Die Betriebsratswahlen stehen vor der Tür – Was ist bei diesen Wahlen neu?

Von und am Februar 25, 2022

In vielen Betrieben werden zwischen dem 1. März 2022 und dem 31. Mai 2022 neue Betriebsräte gewählt. Seit den letzten regulären Wahlen hat sich insbesondere aufgrund der Neuerungen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes Einiges geändert. Die wichtigsten Neuerungen in Bezug auf die Wahl und das Wahlverfahren fassen wir im Folgenden für Sie zusammen.

1. NEUERUNG BEI ANZAHL ERFORDERLICHER STÜTZUNTERSCHRIFTEN

Sind mehr als fünf Betriebsratsmitglieder zu wählen, erfolgt die Wahl aufgrund von Vorschlagslisten (wenn nicht das vereinfachte Wahlverfahren vereinbart worden ist, siehe dazu Ziffer 4). Um völlig aussichtslose Wahlvorschläge zu vermeiden und gar nicht erst zur Wahl zuzulassen, bedürfen die Vorschläge einer gewissen Anzahl an sog. Stützunterschriften.

Die Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften hat der Gesetzgeber nun herabgesetzt. Dadurch soll insbesondere die Gründung von Betriebsräten in kleinen und mittleren Betrieben erleichtert und gefördert werden. Während vor Eintritt der Gesetzesänderungen stets mindestens zwei wahlberechtigte Arbeitnehmende einen Wahlvorschlag unterschreiben mussten, bedarf es nun in Betrieben mit in der Regel weniger als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmenden keiner Unterzeichnung mehr. In Betrieben mit in der Regel zwischen 21 und 100 wahlberechtigten Arbeitnehmenden bedarf es nun nur noch zwei Unterschriften.

Zuvor waren in allen Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmenden die Unterschriften von mindestens einem Zwanzigstel, mindestens aber von drei Arbeitnehmenden erforderlich. Die Neuregelung des § 14 Abs. 4 der Wahlordnung differenziert nun nach der Größe des Betriebs. Erst in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmenden ist die Unterschrift von mindestens einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmenden erforderlich. Unabhängig von der Größe des Betriebs sind 50 Unterschriften aber stets ausreichend.

2. HERABSETZUNG DER ALTERSGRENZE BEIM AKTIVEN WAHLRECHT

Bei den diesjährigen Wahlen sind bereits Arbeitnehmende, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, wahlberechtigt. Zuvor mussten sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Herabsetzung der Altersgrenze betrifft allerdings nur die aktive Wahlberechtigung. Das passive Wahlrecht steht weiterhin nur Arbeitnehmenden zu, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben.

Mit der Herabsetzung der Altersgrenze wollte der Gesetzgeber laut Gesetzesbegründung dem nicht mehr zeitgemäßem Ausschluss jugendlicher Arbeitnehmender von der Wahl entgegenwirken.

3. ERWEITERTER KÜNDIGUNGSSCHUTZ

Um Betriebsratsgründungen weiter zu unterstützen und zu fördern, wurde der Kündigungsschutz für sog. Vorfeldinitiatoren ausgeweitet.

Während zuvor nur die ersten drei in der Einladung zur Betriebsratswahl oder in der Antragstellung genannten Arbeitnehmenden bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor einer Kündigung geschützt waren, sind es nun die ersten sechs Arbeitnehmenden.

Außerdem wurde der Kündigungsschutz auch auf solche Arbeitnehmenden ausgeweitet, die Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen. Unter Vorbereitungshandlungen fällt jedes Verhalten, das für Dritte erkennbar zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl geeignet ist. Der Kündigungsschutz besteht jedoch nur, wenn zusätzlich der oder die Arbeitnehmende eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er oder sie die Absicht habe, einen Betriebsrat zu errichten. Mit der Einladung zur Betriebsratswahl endet der Kündigungsschutz, spätestens jedoch nach drei Monaten.

4. AUSWEITUNG DES VEREINFACHTEN WAHLVERFAHRENS

In kleineren Betrieben kann die Betriebsratswahl im vereinfachten Verfahren durchgeführt werden. Bislang war dies bei in der Regel bis zu 50 wahlberechtigten Arbeitnehmenden der Fall. Seit der Gesetzesänderung ist das vereinfachte Wahlverfahren in Betrieben mit in der Regel bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmenden anzuwenden. In Betrieben mit in der Regel zwischen 101 und 200 wahlberechtigten Arbeitnehmenden ist das vereinfachte Wahlverfahren fakultativ, d.h. der Wahlvorstand und der Arbeitgeber können sich darauf verständigen. Vor der Gesetzesänderung konnte das vereinfachte Wahlverfahren nur in Betrieben mit zwischen 51 und 100 wahlberechtigten Arbeitnehmenden vereinbart werden.

5. ÄNDERUNGEN DER WAHLORDNUNG

Auch die Wahlordnung hat einige Änderungen erfahren, welche direkte Auswirkungen auf das Wahlverfahren haben.

Erwähnenswert ist, dass in den Wählerlisten nun alle nicht passiv wahlberechtigten Arbeitnehmenden gesondert auszuweisen sind. Vorher waren nur Leiharbeitnehmer speziell zu kennzeichnen. Das Erfordernis geht auch mit dem Auseinanderfallen des passiven und aktiven Wahlrechts der zwischen 16- und 18-jährigen Arbeitnehmenden einher.

Zudem muss das Wahlausschreiben nun an Arbeitnehmende postalisch oder elektronisch übermittelt werden, über die dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses oder vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl aus anderen Gründen voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Wahlvorstand die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.

6.WEITERHIN KEINE ONLINE-WAHL

Trotz anhaltender Pandemie ist die Betriebsratswahl weiterhin nur analog, d.h. vor Ort, möglich. Eine Online-Wahl oder ähnliches ist bislang nicht zulässig. Eine so durchgeführte Wahl wäre jedenfalls anfechtbar.

Allerdings besteht inzwischen zumindest die Möglichkeit, nicht öffentliche Sitzungen des Wahlvorstandes mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen. Nicht möglich ist dies jedoch für die Wahl des Wahlvorstandes, zur Prüfung eingereichter Vorschlagslisten sowie zur Durchführung eines Losverfahrens zur Bestimmung der Reihenfolge der Ordnungsnummern eingereichter Vorschlagslisten. Außerdem muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können und keine Aufzeichnung stattfindet.

Dr. Gudrun Germakowski
Dr. Gudrun Germakowski berät in sämtlichen Bereichen des deutschen Arbeitsrechts. Die Begleitung von Betriebsänderungen gehört hierzu ebenso wie die Beratung beim Fremdpersonaleinsatz und das Gebiet der Vertragsgestaltung. Einen Schwerpunkt der Tätigkeit bildet das kollektive Arbeitsrecht, insbesondere der Umgang mit Betriebsräten beispielsweise bei der Beratung im Zusammenhang mit tariflichen Vergütungsstrukturen.


Franziska Leubner
Franziska Leubner berät nationale und internationale Unternehmen, u.a. aus dem Life Sciences-Bereich, der Automobilbranche sowie dem Finanz- und Verlagswesen, zu sämtlichen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Sie vertritt Mandanten in arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren und berät zudem auf dem Gebiet des Datenschutzes, insbesondere zum Arbeitnehmerdatenschutz.

FOLGE UNS

THEMENBEREICHE

ARCHIV