Gerichtliche „Anpassung nach oben“ verletzt Tarifautonomie

Dürfen die Arbeitsgerichte die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbarten Tarifverträge korrigieren? Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2024 zu Recht verneint.

Das BVerfG hat zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aufgehoben, die eine solche „Korrektur nach oben“ vorgenommen hatten. Den Urteilen lag jeweils folgender Sachverhalt zugrunde: Nachtschichtarbeiter von CocaCola sowie einer Hamburger Brauerei verklagten ihre Arbeitgeber, um höhere Zuschläge zu erhalten. In den Tarifverträgen der Unternehmen wurden Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit unterschiedlich behandelt. Die Tarifverträge sahen für Nachtarbeit einen Zuschlag von 50% vor, während Nachtschichtarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer einen Zuschlag in Höhe von 25 % erhielten. Das BAG sah in dieser Regelung einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Es stellte sich auf den Standpunkt, dass eine gleichheitswidrige Schlechterbehandlung von Nachtschichtarbeitnehmerinnen und – arbeitnehmern gegenüber solchen Arbeitnehmern vorliege, die außerhalb von Schichtsystemen Nachtarbeit leisten. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung läge nicht vor, weshalb eine rückwirkende Erhöhung der Zuschläge für Nachtschichtarbeit anzuordnen sei.

Das BVerfG sieht in den Entscheidungen des BAGs eine Verletzung der beschwerdeführenden Arbeitgeberinnen in ihre Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG). Die Auslegung des BAGs, dass eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes dazu führe, dass die tariflichen Zuschlagsregelungen für Nachtarbeit sowohl für Nachtarbeit als auch für Nachtschichtarbeit Anwendung fänden („Anpassung nach oben“), berücksichtigt die – ebenfalls durch das GG geschützte – Koalitionsfreiheit nicht in verfassungsrechtlich zutreffender Weise. Karlsruhe erkennt zwar an, dass die in kollektiver Privatautonomie handelnden Tarifvertragsparteien bei der Tarifnormsetzung den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG beachten müssen. Dennoch habe das BAG bei der Prüfung der Tarifverträge die Bedeutung der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 GG weder in seiner Reichweite noch in Bezug auf die Folgen seiner Verletzung ausreichend beachtet.

Das BVerfG betont den weiten Gestaltungsspielraum, den die Tarifautonomie den Tarifparteien bei der Regelung von Arbeitsbedingungen zuweise. Die gerichtliche Überprüfung sei daher darauf begrenzt, diesen Spielraum nur bei willkürlichen Differenzierungen einzuschränken. Die unterschiedliche Behandlung von Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit bewege sich noch in den Tarifparteien zugewiesenen Gestaltungsspielraum, da die unterschiedliche Behandlung dadurch sachlich zu rechtfertigen sei, dass diese auf unterschiedlichen sozialen Belastungen und der Planbarkeit der Arbeitszeiten beruhe. Diese Zwecksetzungen seien laut dem ersten Senat vom grundrechtlich geschützten Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien erfasst.

Zudem sei Teil der zwingend zu beachtenden Tarifautonomie auch die Auswahl der Mittel, um etwaige Gleichheitssatzverstöße zu korrigieren. Sobald mehr als ein Weg in Betracht komme, um eine unzulässige Ungleichbehandlung zu korrigieren, ist es Aufgabe der Tarifpartner, die Art der Korrektur auszuwählen. Es ist daher den Gerichten in diesen Fällen nicht erlaubt, anstelle der Tarifpartner selbst anzuordnen, wie die Ungleichbehandlung zu beseitigen ist, wie es das BAG mit der „Anpassung nach oben“ in den entschiedenen Fällen getan hatte. Die Fälle wurden zur neuen Entscheidung nach Erfurt zurückverwiesen.




EuGH zur Zukunft der (Datenschutz-)Betriebsvereinbarungen: Was ändert sich?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat festgestellt, dass Kollektivvereinbarungen (wie bspw. Betriebsvereinbarungen) nur dann eine rechtliche Grundlage für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten darstellen können, wenn sie strenge Kriterien erfüllen. Wir stellen Ihnen die EuGH-Entscheidung vom 19. Dezember 2024 (Aktenzeichen C-65/23) im Folgenden genauer dar.

Warum ist das wichtig?

Das Urteil betrifft eine der großen Fragen im Beschäftigtendatenschutz der letzten Jahre: Nach Art. 88 DSGVO, § 26 Abs. 4 können personenbezogene Daten von Beschäftigten auch auf Grundlage von Kollektivvereinbarungen (z.B. Betriebsvereinbarungen) verarbeitet werden. Unklar war bisher jedoch, ob und ggf. welcher Spielraum den Betriebsparteien bei der Gestaltung der Betriebsvereinbarung (und damit der Verarbeitung personenbezogener Daten) zusteht. Kann relativ frei auf spezifische Besonderheiten des Unternehmens eingegangen werden oder ist lediglich eine Konkretisierung der DSGVO-Vorschriften möglich, sodas der Handlungsspielraum der Betriebsparteien bei Erstellung von Betriebsvereinbarungen nur sehr begrenzt wäre?

Was sagt der EuGH?

Betriebsvereinbarungen sollen keine Umgehung der Verpflichtungen des Verantwortlichen oder gar des Auftragsverarbeiters bezwecken oder bewirken können. Anderenfalls wäre das Ziel der DSGVO, ein hohes Schutzniveau für die Beschäftigten im Fall der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext sicherzustellen, beeinträchtigt. Daraus folgt für den EuGH:

  • Ja, Betriebsvereinbarungen und Kollektivvereinbarungen können eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen.
  • Es ist ein „Ja, aber“, denn: Der Spielraum ist sehr begrenzt, auch Betriebsvereinbarungen, so der EuGH, müssen die allgemeinen Anforderungen der Art. 5, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1, 2 der DSGVO erfüllen. Das bedeutet u.a., dass immer auch eine allgemeine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO gegeben sein muss.
  • Insbesondere gilt dies auch für die Einhaltung des Kriteriums der Erforderlichkeit der Verarbeitung. Betriebsparteien haben einen eng umgrenzten Verhandlungsspielraum. Betriebsvereinbarungen dürfen gerade nicht dazu führen, dass die Voraussetzung der Erforderlichkeit weniger streng angewandt wird oder gar darauf verzichtet wird.
  • Allerdings: Die Betriebsparteien kennen ihren Betrieb, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Aufgaben sowie die spezifischen Herausforderungen, die sich im Unternehmen stellen. Sie verfügen also über eine grundsätzlich gute Expertise für die Beurteilung, ob eine Verarbeitung von Beschäftigtendaten in einem konkreten beruflichen Kontext „erforderlich“ im Sinne der DSGVO ist. Insoweit besteht allerdings auch eine umfassende gerichtliche Kontrolle, um die Einhaltung aller Voraussetzungen und Grenzen der DSGVO zu gewährleisten.

Was sollten Sie jetzt beachten?

Klar ist jetzt: Betriebsvereinbarungen sind für sich genommen keine eigenständige Rechtsgrundlage. Sie können stets nur zusammen mit einer der Rechtsgrundlagen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO die Verarbeitung von Beschäftigtendaten regeln. Daher sollte bei Neuverhandlungen und Überarbeitungen von (bestehenden) Betriebsvereinbarungen immer ausdrücklich aufgenommen werden, welche DSGVO-Rechtsgrundlage die Betriebsparteien für anwendbar halten. Aufgrund des Urteils des EuGH ist auch die Erforderlichkeit der Verarbeitung von Beschäftigtendaten kritisch zu hinterfragen. Die Erwägungen der Betriebsparteien, weshalb sie die Verarbeitung für erforderlich halten, sollten sich ebenfalls in der Betriebsvereinbarung wiederfinden.

Schließlich sollte auch die „Bürokratie“ rund um die Betriebsvereinbarung nicht vergessen werden. Sofern a) in den Datenschutzinformationen für Beschäftigte und b) im Verarbeitungsverzeichnis bisher allein die Betriebsvereinbarung als Rechtsgrundlage genannt ist, muss dies konsequenterweise um die zusätzliche allgemeine DSGVO-Rechtsgrundlage (z.B. Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Arbeitsvertrages oder Wahrung berechtigter Interessen) [...]

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Kein digitales Zugangsrecht – Gewerkschaft scheitert mit Klage gegen Adidas

Spätestens seit der Corona-Pandemie erfreut sich das Home-Office großer Beliebtheit: Rund ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet zumindest teilweise aus dem Home-Office. Doch während das mobile Arbeiten sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt, stellt es die – ohnehin über Mitgliederschwund klagenden – Gewerkschaften vor zunehmende Herausforderungen: Potenzielle Gewerkschaftsmitglieder, die von zu Hause aus arbeiten und nicht physisch auf dem Betriebsgelände erscheinen, sind schlicht schwieriger zu erreichen als ihre Kollegen, die täglich zur Arbeitsstätte pendeln und von den Gewerkschaften auf dem Firmenparkplatz angeworben werden können.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) nahm genau diese Herausforderung nun zum Anlass, von Adidas die Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen seiner Mitarbeitenden, Zugang zum konzernweiten sozialen Netzwerk Viva Engage sowie die Verlinkung ihrer Homepage auf der Startseite des Intranets des Sportartikelherstellers zu verlangen. In einer in der vergangenen Woche ergangenen Entscheidung erteilte das Bundesarbeitsgericht den Gewerkschaftsforderungen und damit einem „digitalen Zugangsrecht“ jedoch eine Absage.

In seiner Entscheidung (BAG, Urt. v. 28.01.2025, Az. 1 AZR 33/24) stellte der erste Senat um die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Inken Gallner klar, dass Arbeitgeber weder hinsichtlich bereits beschäftigter Arbeitnehmer noch hinsichtlich neu hinzukommender Arbeitnehmer dazu verpflichtet seien, dienstliche E-Mail-Adressen zum Zwecke der Mitgliederwerbung an die jeweils tarifzuständige Gewerkschaft herauszugeben. Zwar gewährleiste die in Art. 9 Abs. 3 GG normierte Koalitionsfreiheit die grundsätzliche Befugnis von Gewerkschaften, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen, allerdings resultiere daraus keine Verpflichtung von Arbeitgebern, die Mitgliederwerbung durch Übermittlung der E-Mail-Adressen selbst aktiv zu unterstützen. Neben den insofern betroffenen konkurrierenden Grundrechten des Arbeitgebers aus Art. 14 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG und der verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit seien die ebenfalls berührten Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu berücksichtigen und mit der Koalitionsfreiheit abzuwägen. Die von der Gewerkschaft erhobene Forderung bringe die betroffenen Rechte dabei nicht in einen angemessenen Ausgleich.

Auch mit ihren Anträgen auf Zugang zum konzerninternen sozialen Netzwerk und eine Verlinkung der Gewerkschafts-Homepage auf der Startseite des firmeneigenen Intranets scheiterte die Gewerkschaft. Die damit einhergehenden Beeinträchtigungen des Arbeitgebers übersteigen dem Bundesarbeitsgericht zufolge das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Interesse der Gewerkschaft an der Durchführung solcher Werbemaßnahmen. Insbesondere die Forderung nach Verlinkung im firmeneigenen Intranet finde aktuell keine Grundlage im Gesetz und könne mangels planwidriger Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz auch nicht auf § 9 Abs. 3 S. 2 BPersVG gestützt werden.

Ob der Gesetzgeber vor dem Hintergrund dieser Entscheidung tätig wird und mit der ausdrücklichen Normierung eines elektronischen Zugangsrechts auf den Wandel der Arbeitswelt reagiert, bleibt abzuwarten. Bis dahin bleibt den Gewerkschaften lediglich, auf klassischem Wege um Nachwuchs zu werben oder – wie das Bundesarbeitsgericht betont – potenzielle Mitglieder vor Ort im Betrieb nach ihrer dienstlichen E-Mail-Adresse zu fragen. Betroffene Unternehmen können bei vergleichbaren Gewerkschaftsanfragen hingegen – jedenfalls vorerst – getrost auf die Rechtsprechung aus Erfurt verweisen.




EU KI-Verordnung: Wenn die KI-Kompetenz zur Pflicht wird.

Für viele gehören KI-Tools wie Copilot und ChatGPT bereits heute zum Alltag. Die EU KI-Verordnung (KIVO) wird gerade deshalb erhebliche Auswirkungen auf viele Unternehmen haben, insbesondere im Beschäftigungskontext. Diese Verordnung zielt darauf ab, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der EU zu regulieren und sicherzustellen, dass KI-Systeme sicher und transparent eingesetzt werden. Wir beleuchten die wichtigsten Punkte, die Unternehmen beachten sollten.

Risikobasierter Ansatz

Die KIVO verfolgt einen risikobasierten Ansatz, bei dem KI-Systeme in drei Kategorien eingeteilt werden:

  • Verbotene Praktiken: Techniken, die die Entscheidungsfähigkeit von Personen beeinträchtigen oder deren Verhalten ausnutzen.
  • Hochrisiko-KI-Systeme: Systeme, die in kritischen Bereichen wie Beschäftigung und Personalmanagement.
  • KI-Systeme mit begrenztem Risiko: Systeme mit weniger strengen Anforderungen.

Hochrisiko-KI-Systeme im Beschäftigungskontext

Besonders relevant für Arbeitgeber sind KI-Systeme, die für Entscheidungen im Personalwesen eingesetzt werden, wie z.B.:

  • Einstellung oder Auswahl von Bewerbern;
  • Entscheidungen über Beförderungen und Kündigungen; oder
  • Zuweisung von Aufgaben basierend auf individuellem Verhalten oder persönlichen Merkmalen.

KI-Systeme mit diesem Einsatzgebiet sind regelmäßig als Hochrisiko-KI-System einzustufen, sodass besondere Anforderungen gelten. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den Anforderungen der KIVO vertraut zu machen und entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung zu ergreifen.

Darüber hinaus sind KI-Systeme als Teil von verschiedensten Anwendungen denkbar, die die Unternehmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Arbeitsabläufe einsetzen.

Spezifische Pflichten für Anbieter und Betreiber

Anbieter und Betreiber von KI-Systemen müssen verschiedene Pflichten erfüllen, darunter:

  • Sicherstellung der menschlichen Aufsicht über KI-Systeme durch Personen mit KI-Kompetenz.
  • Implementierung von Risikomanagement- und Qualitätsmanagementsystemen.
  • Transparenzverpflichtungen und Informationspflichten gegenüber betroffenen Personen.
  • Durchführung von Grundrechte-Folgenabschätzungen für Hochrisiko-KI-Systeme.

Unternehmen werden hier, bieten sie nicht selbst KI-Systeme an, vor allem in der Rolle der Betreiber betroffen sein.

Datenschutz und KI

Die KIVO und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) arbeiten Hand in Hand. Während die KIVO einen starken Fokus auf Produktsicherheitsaspekte hat, deckt die DSGVO die Rechte des Einzelnen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ab. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie beide Verordnungen einhalten.

Mitbestimmungsrechte

Die Einführung von KI-Systemen kann Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretungen betreffen. Unternehmen sollten die relevanten Beteiligungsrechte beachten und gegebenenfalls Rahmen-Betriebsvereinbarungen zum KI-Einsatz abschließen.

Fahrplan zur Umsetzung der KIVO

Die KIVO ist seit dem 1. August 2024 geltendes Recht. Um den Unternehmen ausreichend Zeit zur Umsetzung zu geben, erfolgt die Einführung der Vorschriften stufenweise. Hier ein Auszug der wichtigsten Daten:

  • 2. Februar 2025: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen müssen über ausreichende KI-Kompetenz verfügen, d.h. Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend schulen. Verbote für bestimmte KI-Praktiken treten in Kraft.
  • 2. August 2026: Start eines weiteren Teils der KIVO-Vorschriften, einschließlich spezifischer Anforderungen für Hochrisiko-KI-Systeme.
  • 2. August 2027: Anwendung der Vorschriften für Hochrisiko-KI-Systeme auf spezifisch regulierte Produkte.

Gerade für Unternehmen als Arbeitgeber und „Betreiber“ i.S. der KIVO ist der 2. Februar 2025 ein wichtiges Datum, um die KI-Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herzustellen.




Bewerber googlen? LAG Düsseldorf zur Zulässigkeit & Schadensersatzrisiko

LAG Düsseldorf: Hintergrund-Recherchen über Bewerber als Teil des üblichen Bewerbungsprozesses? Wie es in dem Zusammenhang zu einem Schadensersatzanspruch kommen kann.

Ein Arbeitgeber muss einem Bewerber 1.000 EUR als immateriellen Schadensersatz zahlen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf in einem aktuellen Fall (Urteil vom 10.04.2024 – 12 Sa 1007/23). Der Grund dafür war, dass der Arbeitgeber die DSGVO-Informationspflichten verletzt hatte, als er im Internet nach Informationen über den Bewerber suchte. Das LAG urteilte jedoch auch, dass die Hintergrundrecherche über einen Bewerber im Internet ein an sich zulässiger Teil der Vertragsanbahnung sein könne.

Anlass der Google-Recherche

Was war der Anlass für die Recherche? Ein Mitarbeiter des Arbeitgebers führte die Recherche durch, weil ihm der Name des Bewerbers bekannt vorkam und dieser bereits in der Vergangenheit Entschädigungsverlangen nach dem AGG geltend gemacht hatte.

Rechtsgrundlage der Google-Recherche

Die Datenschutzbehörden gehen grundsätzlich davon aus, dass die herkömmlichen Methoden im Bewerbungsverfahren, wie zum Beispiel Bewerbungsgespräche, Assessment-Center, Qualifikationen oder Arbeitszeugnisse, ausreichen, um einen guten Eindruck von dem Bewerber zu erhalten.

Das LAG Düsseldorf stellt in seinem Urteil nun fest, dass auch eine Online-Recherche ein normaler Teil der Vertragsanbahnung und damit des Bewerbungsverfahrens sein könne. Wie kommt das LAG darauf?

Die DSGVO gestattet als Vorstufe der eigentlichen Vertragserfüllung auch die Verarbeitung von Daten, die zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich sind, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b DSGVO). In die Kategorie dieser vorvertraglichen Maßnahmen fällt nach Ansicht des Gerichts auch die Durchführung des Bewerbungsverfahrens – mit der eigenen Bewerbung setze der Betroffene den Auswahlprozess in Gang und habe damit die Eigeninitiative an den Tag gelegt, die für eine Verarbeitung personenbezogener Daten auf Anfrage der betroffenen Person erforderlich sei.

Eine in diesem Zusammenhang durchgeführte Hintergrundrecherche bei Google werde zwar nicht direkt „auf Anfrage“ des Bewerbers durchgeführt – allerdings erstrecke sich dieses Merkmal auf jegliche Verarbeitung, die der Einstellungsentscheidung im Bewerbungsverfahren diene, so die Düsseldorfer Richter, da gerade diese Entscheidung vom Bewerber gewünscht werde. Nichts anderes könne damit für eine zu diesem Zweck durchgeführte Online-Hintergrundrecherche gelten.

Erforderlichkeit entscheidend

Dies heißt jedoch nicht, dass damit jede Art von Datenbeschaffung im Bewerbungsprozess gestattet ist. Eine wichtige und in der Erlaubnisnorm ausdrücklich vorgesehene Einschränkung ist das Kriterium der Erforderlichkeit. Die Verarbeitung ist nur in dem für den jeweiligen Auswahlprozess notwendigen Umfang erlaubt.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Recherche aus einem konkreten Anlass zweckbezogen auf das Auswahlverfahren. Dem Arbeitgeber lagen konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung und Geeignetheit des Bewerbers aufkommen ließen. Das LAG stellt auch klar, dass die Arbeitgeberin nicht dazu verpflichtet war, diesen Sachverhalt durch Fragen bei dem Bewerber aufzuklären. Wichtig war hier aber auch, dass sich die Arbeitgeberin auf eine Google-Recherche beschränkte und gerade nicht noch in (vorwiegend zu privaten Zwecken genutzten) sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram nach Informationen über den Bewerber suchte.

Informationspflicht des Arbeitgebers

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass der Arbeitgeber seine Informationspflichten gegenüber den Bewerbern bzgl. der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten ordnungsgemäß erfüllt. Der Arbeitgeber muss den Bewerber über die Datenerhebung informieren, und die [...]

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Private Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz: Endlich mehr Sicherheit für Arbeitgeber?

Private Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz: Endlich mehr Sicherheit für Arbeitgeber?

Nach bisheriger Auffassung der deutschen Datenschutzbehörden ist der Arbeitgeber bei gestatteter Privatnutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz an das Fernmeldegeheimnis gebunden. Damit geht eine erhebliche Einschränkung von Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten und ein Strafbarkeitsrisiko einher. Die Landesdatenschutzbehörde in Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) nimmt jetzt eine Kehrtwende vor: Für Arbeitgeber gelte das Fernmeldegeheimnis nicht, wenn sie die private Nutzung der betrieblichen E-Mail- oder Internetdienste erlauben oder dulden.

Wie war die Lage denn bisher?

Sofern der Arbeitgeber den Beschäftigten auch die private Nutzung des Internets und/oder des betrieblichen E-Mail-Postfaches gestattet oder duldet, soll er nach (bisheriger) Auffassung der Datenschutzbehörden an das Fernmeldegeheimnis gebunden sein. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Arbeitgeber bei einer Verletzung des Fernmeldegeheimnisses gemäß § 206 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar machen kann. Die Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses konnte nach dieser Auffassung nur dadurch vermieden werden, dass die Privatnutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz grundsätzlich untersagt wird.

Warum ist das wichtig?

Unter Beachtung dieser aufsichtsbehördlichen Auffassung war dem Arbeitgeber damit ein Zugriff auf Daten, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, ausschließlich mit Einwilligung der betreffenden Beschäftigten erlaubt. Dies betrifft im Rahmen der Internetnutzung insbesondere die Daten, aus denen sich ergibt, welche Internetseiten Beschäftigte wann aufgerufen haben. Für den Bereich der E-Mail-Kommunikation hat die Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses zur Folge, dass der Arbeitgeber grundsätzlich ohne Einwilligung der jeweiligen Beschäftigten nicht auf deren betriebliches E-Mail-Postfach zugreifen darf – auch nicht im Falle einer langfristigen und/oder ungeplanten Abwesenheit.

Und was gilt jetzt?

Die LDI NRW geht davon aus, dass statt der spezifischen telekommunikationsrechtlichen Regeln nun ausschließlich die Vorschriften der DSGVO Anwendung finden. Auch nach der DSGVO bedarf es einer Rechtsgrundlage für den Zugriff der Arbeitgeber auf die personenbezogenen Daten der Beschäftigten.

Das entspricht im Wesentlichen der Linie, der bisher schon viele deutsche Landesarbeitsgerichte gefolgt sind: Die gestattete Privatnutzung führt nicht zur Anwendung des Telekommunikationsrechts und insbesondere des Fernmeldegeheimnisses auf den Arbeitgeber, ein Schutz der Beschäftigten wird stattdessen über das allgemeine Datenschutzrecht erreicht, das ein ähnlich hohes Schutzniveau bietet.

Handlungsempfehlungen

Die Kehrtwende bei der LDI NRW ist erfreulich und sie betrifft nach ihrer Aussage wohl auch weitere Landesdatenschutzbehörden und den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Ob sich allerdings bereits alle deutschen Datenschutzbehörden dieser Auffassung angeschlossen haben, ist noch unklar. Es verbleibt also, auch angesichts einer nicht einheitlichen Rechtsprechung deutscher Gerichte, bei einer unsicheren Rechtslage.

Was sollten Unternehmen nun beachten?

Regelung der Privatnutzung: Es bleibt wichtig, die private Nutzung von Unternehmenskommunikationsmitteln schriftlich zu regeln, um Transparenz zu schaffen und Zugriffsmöglichkeiten rechtssicher zu gewährleisten. Es sollten Fragen des Zugriffs, der Protokollierung, der Auswertung und der Durchführung von Kontrollen eindeutig geklärt werden.

Datenschutz-Compliance: Der Zugriff auf E-Mail-Postfächer und Internet-Kommunikationsdaten von Mitarbeitern muss auf einer passenden datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage basieren, die auch in Zukunft keinen anlass-/grenzenlosen, sondern nur eingeschränkten Zugriff gewährleisten wird. Zudem sind die Beschäftigten auch künftig über mögliche Überwachungsmaßnahmen und Sanktionen zu informieren.

Trennung von geschäftlicher und privater Kommunikation: [...]

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Arbeitsrechtliche Konsequenzen für die Kampener „Rich Kids“

AUSLÄNDERHETZE ALS KÜNDIGUNGSGRUND?

Sie wollen „Deutschland den Deutschen“ vorbehalten, meinen damit ausschließlich sich selbst (nicht etwa die Kassiererin im Supermarkt) und grölen „Ausländer raus“. Sowohl ihre Kleidung als auch die Preise, die sie im früheren Stammlokal von Gunter Sachs für ihren Konsum zahlen müssen, lassen darauf schließen, dass Mama und Papa ihnen nicht nur das Taschengeld für ihre Saufgelage, sondern auch den grundsätzlichen Zugang zur Bildung finanziert haben. Dass dieser Zugang offenbar nicht einmal dazu taugt, einer solchen Clique die elementaren Werte unseres Gemeinwesens und seiner nun 75 Jahre alten Verfassung nachhaltig zu vermitteln, ist der eigentliche Skandal von Sylt. Weder Ermittlungen des Staatsschutzes noch hastige Mahnwachen auf der Whiskey-Meile können von diesem auch als Wohlstandsverwahrlosung bezeichneten Kernproblem ablenken. Soziale Sanktionierung ist gleichwohl oder gerade deshalb das Gebot der Stunde. Hier kommen die Arbeitgeber der Hetzer ins Spiel, weil der fristlose Verlust des Arbeitsplatzes sicher nicht ins Selbstbild dieser Gruppe passt. Aber rechtfertigen Vorfälle der Sylter Art eigentlich fristlose Kündigungen?

1. ENTSCHEIDEND IST DER BEZUG ZUM ARBEITGEBER

Influencerin Karl verkündet auf Instagram unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorfälle, die bei ihr angestellte Beteiligte fristlos entlassen zu haben. Kurz darauf folgt eine Werbeagentur mit ähnlich lautender Bekanntgabe. Ein Telekommunikationsunternehmen wird auf Instagram offen gefragt, wann es denn gedenke, seinen ausländerfeindlich grölenden Trainee endlich rauszuschmeißen.

Bei allem Verständnis für solche Reaktionen sind die Erfolgsaussichten einer fristlosen Kündigung nach streng arbeitsrechtlichen Maßstäben eher gering.

Fallen derartige Äußerungen im Betrieb des Arbeitgebers, können sie geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Tätigen Arbeitnehmer verfassungsfeindliche Äußerungen in ihrer Freizeit, betrifft dieses Verhalten indes grundsätzlich nicht das Arbeitsverhältnis.

Das LAG Niedersachsen erklärte mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 eine Kündigung eines Arbeitnehmers für unwirksam, der in einer Großraumdisco auf Mallorca mit einer der Reichskriegsflagge nachempfundenen Flagge hantierte. Das LAG hielt einen hinreichenden Bezug zum Arbeitgeber nicht für gegeben – obwohl der Name des Arbeitgebers in den Medien genannt wurde. Das LAG begründete dies damit, dass die namentliche Verknüpfung für den Arbeitnehmer nicht vorhersehbar gewesen sei und dass im Übrigen ein Bezug zur Tätigkeit als Maschinenschlosser gefehlt habe.

Dennoch kann im Einzelfall auch das Privatverhalten Anlass zum Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung geben. Neben der Position des Beschäftigten sind die öffentliche Betätigung und die Positionierung des Arbeitgebers von Bedeutung. Fallen rassistische Beleidigungen beispielsweise von Mitarbeitern öffentlicher Arbeitgeber oder lässt sich ein Bezug zum Arbeitgeber herstellen, kann die Annahme eines wichtigen Grundes gerechtfertigt sein. Denn aus der Rücksichtnahmepflicht folgt, dass Arbeitnehmer ihr außerdienstliches Verhalten so einzurichten haben, dass das Ansehen des (öffentlichen) Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Strafbare Handlungen außerhalb des Arbeitsverhältnisses, die einen Bezug zum Arbeitgeber aufweisen, sei es durch hervorgerufene staatliche Ermittlungen beim Arbeitgeber oder die Herstellung einer Verbindung in der Öffentlichkeit zwischen Straftat und Arbeitgeber, können zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigen.

Für die Mitarbeiterin einer Influencerin mit über 800.000 Followern könnte die Wirksamkeit der Kündigung daher anders zu bewerten sein als für den Maschinenschlosser in dem vom LAG Niedersachsen zu entscheidenden Fall. Die öffentlichkeitswirksame Tätigkeit erfordert ein [...]

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Kann man den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch „wegvergleichen“?

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO beschäftigt Unternehmen auf vielfältige Art und Weise. Zuletzt hatten die europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden diesbezüglich eine koordinierte Prüfaktion durchgeführt. Insbesondere im Arbeitsverhältnis ergeben sich Herausforderungen, die nicht nur komplexe juristischen Fragestellungen betreffen, sondern ganz praktisch den korrekten Umgang mit Auskunftsanfragen. Dementsprechend beschäftigen Fragen rund um die korrekte Erfüllung des Auskunftsanspruchs häufig die Gerichte.

Hohe Bedeutung, hoher Aufwand

Der Auskunftsanspruch hat große Relevanz u.a. dadurch erhalten, dass er im Kündigungsschutzprozess genutzt wird, um eine Art Ausforschung beim (ehemaligen) Arbeitgeber zu betreiben, dort möglichst viel Aufwand zu verursachen oder Fehler (z.B. ein Fristversäumnis) zu provozieren. Aufwand und Fehlerpotential potenzieren sich zudem in Abhängigkeit von Beschäftigungsdauer und Bedeutung der jeweiligen Tätigkeit. In der Folge können im ersten Schritt bis zu mehrere Tausend E-Mails und Dokumente Teil der Auskunft sein, die dann im zweiten Schritt auf entgegenstehende Rechte (z.B. Persönlichkeitsrechte anderer Beschäftigter, Geschäftsgeheimnisse usw.) überprüft und ggf. gekürzt/geschwärzt werden muss. Damit kann ein ganz erheblicher Aufwand verbunden sein.

Ausschluss des Auskunftsanspruchs im arbeitsgerichtlichen Vergleich

Wenn ein Arbeitsverhältnis beendet wird, kann es für den Arbeitgeber wünschenswert sein, sich vor möglichen zukünftigen datenschutzrechtlichen Forderungen seines Arbeitnehmers zu schützen. Dies gilt umso mehr, wenn es zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren kommt, bei dem am Ende das Ziel ist, das Arbeitsverhältnis im Einvernehmen zu beenden und dabei auch alle denkbaren gegenseitigen Ansprüche aus der Vergangenheit, als endgültigen Schlussstrich, endgültig zu erledigen.

Einige Fragen ergeben sich dabei: Erstens, ob die Art. 12 ff. DSGVO, vor allem Art. 15 DSGVO, die die Rechte der Betroffenen regeln, überhaupt den Parteien zur freien Vereinbarung offenstehen. Zweitens, ob diese Rechte durch einen gerichtlichen Vergleich aufgegeben werden können und wie ein solcher Vergleich gestaltet sein muss.

Die saarländische Datenschutzbehörde äußert sich im kürzlich veröffentlichten Tätigkeitsbericht 2023 hierzu eindeutig: „Das Datenschutzrecht wird (…) von dem Gedanken der Selbstbestimmtheit des Betroffenen getragen, was es vor allem durch das Institut der Einwilligung (…) unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Kann der Betroffene durch eine Einwilligung zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten seine Zustimmung erteilen und dieser Verarbeitung dadurch eine rechtliche Grundlage verleihen, so muss er auch eine Entscheidungsbefugnis dahingehend haben, ob und inwieweit er seine hierzu im Annex stehenden Betroffenenrechte ausübt bzw. auf diese verzichtet.“

Ausgestaltung des Vergleichs

Ein arbeitsgerichtlicher Vergleich mit einem Verzicht auf den Auskunftsanspruch muss klar und bestimmt sein. Nach der (unternehmensfreundlichen) Ansicht der saarländischen Datenschutzbehörde soll jedoch selbst eine Abgeltungsklausel, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung (egal ob bekannt oder unbekannt und egal weshalb) erfasst, für einen solchen Verzicht ausreichend sein.

Nach Ansicht der saarländischen Datenschutzbehörde ist eine solche Klausel hinreichend bestimmt. Selbst wenn der Vergleich nach seinem Wortlaut nur Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ umfassen sollte, sei dies irrelevant, da das Arbeitsverhältnis Grundlage für die Datenverarbeitung darstelle. Dementsprechend seien nicht nur arbeitsrechtliche Ansprüche im engeren Sinn, sondern auch datenschutzrechtliche Ansprüche gemeint, die mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen und für die das Arbeitsverhältnis Verarbeitungsbasis war.

Eine wesentliche Einschränkung macht die Behörde jedoch: Dem Arbeitnehmer muss insbesondere für noch nicht absehbare Datenverarbeitungen der Zukunft die Möglichkeit der [...]

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DSGVO-Schadensersatz: Keine Haftung für Unternehmen bei Fehlverhalten Beschäftigter?

Warum ist das relevant?

Bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht drohen Unternehmen insbesondere zwei Konsequenzen: Maßnahmen der Datenschutzaufsichtsbehörden inkl. möglicher DSGVO-Geldbußen nach Art. 83 DSGVO sowie Schadensersatzforderungen der betroffenen Personen nach Art. 82 DSGVO.

Nachdem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zuletzt bereits die Verhängung von Geldbußen durch die zuständigen Aufsichtsbehörden erleichtert hatte , wird es Unternehmen nun deutlich erschwert, sich durch Hinweis auf weisungswidriges Verhalten von Beschäftigten den Schadensersatzforderungen betroffener Personen zu entziehen (EuGH, Urteil vom 11. April 2024 – C‑741/21).

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der EuGH ist deutlich: Eine Haftungsbefreiung kommt überhaupt nur so weit in Betracht, wie sie nicht die praktische Wirksamkeit des in Art. 82 Abs. 1 DSGVO verankerten Schadensersatzanspruchs betroffener Personen gefährdet.
  • Dementsprechend stellt das Gericht klar, dass eine Haftungsbefreiung im Rahmen von Datenschutzverstößen nur dann möglich ist, wenn Unternehmen nachweisen können, dass sie in „keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich“ sind.
  • Bei der Prüfung einer irgendwie gearteten Verantwortlichkeit von Unternehmen ist im Hinblick auf das weisungswidrige Verhalten von Beschäftigten zu berücksichtigen, dass es sich bei den Beschäftigten eines Unternehmens um „dem Verantwortlichen unterstellte Personen“ i.S.d. Art. 29 DSGVO handelt. Diese Personen dürfen personenbezogene Daten ausschließlich auf Weisung des Verantwortlichen verarbeiten, sodass bei weisungswidrigem Verhalten der Ausschluss einer Haftung auf den ersten Blick naheliegt.
  • Unternehmen sind jedoch dazu verpflichtet, mittels technischer und organisatorischer Maßnahmen sicherzustellen, dass die Datenverarbeitung durch Beschäftigte auch wirklich nur weisungsgemäß stattfindet. Eine weisungswidrige Verarbeitung legt somit zunächst nahe, dass die Maßnahmen des Unternehmens zum Schutz gegen weisungswidriges Verhalten nicht ausreichend waren, sodass auch Haftungsausschluss nicht in Betracht kommt.
  • Die Frage, wie solche Maßnahmen aussehen könnten, die im Ergebnis zu einer wirksamen Haftungsbefreiung für Unternehmen führen könnten, wurde vom EuGH nicht beantwortet.
  • In der gleichen Entscheidung hat der EuGH zudem festgestellt, dass allein ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich genommen nicht ausreichend ist, um einen DSGVO-Schadensersatzanspruch zu begründen. Das Gericht hält jedoch fest, dass bereits ein kurzzeitiger „Verlust der Kontrolle“ einen „immateriellen Schaden“ i.S.d. DSGVO darstellen kann, der einen Schadensersatzanspruch begründet, sofern die betroffene Person den Nachweis erbringt, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten hat.

Handlungsempfehlung

Dies Urteil zeigt erneut: Einer guten Datenschutz-Organisation kommt ganz wesentliche Bedeutung zu. Klare Handlungs- und Organisationsanweisungen, insbesondere zum Umgang mit Betroffenenrechten (wie z.B. dem Auskunftsrecht), sind das Mindestmaß, das um regelmäßige Schulungen, Kontrollen der eigenen Compliance-Organisation und sonstige technische und organisatorische Maßnahmen zu ergänzen ist.




Krankenstand so hoch wie nie: Was können Arbeitgeber tun?

Die Statistiken sind eindeutig: Im Jahr 2023 fehlten Arbeitnehmer in Deutschland krankheitsbedingt durchschnittlich 15,2 Tage. Damit hat der Krankenstand in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht. Oft bestehen Bedenken, ob die Arbeitnehmer wirklich arbeitsunfähig sind und selbst wenn nicht, können die Einschränkungen im Betriebsablauf in Extremfällen nur schwer getragen werden. Allerdings sehen sich Arbeitgeber häufig machtlos, wenn sich Arbeitnehmer rechtzeitig ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bescheinigen lassen. Was sie trotzdem tun können, beleuchtet dieser Beitrag:

Häufige Kurzerkrankungen

In der Praxis erleben wir immer häufiger Fälle, in denen Mitarbeiter viele eher kürzere Neuerkrankungen haben und so immer wieder neue Entgeltfortzahlungszeiträume auslösen. Das kann neben der finanziellen Belastung auch zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf führen. Der Arbeitgeber ist mit Entgeltfortzahlungszeiträumen belastet, die deutlich über die vom Gesetzgeber an sich als Obergrenze vorgesehene Belastungsgrenze von sechs Wochen hinausgehen. Da allerdings Kurzausfälle meist eher auf leichteren Erkrankungen (Erkältungen, Magen-Darm Probleme, Kopfschmerzen etc.) beruhen, die jeweils vollständig auskuriert sind, ist die für eine Kündigung erforderliche negative Gesundheitsprognose nicht ohne Weiteres zu begründen. Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 3. 11. 2005 – 3 Sa 320/05, NZA-RR 2006) hat jedoch in einer älteren, aber aus unserer Sicht zu wenig beachteten Entscheidung festgestellt, dass auch Krankheiten, die

auf Grund einer persönlichen konstitutionellen Schwäche derart gehäuft aufgetreten sind, mithin angesichts unveränderter Lebensumstände auch künftig in ähnlichem Umfang auftreten werden

geeignet sein können, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Hierfür ist jedoch in aller Regel ein Referenzzeitraum von zwei Jahren notwendig. So hat das LAG Düsseldorf (Urteil vom 17.5.2022 – 14 Sa 825/21) entschieden, dass eine krankheitsbedingte Kündigung mit 36 Fehltagen im ersten und 82 Fehltagen im zweiten Jahr, rechtswirksam war.

Als Orientierungshilfe wird man jedenfalls sagen müssen, dass Krankheitstage in Höhe von weniger als 6 Wochen im Normalfall nicht ausreichen, um eine Kündigung zu tragen, denn für diesen Zeitraum müssen Arbeitgeber ohnehin Entgeltfortzahlung leisten. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn in diesem Zeitraum bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer für einen langen Zeitraum nicht arbeiten können wird. Bei einer solchen Dauererkrankung sind in Einzelfällen vier Monate als für eine Kündigung ausreichend lang angesehen worden. Hier kommt es jedoch immer auf den konkreten Fall an, allgemeine Aussagen lassen sich nicht treffen.

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit – Einstellung der Entgeltfortzahlung?

Wenn Arbeitgeber den begründeten Verdacht haben, dass der Arbeitnehmer seine Krankheit nur vortäuscht, allerdings keine stichhaltigen Beweise vorliegen, liegt eine Handlungsmöglichkeit darin, die Entgeltfortzahlung einzustellen. Dem Arbeitnehmer bleibt dann nur der Weg zum Gericht. In einem Prozess wird der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit konkreten Zweifeln am Vorliegen einer Erkrankung erschüttern müssen. Das kann der Fall sein, wenn die Erkrankung passgenau die verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt oder aber auch dann, wenn der Sechs-Wochen-Zeitraum der Entgeltfortzahlung abgelaufen ist und sich passgenau eine Neuerkrankungen anschließt. In diesen Fällen bringt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitnehmer nur wenig. Er muss zusätzlich darlegen und ggf. beweisen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sich in welcher Weise auf seine Arbeitsfähigkeit ausgewirkt haben. Außerdem muss er die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden. Nur wenn das Gericht dann, möglicherweise nach Zeugenbefragung der Ärzte, von [...]

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