So bereiten sich Arbeitgeber auf die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor

Am 1. Januar 2023 ist es so weit – die elektronische AU-Bescheinigung kommt (endlich) auch ins Unternehmen. Bislang waren lediglich Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, die Daten zur AU-Bescheinigung elektronisch weiterzugeben. Ab dem 1. Januar 2023 sind hiervon auch Arbeitgeber erfasst. Arbeitnehmende werden nicht mehr verpflichtet sein, den „gelben Schein“ beim Arbeitgeber vorzulegen. Vielmehr muss der Arbeitgeber selbst initiativ werden und die Daten bei der Krankenkasse anfordern. Dies gilt allerdings nur im Hinblick auf gesetzlich versicherte Arbeitnehmende.

1. DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK

Während bislang die Arbeitnehmenden verpflichtet waren, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihrem Arbeitgeber spätestens am vierten Tage der AU vorzulegen, muss der Arbeitgeber die Daten zur Arbeitsunfähigkeit nun selbst abrufen. Die gesetzliche Regelung dieser Änderung wird in dem neuen § 5 Abs. 1a EFZG zu finden sein.

Die Pflicht, eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sowie die voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen, bleibt für Arbeitnehmende aber unverändert bestehen. Statt aber nun spätestens am vierten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen zu müssen, sind Arbeitnehmende nun nur noch verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit am dritten Tag ärztlich feststellen lassen. Zudem sollten sich Arbeitnehmende eine Bescheinigung für sich selbst aushändigen lassen.

Die Arztpraxis übermittelt die Daten nach der Feststellung an die gesetzliche Krankenkasse. Diese erstellt eine Meldung, welche Namen, Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Datum der ärztlichen Feststellung sowie eine Kennzeichnung als Erst- oder Folgebescheinigung enthält. Auch ist anzugeben, ob Anhaltspunkte für einen Unfall bestehen.

Die Meldung übermittelt jedoch nicht die Krankenkasse an den Arbeitgeber. Vielmehr muss dieser selbst aktiv werden und die Meldung elektronisch bei der Krankenkasse abrufen. Die jeweiligen medizinischen Inhalte und Diagnosen werden dabei nicht mitgeteilt.

Das beschriebene Verfahren greift nicht bei Privatversicherten sowie bei Aufsuchen einer Ärztin oder eines Arztes, welcher nicht an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt.

2. UMGANG MIT TECHNISCHEN FEHLERN

Fraglich sind die Folgen bei technischen Fehlern, etwa einer fehlgeschlagenen oder fehlerhaften Übermittlung der Daten an die Krankenkasse oder beim Abruf durch den Arbeitgeber. Die Nachweispflicht für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entgeltfortzahlung trifft nach wie vor die Arbeitnehmenden. Sie müssen das Vorliegen außerprozessual und prozessual nachweisen. Daher sollen sich Arbeitnehmende auch weiterhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform aushändigen lassen.
Ob Arbeitgeber in solchen Fällen berechtigt sind, entsprechend der Vorschrift des § 7 EFZG, die Entgeltfortzahlung zu verweigern, ist unklar. Eine Anpassung der gesetzlichen Vorschrift, wonach eine Verweigerung möglich ist, solange Arbeitnehmende die vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegen, dahingehend, dass dies auch im Falle der fehlenden Feststellung gilt, ist nicht erfolgt.

3. BETEILIGUNG BETRIEBSRAT?

Arbeitgeber, bei denen ein Betriebsrat besteht, müssen diesen unter Umständen beteiligen. Zwar steht dem Betriebsrat grundsätzlich kein Beteiligungsrecht im Hinblick auf die Erfüllung der Anzeige-, Nachweis- und Feststellungspflichten der Arbeitnehmenden zu. Doch sind im Zusammenhang mit der eAU Mitbestimmungsrechte im Einzelnen zu prüfen.

So könnten Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen sein. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt nur in Betracht, soweit keine gesetzliche Regelung besteht. Eine solche existiert hinsichtlich der eAU aber gerade aufgrund des neuen § 5 Abs. 1a EFZG. Hier ist die praxisrelevante [...]

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Verlängerung der Arbeitsnehmerüberlassungs­höchstdauer durch Tarifvertrag

Tarifverträge der Einsatzbranche gelten auch für nicht-tarifgebundene Zeitarbeitnehmer und Personaldienstleister

Das BAG hat kürzlich eine umstrittene Frage beim Einsatz von Zeitarbeitnehmern zugunsten der Zeitarbeits- und Einsatzbranchen geklärt: Die gesetzliche Höchstdauer bei Arbeitnehmerüberlassung kann auf Grundlage eines Tarifvertrages der Einsatzbranche überschritten werden darf, dies ungeachtet der Tarifbindung von Zeitarbeitnehmer bzw. Zeitarbeitsunternehmen. Das Urteil vom 14. September 2022 (Az. 4 AZR 83/21) liegt derzeit nur als Pressemitteilung vor. Doch diese lässt bereits die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung für die Praxis erkennen. Auch in einem Parallelverfahren vom selben Tag (Az. 4 AZR 26/21) hat das BAG die Klage eines Zeitarbeitnehmers ablehnend beschieden.

1. SACHVERHALT

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Der klagende Leiharbeitnehmer wurde im Mai 2017 für knapp 24 Monate als Kfz-Meister an das beklagte Einsatzunternehmen überlassen. Im Unternehmen der Beklagten fand der „Tarifvertrag Leih/Zeitarbeit“, der zwischen dem Verband Südwestmetall und der Gewerkschaft IG Metall geschlossen wurde, Anwendung. In diesem wurde von den Tarifvertragsparteien unter anderem geregelt, dass die Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung 48 Monate nicht überschreiten darf. Der klagende Leiharbeitnehmer war nicht Mitglied in der IG Metall. Er stützte seine Klage darauf, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem entleihenden Einsatzunternehmen kraft Gesetzes aufgrund der Überschreitung der gesetzlichen Höchstdauer zustande gekommen und im Übrigen die gesetzliche Verlängerungsmöglichkeit verfassungswidrig sei. Dem erteilte das BAG nun eine Absage.

2. RECHTLICHER RAHMEN

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (im Folgenden „AÜG“) regelt die Rechtsverhältnisse zwischen Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer. Bis zu seiner Novellierung im April 2017 sah § 1 AÜG zwar vor, dass eine Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend, mithin nicht dauerhaft erfolgen darf. Es herrschte jedoch weitgehend Unklarheit über die Frage, wann eine Überlassungsdauer noch als „vorübergehend“ einzustufen ist und ab welchem Zeitraum eine dauerhafte Überlassung anzunehmen ist. Diese Rechtsunsicherheit wurde mit der Neufassung im Jahr 2017 beseitigt. Der Gesetzgeber ergänzte das AÜG um eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer. Diese beträgt gemäß § 1 Abs. 1b) AÜG 18 Monate.

In der Gesetzesbegründung wurde die Einführung der zeitlichen Beschränkung mit der Orientierung der Arbeitnehmerüberlassung auf ihre Kernfunktion begründet. Diese erstreckt sich vorrangig auf die zeitweise Überlassung eines Arbeitnehmers. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Stammarbeitnehmer verdrängt werden könnten. Vor diesem Hintergrund sollte die Stellung der Leiharbeitnehmern gestärkt und die Verhinderung von Missbrauch in den Fokus gerückt werden.

Wird die gesetzliche Überlassungshöchstdauer zu Unrecht überschritten, droht dem Entleiher eine häufig unerwünschte Konsequenz: Gemäß § 10 Abs. 1 AÜG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr 1b AÜG führt jede noch so geringe Überschreitung der einschlägigen Überlassungshöchstdauer u.a. zu einem kraft Gesetzes fingierten Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und entleihendem Einsatzunternehmen.

Der Gesetzgeber sah auf der anderen Seite aber auch das Bedürfnis nach einer flexiblen und bedarfsgerechten Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung. Aus diesem Grund wurde mit der Einführung des § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG eine Möglichkeit geschaffen, die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung variabel zu gestalten. Ein Abweichen von der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstdauer von 18 Monaten wurde ausdrücklich kodifiziert – durch Tarifvertrag oder aufgrund Tarifvertrages durch die Betriebsparteien per Betriebsvereinbarung. So können Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine abweichende Überlassungshöchstdauer– sowohl nach oben als auch [...]

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Gefälschter Impfnachweis – wichtiger Grund für außerordentliche Kündigung

In zwei Entscheidungen hat das LAG Düsseldorf kürzlich deutlich gemacht, dass die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann (Az. 8 Sa 326/22 bzw. 3 Sa 374/22). Damit bestätigt es die Ansicht einiger erstinstanzlicher Gerichte.

1. DIE ENTSCHEIDUNGEN DES LAG DÜSSELDORF

Gleich in zwei Fällen hatte das LAG Düsseldorf darüber zu entscheiden, ob die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.

In einem Fall legte der klagende Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber ein digitales EU-Impfzertifikat vor, um den Anforderungen der damals geltenden 3G-Regelung zu genügen. Das Zertifikat war von einer Berliner Ärztin ausgestellt, gegen welche bereits wegen des Verdachts auf illegalen Handel mit gefälschten Impfnachweisen ermittelt wurde. Der Arbeitnehmer war zudem an beiden Tagen der angeblichen Verabreichung der Impfdosen arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit dem Vorwurf der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises im Beisein des Betriebsrats konfrontiert hatte, kündigte er dem Arbeitnehmer anschließend nach erfolgter Be-triebsratsanhörung fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht.

Das Arbeitsgericht Duisburg gab der dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage im März dieses Jahres statt. Zwar stelle die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises einen wichtigen Grund dar. Doch ließe sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen, dass der Impfnachweis tatsächlich gefälscht gewesen sei. Die Beweislast dafür trage der Arbeitgeber. Auch die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung seien nicht erfüllt, da der Betriebsrat zu einer solchen nicht angehört worden sei.

Das LAG bestätigte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, dass die Vorlage einer Impfnachweis-Fälschung einen Grund für die fristlose Kündigung darstellen könne. Zur streitigen Frage des Vorliegens einer Fälschung sei aber eine Beweisaufnahme nötig, weshalb das LAG lediglich einen Beweisbeschluss erließ. Die Verhandlung wird nun fortgesetzt.

Parallel dazu hatte das LAG Düsseldorf über eine weitere außerordentliche Kündigung wegen der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises zu entscheiden. Auch in diesem Verfahren machte das Gericht in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass die Fälschung grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstelle. Die außerordentliche Kündigung scheiterte in diesem Fall aber an der Interessenabwägung. Der Kläger war bereits seit 19 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und räumte die Fälschung auf Vorhalt sofort ein. Außerdem müsse sich die Beklagte selbst einen (inhaltlich bisher nicht näher bekannten) Verstoß gegen § 28b IfSG vorhalten lassen. Auch die ordentliche Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis nicht beenden, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde.

2. AUSBLICK

Die Entscheidungen des LAG Düsseldorf bestärken Arbeitgeber im Umgang mit gefälschten Impfnachweisen, auch wenn deren Bedeutung jedenfalls im Moment gering ist. Die Entscheidungen dürften aber dennoch richtungsweisend für ähnliche Pflichtverletzungen von Arbeitnehmenden in der Zukunft sein.

Deutlich wurde in diesem Zusammenhang erneut die Wichtigkeit der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates. Insbesondere sollten Arbeitgeber genau prüfen, ob sie den Betriebsrat nicht vorsorglich zu einer Verdachtskündigung angehören, sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Pflichtverletzung nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne.




Die Inflationsausgleichsprämie kommt – Was Arbeitgeber wissen müssen

Am 7. Oktober 2022 hat der Bundesrat dem Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz zugestimmt. Damit steht nun fest, worauf viele Beschäftigte gehofft haben: Unternehmen können auf freiwilliger Basis unter bestimmten Voraussetzungen steuer- und sozialabgabefreie Leistungen in Höhe von jeweils bis zu 3.000 Euro an ihre Beschäftigten erbringen (sog. Inflationsausgleichsprämie). Sinn und Zweck der Prämie ist es, die Belastungen der Beschäftigten insbesondere durch die gestiegenen Gaspreise abzufedern.

 

1. DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK
  • Die Prämie darf insgesamt maximal 3000 Euro betragen.
  • Eine Aufteilung in mehrere Einzelbeträge ist möglich.
  • Die Leistung ist steuer- und sozialversicherungsfrei.
  • Der Begünstigungszeitraum ist zeitlich befristet bis zum 31. Dezember 2024.
  • Die Prämie kann in Form von Zuschüssen oder Sachbezügen erfolgen.
  • Die Zahlung muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgen.

 

2. ZUR PRAKTISCHEN UMSETZUNG

Die Umsetzung ist im Grundsatz erst einmal einfach. Sofern sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie entschieden hat, kann er diese nach Klärung der Modalitäten grundsätzlich einfach an die Beschäftigten auszahlen. Die Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen. Auf der Lohnabrechnung genügt ein kurzer Hinweis zur Erklärung der zusätzlichen Leistung.

Daneben sind folgende Details zu beachten.

Zusätzliche Leistung

Wichtig ist, dass die Zahlung nur dann steuer- und sozialabgabenfrei ist, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt wird. Es darf also keine Umwidmung (z.B. Zahlung eines ohnehin geschuldeten Bonus deklariert als Inflationsausgleichsprämie) oder Anrechnung des Betrages erfolgen. Ebenso wenig darf eine bereits geschuldete Leistung in eine Inflationsausgleichszahlung umgeändert werden.

Mitbestimmung des Betriebsrates

Zu beachten ist weiter, dass auch freiwillige Leistungen wie die Inflationsausgleichsprämie der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen können. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei „Fragen der betrieblichen Lohngestaltung“. Der Begriff des Lohns wird dabei weit verstanden und bezieht sich auf jede Leistung, die der Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses erbringt. Die Inflationsausgleichsprämie fällt unter diesen Begriff, obwohl es sich gerade nicht um eine Lohnzahlung im eigentlichen Sinne handelt. Das Mitbestimmungsrecht wird insbesondere relevant, wenn die Prämie nicht allen Mitarbeitenden (in gleicher Höhe) ausgezahlt werden soll.

Auswahl der berechtigten Arbeitnehmenden

Es ist grundsätzlich möglich, die Inflationsausgleichsprämie nicht allen Arbeitnehmenden eines Betriebes gleichermaßen zufließen zu lassen. Dabei ist aber dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz besondere Bedeutung beizumessen. Beschäftigte in vergleichbaren Positionen dürfen nicht willkürlich ungleich behandelt werden. Zwar ist eine Auswahl der profitierenden Arbeitnehmenden nach sozialen Kriterien oder der Einkommenssituation grundsätzlich möglich, eine differenzierende Auszahlungspraxis darf aber keinesfalls willkürlich sein.
Insofern gilt es zu beachten, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu einer „Anpassung nach oben“ führt. Für den Fall der Feststellung eines Verstoßes, kann demnach die zu Unrecht von der Zahlung ausgenommene Gruppe ebenfalls die Inflationsausgleichsprämie begehren.

Vermeidung einer betrieblichen Übung

Zudem sollten Arbeitgeber vermeiden, sich langfristig zu verpflichten. Damit insbesondere mehrere Teilzahlungen nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung führen, empfiehlt es sich, eine schriftliche Vereinbarung zu schließen. Dies kann sowohl einzelvertraglich als auch kollektivrechtlich in Form einer Betriebsvereinbarung erfolgen. Solche Vereinbarungen sollten den Hintergrund und die Einmaligkeit der Leistung erwähnen und insbesondere den freiwilligen Charakter der Zahlung festschreiben.

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Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung – Vorzeitiges Ende bei Unterschreiten der Schwelle?

Am nächsten Mittwoch wird das BAG über die Fortdauer der Amtszeit einer Schwerbehindertenvertretung nach dem Absinken der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeitenden in einem Betrieb unter die Zahl von fünf entscheiden (Az. 7 ABR 27/21; Vorinstanz LAG Köln, Beschluss vom 31. August 2021, 4 TaBV 19/21). Dies gibt Anlass für einen kurzen Überblick über Bildung und Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sowie die zweitinstanzliche Entscheidung.

1. BILDUNG DER SCHWERBEHINDERTENVERTRETUNG

In Betrieben, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und mindestens ein stellvertretendes Mitglied gewählt.

Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen, während wählbar alle in dem Betrieb nicht nur vorübergehend Beschäftigten über 18 Jahren sind, die dem Betrieb seit sechs Monaten angehören.

Ähnlich den Betriebsratswahlen wird auch die Schwerbehindertenvertretung alle vier Jahre gewählt (zwischen 1. Oktober und 30. November). Außerhalb dieser Zeit finden Wahlen nur statt, wenn das Amt der Schwerbehindertenvertretung vorzeitig erlischt und kein stellvertretendes Mitglied nachrückt, die Wahl mit Erfolg angefochten wurde oder eine Schwerbehindertenvertretung noch nicht gewählt ist. Die Amtszeit beträgt vier Jahre. Das Amt der Vertrauensperson endet nur dann vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlegt, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder die Wählbarkeit verliert.

2. AUFGABEN DER SCHWERBEHINDERTENVERTRETUNG

Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sind insbesondere die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb, die Vertretung der Interessen im Betrieb sowie die Beratung und Unterstützung. Insbesondere soll die Schwerbehindertenvertretung die Einhaltung der Vorschriften zugunsten der schwerbehinderten Menschen überwachen, Maßnahmen beantragen, die den Schwerbehinderten dienen, sowie Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Arbeitnehmenden übermitteln und ggf. umsetzen.

Bei Entscheidungen des Arbeitgebers, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen in dem Betrieb als Gruppe betreffen, ist die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor der Entscheidung anzuhören.

Besondere Bedeutung erlangt die Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen. Denn diese ist unwirksam, wenn sie ohne eine entsprechende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausgesprochen wurde.

3. DER ZU ENTSCHEIDENDE FALL

In dem nun zur Entscheidung anstehenden Fall hat das BAG über die Auswirkungen des Absinkens der Anzahl der schwerbehinderten Arbeitnehmenden in einem Betrieb unter die Zahl von fünf zu befinden. Konkret geht es um die Frage, ob die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung in diesem Fall fortdauert oder mit diesem Ereignis endet.

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht Betrieb A der Arbeitgeberin mit ca. 120 Arbeitnehmenden. In diesem wurde im Jahr 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Zum 1. August 2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Arbeitnehmenden unter die für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung maßgebliche Zahl von fünf auf vier ab. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass ab diesem Zeitpunkt die Schwerbehindertenvertretung in Betrieb A nicht mehr bestehe und die schwerbehinderten Arbeitnehmenden des Betriebs A wie auch in der Vergangenheit bereits wieder von der Schwerbehindertenvertretung des Betriebs B mitbetreut würden.

Die Schwerbehindertenvertretung des Betriebs A machte ihren Fortbestand über den 1. August 2020 hinaus gerichtlich geltend. Sie ist der Auffassung, das Absinken der Zahl der in Betrieb A beschäftigten schwerbehinderten Menschen unter den Schwellenwert wirke sich für die Dauer der gesetzlichen Amtszeit von vier Jahren nicht auf die Existenz der Schwerbehindertenvertretung aus. Es [...]

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EuGH vereinheitlicht Verfall und Verjährung im Urlaubsrecht

Urlaubsansprüche verjähren erst dann, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten auf den Urlaubsanspruch hingewiesen und zur Urlaubsnahme aufgefordert hat – so der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom gestrigen Tag (EuGH, Urt. v. 22. September 2022, Az. C-120/21). Damit liegt es in der Hand des Arbeitgebers die Verjährungsfrist von drei Jahren in Gang zu setzen und die Geltendmachung von erhöhten Urlaubsabgeltungsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Wir beleuchten die Folgen des Urteils für die Praxis:

SACHVERHALT

Die Klägerin, vormals Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin in einer Kanzlei, klagte gegen ihren damaligen Arbeitgeber auf Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus 2017 und den Vorjahren. Die Klägerin hatte wegen hohen Arbeitsaufwands den ihr zustehenden Urlaub nicht vollständig in Anspruch nehmen können. Der Beklagte hatte die Klägerin weder aufgefordert Urlaub zu nehmen noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen könne. Gegen die Klage verteidigte der Beklagte sich unter anderem mit dem Einwand der Verjährung. Nachdem das Arbeitsgericht Solingen die Klage in erster Instanz hinsichtlich der nach nationalem Recht verjährten Urlaubsansprüche abgelehnt hatte, gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klägerin unter Beachtung unionsrechtlicher Vorgaben vollumfänglich Recht, weil der Beklagte die Klägerin nicht durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt habe, den Urlaub zu nehmen. Das BAG legte dem EuGH auf die Revision des Arbeitgebers hin die Frage vor (BAG, EuGH-Vorlage vom 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A)), ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist gestattet, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.

DIE ENTSCHEIDUNG

Nach dem Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts des EuGHs ist die gestrige Entscheidung des EuGHs keine Überraschung, sondern vielmehr Konsequenz der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten der Arbeitgeber im Urlaubsrecht. Das BAG hatte 2019 nach Entscheidung des EuGHs im Vorabentscheidungsverfahren festgestellt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 BUrlG) erlischt, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Beschäftigte den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Dies resultiere daraus, dass der Arbeitgeber bei unionskonformer Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs habe. Seither wurde die Frage des (Zeitpunktes des) Erlöschens von Urlaubsansprüchen rege diskutiert.

Der EuGH stellte in seinem gestrigen Urteil fest, dass es zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führen würde und dem unionsrechtlich verfolgten Zweck des Gesundheitsschutzes des Beschäftigten zuwiderliefe, wenn sich der Arbeitgeber auf die Verjährung der Ansprüche des Beschäftigten berufen könne, ohne ihn tatsächlich in die Lage versetzt zu haben, diese Ansprüche wahrzunehmen. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch Verjährung von Ansprüchen ist nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber sich aufgrund seines eigenen Versäumnisses hinsichtlich der Aufforderungs- und Hinweispflicht solchen Ansprüchen gegenübergestellt sieht. Die Folge ist, dass Urlaubsansprüche nicht verfallen oder verjähren und damit jederzeit, spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form eines Urlaubsabgeltungsanspruchs, geltend gemacht werden können, wenn der [...]

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Fragen und Antworten zum „Stechuhr“-Beschluss des BAG

Mit seinem Beschluss vom 13. September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) anlässlich eines Streits um Rechte des Betriebsrats bei der Arbeitszeiterfassung beiläufig mitgeteilt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer:innen zu erfassen. Auf eine entsprechende Antwort vom Gesetzgeber hatten viele seit dem sog. Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 vergeblich gewartet. Die Pressemitteilung des BAG hat sogar die Tagespresse merklich in Aufregung versetzt. Wir haben die wichtigsten Fragen beleuchtet.

WAS GESCHAH BISHER?

Bekanntlich hatte der EuGH (14. Mai 2019, C-55/18) entschieden, dass die Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) Mitgliedsstaaten verpflichtet, Arbeitgebern aufzugeben, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem/einer jeden Arbeitnehmer:in geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, um so die tatsächliche Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden sowie der täglichen (11 Stunden) und wöchentlichen (pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden) Mindestruhezeiten sicherzustellen. Die Aufregung war seinerzeit groß. Dann kam Corona sowie die damit zusammenhängenden neuen Arbeitsformen (home office, remote working, etc.) und die Frage nach der richtigen Arbeitszeiterfassung lag auf Eis – leider auch beim Gesetzgeber.

WAS HAT DAS BAG ENTSCHIEDEN?

Im Streit stand die Frage, ob der Betriebsrat kraft seines Mitbestimmungsrechts bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen nach § 87 Abs 1. Nr. 6 BetrVG vom Arbeitgeber im Wege eines Initiativrechts verlangen und ggf. über die Einigungsstelle erzwingen kann, ein elektronisches Zeiterfassungssystem einzuführen. Das ist eine seit einer Entscheidung des BAG aus 1989 mit „Nein“ zu beantwortende Frage. Allerdings hatte die Vorinstanz, das LAG Hamm, das anders gesehen und daher musste das BAG entscheiden. Der erste Senat bleibt bei seiner damaligen Linie, jedenfalls im Ergebnis und lehnte das Initiativrecht ab. Das überrascht nicht, denn die Folgen wären nicht absehbar gewesen, hätten Betriebsräte dem Arbeitgeber damit allerlei technische Überwachungseinrichtungen aufzwingen können. Dies wäre ein absurdes Ergebnis gewesen, weil die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG als Abwehrrecht des Betriebsrates vor solchen Einrichtungen gedacht ist. Immerhin das bleibt den Arbeitgebern also erspart.

WAS IST ÜBERRASCHEND AN DER ENTSCHEIDUNG?

Es hätte gereicht zu sagen, dass es bei der Linie des BAG bleibt und es kein Initiativrecht des Betriebsrats für technische Überwachungseinrichtungen gibt. Damit hat sich der erste Senat aber nicht zu begnügt, sondern stellt fest, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in unionsrechtskonformer Auslegung verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer:innen zu erfassen. Für den Rechtsstreit bedeutet das, dass der Betriebsrat schon deshalb kein Initiativrecht für eine Arbeitszeiterfassung hat, weil der Arbeitgeber dazu gesetzlich verpflichtet ist. Beim „ob“ der Arbeitszeiterfassung hat der Betriebsrat somit schon wegen der gesetzlichen Regelung nicht mitzubestimmen. Damit knüpft das Gericht an die damalige Entscheidung des EuGH an, die über § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG – vereinfacht ausgedrückt – jetzt unmittelbare Geltung beansprucht. Auf diese Idee kam, soweit ersichtlich, jedenfalls kein Arbeitsgericht und das lässt sich dann wohl als Überraschung auffassen.

HAT DER BETRIEBSRAT BEI DER ARBEITSZEITERFASSUNG DANN NOCH MITBESTIMMUNGSRECHTE?

Ja. So ganz ohne Mitbestimmungsrechte steht der Betriebsrat nicht da. Festgestellt hat das BAG nur, dass der Betriebsrat kein Initiativrecht für die Einführung eines [...]

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Der Staat lässt bitten – Update zur Inflationsprämie

Am 4. September 2022 haben die Koalitionsparteien das dritte und mit 65 Milliarden Euro umfangreichste Entlastungspaket mit Entlastungsmaßnahmen für Bürgerinnen und Bürger vorgestellt, hauptsächlich zur Abfederung steigender Energiekosten. Die neuen Maßnahmen sollen zügig umgesetzt werden – jedenfalls soweit die Länder dabei nicht beteiligt werden müssen. Ein Teil besteht darin, Unternehmen zu zusätzlichen Zahlungen an seine Beschäftigten zu motivieren.

In dem Beschlusspapier des Koalitionsausschusses vom 3. September 2022 heißt es, dass der Bund bereit sei, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten, einen Betrag von bis zu 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien. Hier werden Erinnerungen an die Corona-Prämie wach, bei welcher der Bund Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten ebenfalls von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben befreite. Allerdings erstreckte sich die Befreiung gerade einmal auf die Hälfte der jetzt diskutierten Inflationsprämie. Die Steuerfreiheit der Corona-Prämie lief am 31. März 2022 aus, sodass die Inflationsprämie zum Substitut mit Upgrade werden könnte.

Prämien fallen nicht einfach vom Himmel. Bei der Inflationsprämie handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Unternehmens. Entflammt wird die Hoffnung der Beschäftigten tarifgebundener Branchen auf die Inflationsprämie jedoch durch die Gewerkschaften, insbesondere jene, die gerade oder in naher Zukunft in Tarifverhandlungen mit Arbeitgeberverbänden stehen. So heißt es auch in dem Beschlusspapier, dass die „Konzertierte Aktion“, also Vertretern des Staates und der Deutschen Bundesbank sowie die Sozialpartner, darüber diskutieren, wie mit gestiegenen Preisen und damit einhergehenden Einkommensverlusten umgegangen werden kann und welche Lösungen die Sozialpartner entwickeln können. Es ist zwangsläufig damit zu rechnen, dass die Gewerkschaften in kommenden Tarifverhandlungen (wie in der Metall- und Elektroindustrie, der Chemieindustrie und im öffentlichen Dienst) die Inflationsprämie zum Verhandlungsgegenstand machen. Dabei darf aber nicht ausgeblendet werden, dass die Härten gestiegener Kosten, die mit der Inflationsprämie auf Arbeitnehmerseite ausgeglichen werden sollen, auch die Unternehmen stark treffen, die dann durch die Forderung nach den einmaligen 3.000 Euro für alle zusätzlich belastet werden. Was auf der Arbeitnehmerseite als Entlastung wirkt, hat den gegenteiligen Effekt für die Unternehmen, und zwar unabhängig davon, ob der Staat auf Einnahmen verzichtet.

Tarifungebundene Unternehmen bleiben in der Entscheidung, ob sie eine Inflationsprämie auszahlen, frei. Auch hinsichtlich der konkreten Gestaltung steht es zu ihrer Disposition, die Höhe der Prämie, beispielsweise im Rahmen einer Staffelung, zu bestimmen. Es spricht nichts dagegen, Beschäftigten, die durch ausschließliche Tätigkeit im Home-Office etwa stärker mit gestiegenen Energiekosten belastet sind, eine höhere Prämie zu gewähren. Stellt das Unternehmen solche Verteilungsgrundsätze bei der Höhe der Inflationsprämie auf, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – auch, wenn er die Prämie an sich nicht erzwingen kann. Wie bei der Corona-Prämie vielfach geschehen, wird daher gegebenenfalls eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der Inflationsprämie das Ziel sein.

Es steht jedoch fest, dass viele Unternehmen ihrerseits selbst mit der aktuellen Energiekrise, weltweiten Lieferengpässen und steigenden Preisen im Zuge der Inflation vor große Herausforderungen gestellt werden. Auch für sie sieht der Koalitionsausschuss Maßnahmen vor. So werden etwa die Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld über den 30. September 2022 hinaus verlängert sowie die bestehenden Maßnahmen für energieintensive Unternehmen verlängert und erweitert. Dennoch [...]

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Neue Corona-Arbeitsschutz-VO

Überarbeiteter Entwurf aus dem BMAS für die Zeit ab dem 1. Oktober 2022

Der nächste Corona-Herbst rückt näher und so war zu erwarten, dass Unternehmen erneut strengere Vorgaben gemacht werden, um das Risiko einer Coronainfektion im betrieblichen Umfeld zu reduzieren. Nachdem jedoch zunächst u.a. erneut eine Homeoffice-Angebotspflicht für Unternehmen vorgesehen war, wurde der Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales für eine neue Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchVO) nun deutlich entschärft. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 sollen demnach nun folgende Vorgaben gelten:

1. BETRIEBLICHES HYGIENEKONZEPT

Unternehmen müssen auch zukünftig auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung nach Maßgabe des Arbeitsschutzgesetzes ein betriebliches Hygienekonzept für die erforderlichen Schutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz erstellen. Das Hygienekonzept muss dabei auch in den Pausenbereichen und Pausenzeiten umgesetzt und den Arbeitnehmer:innen zugänglich gemacht werden.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind von Unternehmen insbesondere die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5m, die Sicherstellung der Handhygiene sowie Husten- und Niesetikette (hierzu gehört auch, Arbeitnehmer:innen zu unterweisen, bei Atemwegserkrankungen/-symptomen nicht am betrieblichen Arbeitsplatz zu erscheinen sowie die Vorgabe – sofern eine Coronainfektion ausgeschlossen werden konnte – möglichst Nase und Mund zu bedecken) sicherzustellen. Darüber hinaus ist das Lüften von Innenräumen und die Vermeidung oder Verminderung betriebsinterner Personenkontakte zu prüfen (bspw. durch digitale Kommunikationsmöglichkeiten oder auch Homeoffice). Sollte der Mindestabstand von 1,5m unterschritten werden, tätigkeitsbedingte Körperkontakte erforderlich sein oder sollten bei einem gleichzeitigen Aufenthalt mehrerer Personen in Innenräumen die technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen nicht ausreichen, haben Unternehmen ihren Arbeitnehmer:innen zudem medizinischen Mund-Nasen-Schutz zur Verfügung zu stellen. Für Arbeitnehmer:innen besteht in einem solchen Fall die Pflicht, diese auch zu tragen. Bei Verstößen kämen mithin arbeitsrechtliche Sanktionen (Abmahnung, Kündigung) in Betracht.

2. HOMEOFFICE

Zu den von Unternehmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfenden Maßnahmen zählt auch (weiterhin), Arbeitnehmer:innen mit geeigneten Tätigkeiten die Arbeitsleistungserbringung aus dem Homeoffice anzubieten, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen.

Diese neue Formulierung ist im Vergleich zum ursprünglichen Referentenentwurf aus dem BMAS deutlich abgeschwächt. Die Regelung, wonach auch ab dem kommenden Herbst für Unternehmen in Anlehnung an die letzte Corona-ArbSchVO noch eine Angebotspflicht vorgesehen war, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen, enthält der überarbeitete Entwurf nicht mehr.

Unabhängig davon, ob es sich um eine Angebotspflicht oder aber eine Angebotsprüfung handelt: Arbeitnehmer:innen sind weiterhin nicht verpflichtet, ein Angebot zur Arbeit im Homeoffice anzunehmen. Somit scheidet insbesondere die Möglichkeit aus, Arbeitnehmer:innen einseitig die Tätigkeit aus dem Homeoffice anzuordnen. Es bedarf vielmehr einer geeigneten Rechtsgrundlage (Arbeitsvertrag und/oder Betriebsvereinbarung), um Arbeitnehmer:innen ihre Tätigkeiten aus dem Homeoffice erbringen zu lassen.

3. CORONA-TESTS

Auch die im ursprünglichen Referentenentwurf noch enthaltene Pflicht für Unternehmen, zweimal wöchentlich kostenlose Corona-Test anzubieten, findet sich in dem aktuellen Entwurf nicht mehr wieder. Vielmehr soll – ebenfalls im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung – von Unternehmen nun nur noch zu prüfen sein, ob Arbeitnehmer:innen, die nicht ausschließlich von zu Hause arbeiten, zur Minderung des betrieblichen Infektionsrisikos regelmäßig kostenlose Corona-Test anzubieten sind. Eine Verpflichtung der Arbeitnehmer:innen, ein solches Testangebot anzunehmen, geht hiermit nicht einher.

4. SCHUTZIMPFUNGEN

Weiterhin verpflichtend soll für Unternehmen hingegen sein, ihren Arbeitnehmer:innen während der Arbeitszeit eine Corona-Schutzimpfung zu ermöglichen. Unternehmen sollen Betriebsärzte und [...]

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Anspruch des Betriebsrats auf ein Tablet oder Notebook

Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat mit Beschluss vom 14. März 2022 (Az. 16 TaBV 143/21) entschieden, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber zur Ermöglichung der Teilnahme seiner Mitglieder an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz die Überlassung von einem Tablet oder Notebook je Betriebsratsmitglied verlangen kann, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Die kürzlich veröffentlichten Entscheidungsgründe geben Anlass, sich genauer mit den Voraussetzungen und der Möglichkeit von Betriebsratssitzungen per Video- und Telefonkonferenz auseinanderzusetzen.

SACHVERHALT

Der aus drei Personen bestehende Betriebsrat einer Filiale eines bundesweit tätigen Unternehmens im Textileinzelhandel verlangte vom Arbeitgeber Tablets oder Notebooks für jedes Betriebsratsmitglied, um Betriebsratssitzungen per Videokonferenz durchführen zu können. Der Betriebsrat hatte eine Geschäftsordnung beschlossen, in der niedergelegt war, dass Präsenzkonferenzen Vorrang vor Videokonferenzen genießen, letztere jedoch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig sind. Als sachliche Gründe nannte die Geschäftsordnung unter anderem öffentlich-rechtliche Kontaktsperren, drohende Beschlussunfähigkeit wegen behördlich angeordneter Quarantäne gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats, keine alternative Räumlichkeit zur Sitzungsdurchführung, erhöhte Inzidenzwerte und Erkrankung von Mitgliedern des Betriebsrats. Der Arbeitgeber lehnte die Bereitstellung von Tablets oder Notebooks ab, woraufhin sich der Betriebsrat an das Arbeitsgericht wandte. Nachdem er bereits in erster Instanz Recht erhielt wurde die Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht Hessen bestätigt.

PFLICHT ZUR BEREITSTELLUNG VON INFORMATIONS- UND KOMMUNIKATIONSTECHNIK

Der Arbeitgeber muss für Sitzungen, Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung des Betriebsrates in erforderlichem Umfang unter anderem Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung stellen (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung obliegt jedoch dem Betriebsrat die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich ist. Dabei hat er die betrieblichen Verhältnisse und die sich stellenden Aufgaben zu berücksichtigen. Im vom Landesarbeitsgericht Hessen entschiedenen Fall benötigte der Betriebsrat die Technik, um seinen Mitgliedern die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz zu ermöglichen.

BETRIEBSRATSSITZUNG MITTELS VIDEO- UND TELEFONKONFERENZ

Im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes hat der Gesetzgeber Mitte vergangenen Jahres die Möglichkeit von Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz geschaffen (§ 30 Abs. 2 BetrVG). Gleichwohl gilt der gesetzlich verankerte Vorrang von Präsenzsitzungen (§ 30 Abs. 1 S. 5 BetrVG). Eine Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz darf davon abweichend nur stattfinden, wenn die Geschäftsordnung die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festlegt, nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Zur ordnungsgemäßen Durchführung der virtuellen Betriebsratssitzung hat der Vorsitzende in der Einladung mitzuteilen, ob die Sitzung in Form einer Video-/Telefonkonferenz stattfinden soll und eine angemessene Frist für den (nicht formgebundenen) Widerspruch der Betriebsratsmitglieder zu setzen. Widerspricht das erforderliche Quorum muss die anberaumte Sitzung als Präsenzsitzung stattfinden. Ein Verstoß hiergegen führt zur Unwirksamkeit gefasster Beschlüsse bzw. Ungültigkeit durchgeführter Wahlen.

Mit der Regelung zu Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz hat der Gesetzgeber allerdings einen wenig rechtssicheren Zustand geschaffen. Nach dem Gesetzeswortlaut bleibt unklar, ob die Geschäftsordnung die Voraussetzungen für eine virtuelle Sitzung rahmenmäßig festlegen muss und welche Rechtsfolgen eine unzureichende Ausgestaltung der Geschäftsordnung hat.

DIE ENTSCHEIDUNG

Ob die Geschäftsordnung die Voraussetzungen einer virtuellen Sitzung [...]

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