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Neues zur Arbeitszeiterfassung – Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes

Seit dem 18. April 2022 liegt nun der lang erwartete (Referenten-)Entwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und zur Regelung der Arbeitszeiterfassung vor („RefE-ArbZG“). Damit reagiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unmittelbar auch auf den zuletzt kritisch diskutierten Beschluss des BAG vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21), in welchem es aus § 3 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz mittels einer unionsrechtskonformen Auslegung eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung hergeleitet hatte.

Leider enttäuscht der RefE-ArbZG alle zuvor verbreiteten Forderungen und Hoffnungen auf eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes und darauf aufbauend eine flexible Handhabung der Arbeitszeiterfassung. Stattdessen sieht der Referentenentwurf eine weitgehend starre Verpflichtung zur täglichen und ausschließlich elektronischen Erfassung des Beginns, des Endes und der Dauer der täglichen Arbeitszeit vor.

Zudem finden sich auch noch Widersprüche. So sollen „Führungskräfte, herausgehobene Experten und Wissenschaftler“ zwar nach der Begründung von den starren Regelungen zur Arbeitszeiterfassung befreit sein, der Entwurf sieht eine solche Möglichkeit zur Befreiung jedoch nur über eine Regelung der Tarifpartner vor. Selbst wenn man außen vor lässt, dass eine Ausnahme ausschließlich für Regelungen der Tarifparteien sachlich kaum begründbar ist, wird eine flexible Regelung so gerade für hochbezahlte Führungskräfte und sämtliche Branchen, in denen es keine Tarifverträge gibt, faktisch ausgeschlossen. Die Ausnahmeregelung, auf die spätestens seit September 2022 alle warten, ist daher praktisch weitgehend untauglich.

Der Entwurf lässt sich daher eher als politisches Signal des BMAS im Sinne eines Bekenntnisses zu Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung einordnen denn als ernsthafter Versuch, die selbst formulierten Ziele einer Flexibilisieung gesetzlich zu regeln. Es ist davon auszugehen, dass der Referentenentwurf lediglich ein Entwurf bleiben und nun konkreter Ausgangspunkt für Diskussionen um eine umfassende Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes sein wird.

Zu den einzelnen Regelungen:

1. UMFASSENDE PFLICHT ZUR ARBEITSZEITERFASSUNG

Die grundlegende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ergibt sich aus dem folgenden § 16 Abs. 2 RefE-ArbZG:

„(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Er hat ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Absatz 7 eingewilligt haben. Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise nach Satz 1 und 2 mindestens zwei Jahre aufzubewahren.“

Danach sind im Ausgangspunkt ausnahmslos der Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit durch den Arbeitgeber elektronisch aufzuzeichnen. Eine analoge Aufzeichnung ist danach grundsätzlich (vorbehaltlich der im Folgenden dargestellten Ausnahmen) unzulässig. Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung wird nicht vorgeschrieben. Nach der Begründungen des RefE-ArbZG kämen z.B. elektronische Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme (Excel) in Betracht. Womöglich aus Gründen der Vereinfachung soll auch eine sogenannte „kollektive Arbeitszeiterfassung“ durch die Nutzung und Auswertung elektronischer Schichtpläne möglich sein, sofern sich aus diesen der Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit einzelner Arbeitnehmer ergebe und etwaige Abweichungen (z.B. Fehlzeiten und zusätzliche Arbeitszeiten) gesondert elektronisch erfasst werden. Am Ende wäre danach weiterhin eine individuelle Erfassung notwendig, da nahezu ausgeschlossen ist, das Schichtpläne minutengenau die tatsächliche Arbeitszeit widerspiegeln.

Diese elektronische Zeiterfassung muss zudem am Tag der Arbeitsleistung erfolgen. Die danach täglich erstellten Arbeitszeitnachweise sind zudem zwei [...]

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Untreue bei zu hoher Vergütung von Betriebsräten? BGH, Urteil 10.01.2023 – 6 StR 133/22

Der BGH hat am 10. Januar 2023 die erstinstanzlichen Freisprüche vier früherer VW-Manager wegen des Vorwurfs der Untreue aufgehoben. Die schriftliche Urteilsbegründung war mit großer Spannung erwartet worden. Nun ist sie da.

Um es vorwegzunehmen: Das BGH-Urteil hat ganz erhebliche praktische Konsequenzen. Dies liegt vor allem daran, dass der BGH die Risiken für vorsätzliches Handeln stark verschärft. So hatte das LG Braunschweig entschieden, dass die Angeklagten zwar aufgrund vermeintlich zu hoher Vergütungen von Betriebsräten objektiv den Tatbestand der Untreue verwirklicht haben. Allerdings hätten die Angeklagten, so die erste Instanz, ohne Vorsatz gehandelt. Denn die Angeklagten hatten durchaus Risiken gesehen. Bei VW gab es daher eine Kommission und die Manager ließen sich auch umfassend rechtlich beraten. Die rechtliche Beratung kam durchweg zu dem Ergebnis, dass die Vergütungssprünge gerechtfertigt seien. Die Manager hätten daher einem Tatbestandsirrtum unterlegen und unvorsätzlich gehandelt.

Dem wollte der BGH nicht folgen: Bei einem Handeln – wie hier – im „rechtlichen Grenzbereich“ läge eher ein Verbotsirrtum nahe. Dieser sei zudem wohl vermeidbar. Wird wie hier in der arbeitsrechtlichen Literatur kontrovers diskutiert, ob Vergütungserhöhungen für Betriebsräte in vergleichbaren Konstellationen rechtmäßig seien, dürfen sich Manager laut BGH wohl nicht auf Gutachten verlassen, die „rechtlichen Flankenschutz“ gewähren sollen.

Für Unternehmen bedeutet dies: Bestehen rechtliche Unsicherheiten bei Vergütungsentscheidungen, sollten diese zur Vermeidung rechtlicher Risiken im Zweifel unterbleiben. Auch sollten in der Vergangenheit erfolgte Entscheidungen überprüft werden.

Bei der arbeitsrechtlichen Bewertung liegt der BGH grundsätzlich auf Linie mit dem BAG und der überwiegenden Literatur. So entsprach es schon bisher herrschender Auffassung, dass für die Vergütung von Betriebsräten nicht die Betriebsratstätigkeit, wie etwa ein Verhandeln mit Managern und Vorständen „auf Augenhöhe“, als solche herangezogen werden kann. Auch galt schon bisher Zurückhaltung, was die Anerkennung von im Betriebsratsamt erlangten Qualifikationen angeht. Insoweit hat der BGH überraschend für Klarheit gesorgt, sodass nun zumindest im Betriebsratsamt erlangte Qualifikationen berücksichtigt werden dürfen, die einen Bezug zur vor Amtsübernahme ausgeübten Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds aufweisen. Beispielhaft sei auf Fälle verwiesen, in denen ein Betriebsratsmitglied, welches vor Amtsübernahme im Rechnungswesen tätig war, durch die Amtstätigkeit vertiefte Bilanzkenntnisse erlangte.

Soweit in der Wirtschaftspresse unmittelbar nach Urteilsverkündung die Auffassung geäußert worden ist, der BGH habe die Rechtsprechung des BAG zu hypothetischen Karrieren verworfen, ist dem nicht zu folgen. Denn der BGH liegt wie erwähnt arbeitsrechtlich auf Linie des BAG. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass hypothetische Karrieren, deren grundsätzliche Zulässigkeit jahrzehntelange gefestigte BAG-Rechtsprechung ist, künftig nicht mehr zulässig sind. Bedauerlicherweise könnten Unternehmen allerdings zu noch größerer Zurückhaltung hinsichtlich hypothetischer Karrieren gezwungen werden, als dies heute schon der Fall ist. Angesichts der Andeutung des BGH, dass kontrovers diskutierte Rechtsfragen einen bedingten Vorsatz begründen können, bestünde ein solches Risiko, wenn die hypothetische Karriere aufgrund der BGH-Entscheidung durch Stimmen in der Literatur künftig ernsthaft in Frage gestellt werden würde. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich die Literatur bei der Rezension der BGH-Entscheidung eindeutig pro Zulässigkeit hypothetische Karriere positionieren wird.

Fazit: Wie etwa bei der Arbeitszeiterfassung ist auch hier der Gesetzgeber gefragt und wird sich der Thematik – wie verschiedentlich zu hören ist – auch beizeiten [...]

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