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Diskriminierung im Bewerbungsprozess? Was Sie als Arbeitgeber jetzt wissen sollten

Die Ampelkoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorgesehen. Ob dies in dieser Legislaturperiode tatsächlich noch geschieht, ist fraglich. Doch auch so ist das AGG bereits regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Zur Erinnerung: Das AGG hat zum Ziel, Benachteiligungen wegen ethnischer Herkunft, Rasse, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität zu verhindern. Insbesondere in Zusammenhang mit Bewerbungen ist das Konfliktpotenzial weiterhin groß. In den letzten Wochen und Monaten hat es erneut einige beachtenswerte Entscheidungen gegeben, über die wir nachfolgend einen Überblick geben:

  1. BAG, Urteil vom 23. November 2023 (8 AZR 212/22)

In dem Verfahren aus November letzten Jahres hatte sich eine Person mit einem Grad der Behinderung von 40 auf ein Förderpraktikum beworben. Bereits zuvor hatte sie die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX bei der zuständigen Agentur für Arbeit beantragt und im Bewerbungsverfahren hierauf hingewiesen. Eine Entscheidung über diesen Antrag lag jedoch noch nicht vor, als die Bewerbung auf das Praktikum durch den potenziellen Praktikumsgeber telefonisch abgelehnt wurde. Erst später wurde durch die Agentur für Arbeit rückwirkend die Gleichstellung mit schwebehinderten Menschen festgestellt. Daraufhin erging Klage auf Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund einer Behinderung. Das BAG hat diese Klage im Ergebnis abgewiesen. Die Entscheidung des BAG trifft gleich an mehreren Stellen wichtige Aussagen für die betriebliche Praxis:

  • Der Anwendungsbereich des AGG ist auch im Rahmen von Praktika eröffnet. Dies gilt jedenfalls für Praktika, die keine Pflichtpraktika nach hochschulrechtlichen Bestimmungen sind. Für letztere wurde die Frage ausdrücklich offengelassen. In jedem Fall erscheint die Beachtung der Antidiskriminierungsvorschriften und der Dokumentation der ordnungsgemäßen Entscheidung auch im Rahmen von Praktika sinnvoll, um sich im Nachgang der Entscheidung vor vermeintlichen Entschädigungsforderungen wirksam schützen zu können.
  • Die Ausschlussfrist für Entschädigungen nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG kann auch durch telefonische Absage auf eine Bewerbung in Gang gesetzt werden. Die für die Geltendmachung der Entschädigung erforderliche Schriftform kann wiederum durch Klageerhebung gewahrt werden. Die Berechnung der Frist und der mögliche Zugang der jeweiligen Erklärungen kann streitentscheidend sein und ist daher genau zu überprüfen.
  • Wenn über den Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen noch nicht entschieden ist, ist die Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung in den Bewerbungsprozess nach §§ 164 Abs. 1 S. 4, 178 Abs. 2 S.1 SGB IX nicht zwingend notwendig.

Am letzten Punkt scheiterte letztlich die Klage. Zwar gilt die Anerkennung einer Schwerbehinderung/Gleichstellung rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Anerkennung. Solange jedoch noch nicht positiv über den Antrag entschieden ist, gelten die Verfahrenspflichten für die Beteiligung der kollektiven Interessenvertretungen noch nicht. Da vor Abschluss des Bewerbungsverfahrens noch kein positiver Bescheid über die Gleichstellung des Klägers vorlag, war die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen.

  1. BAG, Urteil vom 23. November 2023 (8 AZR 164/22)

Mit einer Entscheidung vom gleichen Tag hatte das BAG außerdem darüber zu entscheiden, ob ein ausbleibendes Angebot eines neuen Termins für ein Vorstellungsgespräch, nachdem seitens der sich bewerbenden Person um eine Verlegung gebeten worden war, eine Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung darstellen kann und ob [...]

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Anspruch auf gleichwertiges Entgelt bei gleichwertiger Arbeit

BAG zum Entgeltgleichheitsgebot nach Art. 157 AEUV und § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG – Der zahnlose Tiger bekommt erste Klauen!

Im Jahr 2021 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) erstmals, dass ein aufgrund von §§ 10ff. Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) mitgeteiltes Mediangehalt männlicher Kollegen, das höher liegt als das Gehalt der Auskunft verlangenden Mitarbeiterin, einen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit gem. Art. 157 AEUV sowie § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG begründen kann (Urteil vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19). Es gilt insofern § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), sodass ein solches Mediangehalt die Vermutung einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts begründe, die von Arbeitgeber:innen widerlegt werden müsse (vgl. auch Blogbeitrag vom 10. März 2021: „Die Entscheidung zum Equal Pay Day: Vermutungsregel für Entgeltungerechtigkeit“).

Nun hatte das BAG (PM zu Urteil vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21) in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung darüber zu befinden, aufgrund welcher Umstände die Vermutung einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung in solchen Fällen widerlegt werden kann.

1. SACHVERHALT

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie mit 180 Mitarbeitern. Zum 1. Januar 2017 stellte sie einen neuen Mitarbeiter im Vertrieb ein und zum 1. März 2017 die Klägerin, ebenfalls als Mitarbeiterin im Vertrieb. Beiden bot sie im Rahmen der Vertragsverhandlungen ein monatliches Grundgehalt von EUR 3.500,00 brutto in der Einarbeitungszeit und ab dem 1. November 2017 eine zusätzliche, erfolgsabhängige Vergütung an. Die Klägerin akzeptierte das Angebot und vereinbarte daneben mit der Beklagten 20 Tage unbezahlte Freistellung pro Jahr. Der männliche Bewerber war mit dem Angebot nicht einverstanden und verlangte für die Dauer der Einarbeitungszeit bis zum 31. Oktober 2017 eine monatliche Grundvergütung in Höhe von EUR 4.500,00 brutto, welche die Beklagte akzeptierte. Nach der Einarbeitungszeit wurde die Grundvergütung des männlichen Kollegen abgesenkt, bevor es aufgrund weiterer vertraglicher Vereinbarungen mit der Beklagten mit Wirkung zum 1. Juli 2018 auf EUR 4.000,00 brutto wieder über das Grundgehalt der Klägerin angehoben wurde (bei gleichzeitiger Reduzierung der möglichen erfolgsabhängigen Vergütung).

Mit Wirkung zum 1. August 2018 trat sodann ein Haustarifvertrag bei der Beklagten in Kraft, der die Überführung der individuellen Entgelte der Beschäftigten in Entgeltgruppen vorsah. Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt höher war als das bisherige Entgelt der jeweiligen Mitarbeiter:innen, war eine gedeckelte Anpassung von nicht mehr als EUR 120,00 vorgesehen. Sowohl die Klägerin als auch ihr männlicher Kollege wurden in dieselbe Entgeltgruppe überführt, die ein Grundgehalt von EUR 4.140,00 brutto vorsah.

Wegen der tarifvertraglichen Deckelung betrug das Grundgehalt der Klägerin ab dem 1. August 2018 EUR 3.620,00 brutto; das ihres männlichen Kollegen EUR 4.120,00 brutto.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin die seit ihrer Einstellung entstandene Entgeltdifferenz zu ihrem männlichen Kollegen geltend, sowie eine angemessene Entschädigung wegen ungerechtfertigter Benachteiligung gem. § 15 AGG.

Die Klägerin sowie ihr männlicher Kollege hatten dieselben Verantwortlichkeiten und Befugnisse.

2. ENTSCHEIDUNG DER VORINSTANZEN

Sowohl die erste als auch die zweite Instanz wiesen die Klage jeweils ab.

Nach Ansicht des LAG Sachsen (Urteil vom 3. September 2021 – 1 Sa 358/19) sprächen die Indizien [...]

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Die Entscheidung zum Equal Pay Day: Vermutungsregel für Entgeltungerechtigkeit

Die Entscheidung zum Equal Pay Day: Das Bundesarbeitsgericht entschied am 26.01.2021, dass bei einer Klage auf gleiches Entgelt die Beweislastregel des § 22 AGG zur Geltung komme (Az. 8 AZR 488/19). Das EntgTranspG soll zu mehr Entgeltgerechtigkeit im Arbeitsleben führen. Hierfür sehen §§ 10ff. EntgTranspG einen Auskunftsanspruch in Betrieben mit mehr als 200 ArbeitnehmerInnen bei demselben Arbeitgeber vor. Unternehmen müssen dann das Vergleichsentgelt für die von der auskunftsverlangenden Person ausgeübte Tätigkeit im Betrieb mitteilen. Im zu entscheidenden Fall wurde der „auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete statistische Median“ des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage angegeben. Hier ergab sich dann, dass das Median-Entgelt der männlichen Kollegen das der Klägerin überstieg. Hierdurch seien Indizien i.S.d. § 22 AGG gegeben, die die regelmäßige Vermutung zulassen, dass eine Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ vorliege. Kann eine solche Vermutung nicht widerlegt werden, haben ArbeitnehmerInnen einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung der „gleichen“ Vergütung. Dem Papiertiger wachsen Zähne!




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