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Gefälschter Impfnachweis – wichtiger Grund für außerordentliche Kündigung

In zwei Entscheidungen hat das LAG Düsseldorf kürzlich deutlich gemacht, dass die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann (Az. 8 Sa 326/22 bzw. 3 Sa 374/22). Damit bestätigt es die Ansicht einiger erstinstanzlicher Gerichte.

1. DIE ENTSCHEIDUNGEN DES LAG DÜSSELDORF

Gleich in zwei Fällen hatte das LAG Düsseldorf darüber zu entscheiden, ob die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.

In einem Fall legte der klagende Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber ein digitales EU-Impfzertifikat vor, um den Anforderungen der damals geltenden 3G-Regelung zu genügen. Das Zertifikat war von einer Berliner Ärztin ausgestellt, gegen welche bereits wegen des Verdachts auf illegalen Handel mit gefälschten Impfnachweisen ermittelt wurde. Der Arbeitnehmer war zudem an beiden Tagen der angeblichen Verabreichung der Impfdosen arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit dem Vorwurf der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises im Beisein des Betriebsrats konfrontiert hatte, kündigte er dem Arbeitnehmer anschließend nach erfolgter Be-triebsratsanhörung fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht.

Das Arbeitsgericht Duisburg gab der dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage im März dieses Jahres statt. Zwar stelle die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises einen wichtigen Grund dar. Doch ließe sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen, dass der Impfnachweis tatsächlich gefälscht gewesen sei. Die Beweislast dafür trage der Arbeitgeber. Auch die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung seien nicht erfüllt, da der Betriebsrat zu einer solchen nicht angehört worden sei.

Das LAG bestätigte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, dass die Vorlage einer Impfnachweis-Fälschung einen Grund für die fristlose Kündigung darstellen könne. Zur streitigen Frage des Vorliegens einer Fälschung sei aber eine Beweisaufnahme nötig, weshalb das LAG lediglich einen Beweisbeschluss erließ. Die Verhandlung wird nun fortgesetzt.

Parallel dazu hatte das LAG Düsseldorf über eine weitere außerordentliche Kündigung wegen der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises zu entscheiden. Auch in diesem Verfahren machte das Gericht in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass die Fälschung grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstelle. Die außerordentliche Kündigung scheiterte in diesem Fall aber an der Interessenabwägung. Der Kläger war bereits seit 19 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und räumte die Fälschung auf Vorhalt sofort ein. Außerdem müsse sich die Beklagte selbst einen (inhaltlich bisher nicht näher bekannten) Verstoß gegen § 28b IfSG vorhalten lassen. Auch die ordentliche Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis nicht beenden, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde.

2. AUSBLICK

Die Entscheidungen des LAG Düsseldorf bestärken Arbeitgeber im Umgang mit gefälschten Impfnachweisen, auch wenn deren Bedeutung jedenfalls im Moment gering ist. Die Entscheidungen dürften aber dennoch richtungsweisend für ähnliche Pflichtverletzungen von Arbeitnehmenden in der Zukunft sein.

Deutlich wurde in diesem Zusammenhang erneut die Wichtigkeit der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates. Insbesondere sollten Arbeitgeber genau prüfen, ob sie den Betriebsrat nicht vorsorglich zu einer Verdachtskündigung angehören, sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Pflichtverletzung nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne.




Öffentlichmachung von Prozessakten mit sensiblen Daten als fristloser Kündigungsgrund?

Nach einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25. März 2022 (7 Sa 63/21) kann die (betriebs-)öffentliche Zugänglichmachung von Schriftsätzen aus arbeitsgerichtlichen Verfahren mittels Dropbox, in denen u.a. Gesundheitsdaten von anderen Mitarbeitern enthalten sind, sogar die außerordentliche Kündigung eines langjährig beschäftigten Mitarbeiters und Betriebsratsmitglieds rechtfertigen. Zumindest auf der Grundlage der Pressemitteilung – und in Unkenntnis der Entscheidungsgründe des vollständigen Urteils – wirft der Kündigungssachverhalt insbesondere die Frage auf, in welchen Fällen und inwieweit Mitarbeiter an das Datenschutzrecht, insbesondere nach der DSGVO, gebunden und Verstöße hiergegen als Kündigungsgrund geeignet sind.

SACHVERHALT UND ARBEITSGERICHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN

Der gekündigte Mitarbeiter war bereits seit über 20 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigt und über 15 Jahre Mitglied des Betriebsrats. Die außerordentliche Kündigung, der der Betriebsrat nach § 103 BetrVG zustimmte, beruht auf dem Vorwurf, dass der Mitarbeiter Schriftsätze aus einem vorherigen Kündigungsschutzverfahren zwischen den Arbeitsvertragsparteien betriebsöffentlich bzw. einem größeren Verteilerkreis mittels Dropbox zugänglich gemacht hatte. In den Schriftsätzen waren insbesondere Gesundheitsdaten weiterer Mitarbeiter unter voller Namensnennung erhalten.

In der ersten Instanz hielt das Arbeitsgericht die außerordentliche Kündigung für wirksam, weil der Mitarbeiter durch sein Verhalten gegen Bestimmungen des Datenschutzes verstoßen habe. Dagegen wandte sich der Mitarbeiter mit seiner Berufung und argumentierte, dass ein Datenschutzverstoß von vornherein ausscheide, da die DSGVO gemäß Art. 2 Abs. 2c DSGVO nicht anwendbar sei. Nach Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO findet die DSGVO keine Anwendung auf natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten.
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung jedoch ab, wobei es nicht mehr auf einen Datenschutzverstoß abstellte. Der Arbeitnehmer habe, indem er die Schriftsätze durch einen beliebig weitervertreibbaren Link öffentlich zugänglich machte, eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung der Persönlichkeitsrechte der in den Schriftsätzen namentlich benannten Personen begangen. Dieses Verhalten könne auch nicht durch u.a. Verteidigungsinteressen des Arbeitnehmers gerechtfertigt werden.

WEN BINDET DIE DSGVO?

Wie sich aus dem zuvor genannten Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO, der auch als „Haushaltsausnahme“ bezeichnet wird, ergibt, sind Personen bei ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeit nicht an die DSGVO gebunden. Dazu im Gegensatz stehen berufliche Tätigkeiten, die wiederum in den Anwendungsbereich des DSGVO fallen. Danach sind Verstöße gegen die DSGVO von Arbeitnehmern während ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit grundsätzlich geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen.

Im vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall ging es hinsichtlich der Veröffentlichung der Prozessakten offensichtlich nicht um eine Datenverarbeitung, die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zu Arbeitszwecken erfolgte, sondern um das – nach eigener Aussage des Mitarbeiters – Anliegen, Transparenz hinsichtlich des damaligen Kündigungssachverhalts zu schaffen. Folgerichtig hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Kündigung wohl auch nicht mehr auf einen potenziellen Datenschutzverstoß gestützt.

WORIN LIEGT DER MAßGEBLICHE ARBEITSRECHTLICH RELEVANTE VERSTOß?

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg stützt sich ausweislich der Pressemitteilung auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung der Schriftsätze. Zunächst ist festzustellen, dass es keine explizite Norm gibt, wonach die Veröffentlichung von zivilrechtlichen Prozessakten untersagt ist. Gleichzeitig finden arbeitsgerichtliche Verhandlungen grundsätzlich öffentlich statt. Insofern besteht hinsichtlich der Prozessinhalte bereits keine besondere Vertraulichkeit, eher im Gegenteil. Davon abgesehen dürften Gesundheitsdaten anderer Mitarbeiter, die nicht aufgrund der konkreten Tätigkeit im Betrieb, sondern „beiläufig“ bekannt werden, nicht unmittelbar der [...]

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