die Besonderheit des Falles lag in der Vereinbarung eines einvernehmlichen Änderungsvertrags. Dieser wurde 2012 und damit nach dem Amtsantritt des klagenden Arbeitnehmers im Jahr 2010 geschlossen und steht einem Anspruch auf Vergütungserhöhung in der eingeklagten Höhe nach der jüngsten BAG-Entscheidung entgegen.
Bereits das Arbeitsgericht München hat in erster Instanz sowohl die Vergleichbarkeit der anderen Teamleiter als auch die betriebsübliche Entwicklung verneint.
Während das Arbeitsgericht die Klageabweisung vorwiegend mit der fehlenden Darlegung und Begründung des klagenden Arbeitnehmers begründet, stützt sich das Landesarbeitsgericht München auf weitergehende rechtliche Erwägungen. Das LAG hielt zwar grundsätzlich die Tätigkeit als Teamleiter im Jahr 2010 für maßgeblich. Allerdings führe die einvernehmliche Änderungsvereinbarung aus 2012 zu einer anderen Beurteilung. Obwohl der klagende Arbeitnehmer 2010 Teamleiter war, scheidet eine Vergleichbarkeit mit anderen Teamleitern aus. Die Anknüpfung an die Tätigkeit als Teamleiter würde ihn besserstellen als bei der seit 2012 tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.
Das hat zwar zur Folge, dass er gegenüber den Teamleitern schlechter gestellt wird. Allerdings sei dies aufgrund der durch einvernehmlichen Änderungsvertrag bestimmten fehlenden Personalverantwortung gerechtfertigt. Diese Mehrverantwortung sei unabhängig von der Betriebsratstätigkeit weggefallen. Die Annahme einer Vergleichbarkeit mit anderen Teamleitern würde eine unzulässige Begünstigung im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern mit sich bringen, die ebenfalls als Techniker ohne Personalverantwortung tätig sind. Nach dem LAG München besteht mit der rechtlichen Freistellungsmöglichkeit ein ausreichendes Instrument, einer Mehrbelastung durch die Betriebsratstätigkeit begegnen zu können.
Dass der klagende Arbeitnehmer allein wegen des Amtes als Betriebsratsmitglied nicht befördert worden sei, konnte er nicht hinreichend darlegen, sodass auch dieses Argument der Klage nicht zum Erfolg verhelfen konnte.
Die Entscheidung des BAG ist derzeit nur als Pressemitteilung veröffentlicht. Klar ist aber, dass der Arbeitnehmer auch letztinstanzlich mit seiner Klage unterlegen ist. Das BAG hat dessen Revision zurückgewiesen. Spannend und abzuwarten bleibt die Begründung des BAG, die erst nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe in einigen Wochen bekannt werden wird.
4. AUSBLICK/ BEURTEILUNG
Im Ergebnis sind die Entscheidungen zu begrüßen. Fest steht, dass der Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer zwar grundsätzlich entsprechend der Tätigkeit im Zeitpunkt des Amtsantritts zu bestimmen ist. Allerdings verbietet sich eine starre Betrachtungsweise. Vielmehr sind – wie so oft – die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Das BAG und auch die Vorinstanzen zeigen konsequenterweise, dass ein einvernehmlicher Änderungsvertrag bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit Beachtung zu finden hat. Eine Außerachtlassung dieses besonderen Umstands würde dem Arbeitnehmer trotz freiwilliger Übernahme einer geringwertigeren Tätigkeit durch die Hintertür der Betriebsratstätigkeit eine unangemessen hohe Vergütung zusprechen. Einer solchen Ungleichbehandlung hat die Rechtsprechung eine Abfuhr erteilt. Die Gerichte erkennen richtigerweise, dass die Schlechterstellung des Betriebsratsmitglieds mit der fehlenden vergütungsrelevanten Personalverantwortung begründet werden kann, wohingegen die Besserstellung des Betriebsratsmitglieds gegenüber Nichtmitgliedern bei gleicher Tätigkeit grundlos erfolgen würde. Arbeitgeber sind in solchen Fällen also gut beraten, ihren freigestellten Betriebsratsmitgliedern nicht zu rechtfertigende Vorteile nicht zu gewähren, verstießen sie ansonsten gegen das sogar strafbewehrte Verbot der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern nach § 78 S. 2 BetrVG.