Gestern haben sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD auf den Abschluss eines Koalitionsvertrages geeinigt. Dieser muss nun noch von den jeweiligen Parteigremien abgesegnet werden, bevor er unterzeichnet werden kann. Wir haben die wichtigsten arbeitsrechtlichen Themen herausgefiltert und kommentiert.
- Mindestlohn von 15 EUR
Im Jahr 2026 soll „ein Mindestlohn von 15 Euro […] erreichbar“ sein. Hierbei handelt es sich nur um einen Wunsch, denn gleichzeitig betonen die zukünftigen Koalitionäre, dass sie an „einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission“ festhalten wollen. Über die Anpassung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns entscheidet nach der Konzeption des MiLoG alle zwei Jahre eine unabhängige Kommission der Tarifpartner, die sich aus Vertretern der Arbeitgeberverbände sowie den Gewerkschaften zusammensetzt und außerdem von Wissenschaftlern beraten wird. Dies ist damit eine Absage an rein gesetzliche Erhöhungen des Mindestlohns, die die Ampel in 2022 (auf 12 EUR) letztlich entgegen der gesetzlichen Systematik auf den Weg gebracht hat.
- Höherer Grad der Tarifbindung
Weiteres Ziel soll eine „höhere Tarifbindung“ sein, so dass „Tariflöhne […] wieder die Regel werden und […] nicht die Ausnahme bleiben“. Hierbei soll ein Bundestariftreuegesetz helfen, das für Auftragsvergaben auf Bundesebene ab EUR 50.000 Euro (und für Startups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro) eine Tarifbindung voraussetzt.
- Flexibilität bei der ARbeitszeit
Zur Erhöhung der Flexibilität der Arbeitswelt („auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“) soll im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstelle einer täglichen Höchstarbeitszeit geschaffen werden. Dieser Punkt ist sehr interessant und könnte in der Tat ein großes Maß an Flexibilität schaffen. „Zur konkreten Ausgestaltung“ soll es allerdings zunächst einen „Dialog mit den Sozialpartnern“ geben. Ob dies dann bedeutet, dass die Flexibilisierungen nur für tarifgebundene Unternehmen gelten (ganz im Einklang mit dem Ziel unter Ziffer 2) und damit an den stark kritisierten Entwurf für die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes aus dem BMAS aus 2023 angeknüpft wird, bleibt abzuwarten.
Darüber hinaus soll „die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten unbürokratisch“ geregelt werden und „dabei für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln“ vorgesehen werden. Diese Formulierung spricht vor allem nicht dafür, dass kleine und mittlere Unternehmen beim Thema Arbeitszeiterfassung gänzlich mit einer Ausnahmeregelung rechnen können. Interessant ist aber das Bekenntnis der Verhandler, dass die „Vertrauensarbeitszeit […] ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich“ bleiben soll. Vor dem Hintergrund der bekannten höchstrichterlichen nationalen und unionsrechtlichen Argumentation zu diesem Thema ist es höchst interessant, wie diese Absicht rechtlich (und rechtssicher) umgesetzt werden soll. Würde dann der Wortlaut des Koalitionsvertrages tatsächlich gelten, dürften wir bundesweit die Renaissance der Vertrauensarbeitszeitregelungen erleben. Wehrmutstropfen könnte dann hier wieder die Absicht aus Ziffer 2 sein und dies möglichweise nur für tarifgebundene Arbeitgeber gelten.
- Mehrarbeit, Überstunden & „Vollzeit-Prämien“
„Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen“ sollen „steuerfrei gestellt“ werden. Als Vollzeitarbeit soll dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden gelten (wieder eine Referenz [...]
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