Arbeitszeiterfassung
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Neues zur Arbeitszeiterfassung – Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes

Seit dem 18. April 2022 liegt nun der lang erwartete (Referenten-)Entwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und zur Regelung der Arbeitszeiterfassung vor („RefE-ArbZG“). Damit reagiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unmittelbar auch auf den zuletzt kritisch diskutierten Beschluss des BAG vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21), in welchem es aus § 3 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz mittels einer unionsrechtskonformen Auslegung eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung hergeleitet hatte.

Leider enttäuscht der RefE-ArbZG alle zuvor verbreiteten Forderungen und Hoffnungen auf eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes und darauf aufbauend eine flexible Handhabung der Arbeitszeiterfassung. Stattdessen sieht der Referentenentwurf eine weitgehend starre Verpflichtung zur täglichen und ausschließlich elektronischen Erfassung des Beginns, des Endes und der Dauer der täglichen Arbeitszeit vor.

Zudem finden sich auch noch Widersprüche. So sollen „Führungskräfte, herausgehobene Experten und Wissenschaftler“ zwar nach der Begründung von den starren Regelungen zur Arbeitszeiterfassung befreit sein, der Entwurf sieht eine solche Möglichkeit zur Befreiung jedoch nur über eine Regelung der Tarifpartner vor. Selbst wenn man außen vor lässt, dass eine Ausnahme ausschließlich für Regelungen der Tarifparteien sachlich kaum begründbar ist, wird eine flexible Regelung so gerade für hochbezahlte Führungskräfte und sämtliche Branchen, in denen es keine Tarifverträge gibt, faktisch ausgeschlossen. Die Ausnahmeregelung, auf die spätestens seit September 2022 alle warten, ist daher praktisch weitgehend untauglich.

Der Entwurf lässt sich daher eher als politisches Signal des BMAS im Sinne eines Bekenntnisses zu Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung einordnen denn als ernsthafter Versuch, die selbst formulierten Ziele einer Flexibilisieung gesetzlich zu regeln. Es ist davon auszugehen, dass der Referentenentwurf lediglich ein Entwurf bleiben und nun konkreter Ausgangspunkt für Diskussionen um eine umfassende Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes sein wird.

Zu den einzelnen Regelungen:

1. UMFASSENDE PFLICHT ZUR ARBEITSZEITERFASSUNG

Die grundlegende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ergibt sich aus dem folgenden § 16 Abs. 2 RefE-ArbZG:

„(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Er hat ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Absatz 7 eingewilligt haben. Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise nach Satz 1 und 2 mindestens zwei Jahre aufzubewahren.“

Danach sind im Ausgangspunkt ausnahmslos der Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit durch den Arbeitgeber elektronisch aufzuzeichnen. Eine analoge Aufzeichnung ist danach grundsätzlich (vorbehaltlich der im Folgenden dargestellten Ausnahmen) unzulässig. Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung wird nicht vorgeschrieben. Nach der Begründungen des RefE-ArbZG kämen z.B. elektronische Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme (Excel) in Betracht. Womöglich aus Gründen der Vereinfachung soll auch eine sogenannte „kollektive Arbeitszeiterfassung“ durch die Nutzung und Auswertung elektronischer Schichtpläne möglich sein, sofern sich aus diesen der Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit einzelner Arbeitnehmer ergebe und etwaige Abweichungen (z.B. Fehlzeiten und zusätzliche Arbeitszeiten) gesondert elektronisch erfasst werden. Am Ende wäre danach weiterhin eine individuelle Erfassung notwendig, da nahezu ausgeschlossen ist, das Schichtpläne minutengenau die tatsächliche Arbeitszeit widerspiegeln.

Diese elektronische Zeiterfassung muss zudem am Tag der Arbeitsleistung erfolgen. Die danach täglich erstellten Arbeitszeitnachweise sind zudem [...]

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Untreue bei zu hoher Vergütung von Betriebsräten? BGH, Urteil 10.01.2023 – 6 StR 133/22

Der BGH hat am 10. Januar 2023 die erstinstanzlichen Freisprüche vier früherer VW-Manager wegen des Vorwurfs der Untreue aufgehoben. Die schriftliche Urteilsbegründung war mit großer Spannung erwartet worden. Nun ist sie da.

Um es vorwegzunehmen: Das BGH-Urteil hat ganz erhebliche praktische Konsequenzen. Dies liegt vor allem daran, dass der BGH die Risiken für vorsätzliches Handeln stark verschärft. So hatte das LG Braunschweig entschieden, dass die Angeklagten zwar aufgrund vermeintlich zu hoher Vergütungen von Betriebsräten objektiv den Tatbestand der Untreue verwirklicht haben. Allerdings hätten die Angeklagten, so die erste Instanz, ohne Vorsatz gehandelt. Denn die Angeklagten hatten durchaus Risiken gesehen. Bei VW gab es daher eine Kommission und die Manager ließen sich auch umfassend rechtlich beraten. Die rechtliche Beratung kam durchweg zu dem Ergebnis, dass die Vergütungssprünge gerechtfertigt seien. Die Manager hätten daher einem Tatbestandsirrtum unterlegen und unvorsätzlich gehandelt.

Dem wollte der BGH nicht folgen: Bei einem Handeln – wie hier – im „rechtlichen Grenzbereich“ läge eher ein Verbotsirrtum nahe. Dieser sei zudem wohl vermeidbar. Wird wie hier in der arbeitsrechtlichen Literatur kontrovers diskutiert, ob Vergütungserhöhungen für Betriebsräte in vergleichbaren Konstellationen rechtmäßig seien, dürfen sich Manager laut BGH wohl nicht auf Gutachten verlassen, die „rechtlichen Flankenschutz“ gewähren sollen.

Für Unternehmen bedeutet dies: Bestehen rechtliche Unsicherheiten bei Vergütungsentscheidungen, sollten diese zur Vermeidung rechtlicher Risiken im Zweifel unterbleiben. Auch sollten in der Vergangenheit erfolgte Entscheidungen überprüft werden.

Bei der arbeitsrechtlichen Bewertung liegt der BGH grundsätzlich auf Linie mit dem BAG und der überwiegenden Literatur. So entsprach es schon bisher herrschender Auffassung, dass für die Vergütung von Betriebsräten nicht die Betriebsratstätigkeit, wie etwa ein Verhandeln mit Managern und Vorständen „auf Augenhöhe“, als solche herangezogen werden kann. Auch galt schon bisher Zurückhaltung, was die Anerkennung von im Betriebsratsamt erlangten Qualifikationen angeht. Insoweit hat der BGH überraschend für Klarheit gesorgt, sodass nun zumindest im Betriebsratsamt erlangte Qualifikationen berücksichtigt werden dürfen, die einen Bezug zur vor Amtsübernahme ausgeübten Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds aufweisen. Beispielhaft sei auf Fälle verwiesen, in denen ein Betriebsratsmitglied, welches vor Amtsübernahme im Rechnungswesen tätig war, durch die Amtstätigkeit vertiefte Bilanzkenntnisse erlangte.

Soweit in der Wirtschaftspresse unmittelbar nach Urteilsverkündung die Auffassung geäußert worden ist, der BGH habe die Rechtsprechung des BAG zu hypothetischen Karrieren verworfen, ist dem nicht zu folgen. Denn der BGH liegt wie erwähnt arbeitsrechtlich auf Linie des BAG. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass hypothetische Karrieren, deren grundsätzliche Zulässigkeit jahrzehntelange gefestigte BAG-Rechtsprechung ist, künftig nicht mehr zulässig sind. Bedauerlicherweise könnten Unternehmen allerdings zu noch größerer Zurückhaltung hinsichtlich hypothetischer Karrieren gezwungen werden, als dies heute schon der Fall ist. Angesichts der Andeutung des BGH, dass kontrovers diskutierte Rechtsfragen einen bedingten Vorsatz begründen können, bestünde ein solches Risiko, wenn die hypothetische Karriere aufgrund der BGH-Entscheidung durch Stimmen in der Literatur künftig ernsthaft in Frage gestellt werden würde. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich die Literatur bei der Rezension der BGH-Entscheidung eindeutig pro Zulässigkeit hypothetische Karriere positionieren wird.

Fazit: Wie etwa bei der Arbeitszeiterfassung ist auch hier der Gesetzgeber gefragt und wird sich der Thematik – wie verschiedentlich zu hören ist – auch [...]

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Update zum „Stechuhr“-Beschluss des BAG

Nach dem sog. „Stechuhr“-Beschluss des Bundesarbeitsgerichts („BAG“) vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21), über welchen wir auf unserem Blog hier berichteten, wurde der volle Entscheidungstext zur bisher lediglich vorliegenden Pressemitteilung des Beschlusses mit Spannung erwartet. In den jetzt vorliegenden Entscheidungsgründen gibt das BAG einige Antworten auf vielgestellte Fragen, bleibt (erwartungsgemäß) allerdings bei detaillierten Ausführungen zum Arbeitszeiterfassungssystem zurückhaltend.

DIE ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

In den Entscheidungsgründen werden ausgiebig alle in Betracht kommenden nationalen und europäischen Rechtsgrundlagen für die Begründung einer nationalen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 (C-55/18) betrachtet. Das BAG sieht allein in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) eine geeignete Vorschrift, dessen Tatbestand ausreichend Raum für eine unionsrechtskonforme Auslegung dahingehend biete, dass Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer:innen verpflichtet sind. Solange seitens des Gesetzgebers keine den § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG (oder die Arbeitszeitrichtlinie) konkretisierenden Regelungen getroffen werden, besteht laut BAG ein Spielraum des Arbeitgebers (ggf. gemeinsam mit dem Betriebsrat) bei der Umsetzung eines Arbeitszeiterfassungssystems, in dessen Rahmen u.a. die Form dieses Systems festzulegen ist. Für die Erfüllung der Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit gelten gemäß BAG folgende Voraussetzungen:

  • Das Zurverfügungstellen eines Zeiterfassungssystems reicht nicht aus, es muss auch tatsächlich in Gebrauch genommen werden.
  • Das geforderte System darf sich nicht darauf beschränken, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) lediglich zu „erheben“. Vielmehr müssen diese Daten auch erfasst und damit aufgezeichnet werden, sodass insbesondere die Lage der täglichen Arbeitszeit überprüfbar ist.
  • Bei der Auswahl eines Systems sind die Besonderheiten des jeweils betroffenen Tätigkeitsbereichs der Arbeitnehmer:innen und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seine Größe – zu berücksichtigen.
  • Die Erfassung muss nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen. Es können beispielweise Aufzeichnungen in Papierform – je nach Tätigkeit und Unternehmen – genügen.
  • Eine Delegation der Aufzeichnung der Arbeitszeit an die Arbeitnehmer:innen ist nach unionsrechtlichen Vorgaben möglich.
  • Bei der Auswahl und näheren Ausgestaltung ist zu beachten, dass die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer:innen Zielsetzungen darstellen, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen.

Danach ist Arbeitszeiterfassung beispielsweise sowohl per App (unter Berücksichtigung von datenschutzrechtlichen Vorgaben auch bei Installation auf dem Privathandy) als auch per Excel-Sheet (digital oder ausgedruckt) möglich. Wird die Zeiterfassung an die Arbeitnehmer:innen delegiert, ist anzunehmen, dass Arbeitgeber dadurch nicht von jeglicher Verantwortung frei werden, sondern zur regelmäßigen Kontrolle der Zeiterfassungserfassung verpflichtet bleiben.

Dem Betriebsrat steht zudem – derzeit und damit vorbehaltlich künftiger gesetzlicher Bestimmungen – für die Ausgestaltung des im Betrieb zu verwendenden Systems (also das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung) ein Initiativrecht zu (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG).

AUSNAHMEN VON DER ARBEITSZEITERFASSUNG

Offen bleibt, ob sich die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung nicht auf Arbeitnehmer:innen erstrecken muss, für die der Gesetzgeber (an anderer Stelle) von der Erstreckung der Bestimmung zur Arbeitszeit ausdrücklich abgesehen hat. Der Gesetzgeber sieht in §§ 18 – 21 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Ausnahmen von der Geltung des Arbeitszeitgesetzes für sog. leitende Angestellte, Chefärzte und weitere Berufsgruppen (z.B. Binnenschiffer; Flugzeugbesatzung) vor (teilweise gelten [...]

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Fragen und Antworten zum „Stechuhr“-Beschluss des BAG

Mit seinem Beschluss vom 13. September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) anlässlich eines Streits um Rechte des Betriebsrats bei der Arbeitszeiterfassung beiläufig mitgeteilt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer:innen zu erfassen. Auf eine entsprechende Antwort vom Gesetzgeber hatten viele seit dem sog. Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 vergeblich gewartet. Die Pressemitteilung des BAG hat sogar die Tagespresse merklich in Aufregung versetzt. Wir haben die wichtigsten Fragen beleuchtet.

WAS GESCHAH BISHER?

Bekanntlich hatte der EuGH (14. Mai 2019, C-55/18) entschieden, dass die Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) Mitgliedsstaaten verpflichtet, Arbeitgebern aufzugeben, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem/einer jeden Arbeitnehmer:in geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, um so die tatsächliche Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden sowie der täglichen (11 Stunden) und wöchentlichen (pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden) Mindestruhezeiten sicherzustellen. Die Aufregung war seinerzeit groß. Dann kam Corona sowie die damit zusammenhängenden neuen Arbeitsformen (home office, remote working, etc.) und die Frage nach der richtigen Arbeitszeiterfassung lag auf Eis – leider auch beim Gesetzgeber.

WAS HAT DAS BAG ENTSCHIEDEN?

Im Streit stand die Frage, ob der Betriebsrat kraft seines Mitbestimmungsrechts bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen nach § 87 Abs 1. Nr. 6 BetrVG vom Arbeitgeber im Wege eines Initiativrechts verlangen und ggf. über die Einigungsstelle erzwingen kann, ein elektronisches Zeiterfassungssystem einzuführen. Das ist eine seit einer Entscheidung des BAG aus 1989 mit „Nein“ zu beantwortende Frage. Allerdings hatte die Vorinstanz, das LAG Hamm, das anders gesehen und daher musste das BAG entscheiden. Der erste Senat bleibt bei seiner damaligen Linie, jedenfalls im Ergebnis und lehnte das Initiativrecht ab. Das überrascht nicht, denn die Folgen wären nicht absehbar gewesen, hätten Betriebsräte dem Arbeitgeber damit allerlei technische Überwachungseinrichtungen aufzwingen können. Dies wäre ein absurdes Ergebnis gewesen, weil die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG als Abwehrrecht des Betriebsrates vor solchen Einrichtungen gedacht ist. Immerhin das bleibt den Arbeitgebern also erspart.

WAS IST ÜBERRASCHEND AN DER ENTSCHEIDUNG?

Es hätte gereicht zu sagen, dass es bei der Linie des BAG bleibt und es kein Initiativrecht des Betriebsrats für technische Überwachungseinrichtungen gibt. Damit hat sich der erste Senat aber nicht zu begnügt, sondern stellt fest, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in unionsrechtskonformer Auslegung verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer:innen zu erfassen. Für den Rechtsstreit bedeutet das, dass der Betriebsrat schon deshalb kein Initiativrecht für eine Arbeitszeiterfassung hat, weil der Arbeitgeber dazu gesetzlich verpflichtet ist. Beim „ob“ der Arbeitszeiterfassung hat der Betriebsrat somit schon wegen der gesetzlichen Regelung nicht mitzubestimmen. Damit knüpft das Gericht an die damalige Entscheidung des EuGH an, die über § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG – vereinfacht ausgedrückt – jetzt unmittelbare Geltung beansprucht. Auf diese Idee kam, soweit ersichtlich, jedenfalls kein Arbeitsgericht und das lässt sich dann wohl als Überraschung auffassen.

HAT DER BETRIEBSRAT BEI DER ARBEITSZEITERFASSUNG DANN NOCH MITBESTIMMUNGSRECHTE?

Ja. So ganz ohne Mitbestimmungsrechte steht der Betriebsrat nicht da. Festgestellt hat das BAG nur, dass der Betriebsrat kein Initiativrecht für die Einführung eines [...]

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Arbeitszeiterfassung – Die Dokumentation von Arbeitszeiten und deren Bedeutung für Unternehmen

1. DIE AUSGANGSLAGE – ENTSCHEIDUNG DES EUGH ZUR ARBEITSZEITERFASSUNG

Nachdem der EuGH im Jahr 2019 (Urteil vom 14. Mai 2019 – C-55/18 Federación de Servicios de Comisiones Obreras/Deutsche Bank SA) entschieden hatte, dass die Mitgliedsstaaten aufgrund der Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) dazu gehalten sind, Unternehmen dazu zu verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, war die Verunsicherung in den Unternehmensführungsebenen erst einmal groß. In der gesetzgeberischen Praxis kühlt sich die erste Aufregung dann erwartungsgemäß ab. Obwohl seit der Entscheidung inzwischen fast drei Jahre vergangen sind, hat sich bis heute an der Rechtslage in Deutschland nichts geändert, was wohl auch an der parlamentarischen Covid 19 Vollauslastung der letzten Jahre liegt.

Bis zu einer Neuregelung des Arbeitszeitgesetztes bleiben die Folgen daher überschaubar. Das hat eine jüngst ergangene Entscheidung des BAG vom 4. Mai 2022 (PM zu 5 AZR 359/21) gezeigt. Aufgrund einer wohl zu viel beachteten Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden aus dem Jahr 2020 (Urteil vom 9. November 2020 – 2 Ca 399/18) hatte sich das BAG mit der Frage auseinander zu setzen, ob die zur Arbeitszeitrichtlinie ergangene Entscheidung des EuGH auch Auswirkungen auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess hat, vereinfacht gesagt: Es geht darum, ob die (durch den EuGH geprägten) Vorgaben zur Erfassung der Arbeitszeit Folgen für die Frage haben, was Beschäftigte im Prozess für eine Überstundenvergütung darlegen müssen. Das wird interessant, wenn es Streit gibt, ob und welche Überstunden Arbeitnehmer:innen geleistet haben. Im Streit geht es oft darum, ob das Unternehmen diese Überstunden angeordnet, geduldet oder wenigstens gebilligt hat, was Voraussetzung für die entsprechende Vergütung ist. Typischerweise entsteht der Streit anlässlich der Beendigung, wenn Arbeitnehmer:innen die (eigene) Überstundendokumentation aus der Schublade holen und in die Waagschale des „Beendigungspakets“ legen.

2. DAS PROBLEM – ENTSCHEIDUNG DES ARBEITSGERICHTS EMDEN ZUR ÜBERSTUNDENVERGÜTUNG

Das Arbeitsgericht Emden hatte insofern (wiederholt) vertreten, dass aufgrund der Entscheidung des EuGH für Unternehmen nach § 618 BGB bzw. § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht bestehe, geleistete Arbeitszeit mit einem den Vorgaben des EuGH entsprechenden Arbeitszeiterfassungssystem zu erheben. Mangels einer solchen Dokumentation, müsse die bisher geltende Darlegungs- und Beweislast modifiziert werden. Arbeitnehmer:innen sollten in einem Überstundenvergütungsprozess dann nur noch vortragen müssen, dass Arbeitszeiten geleistet wurden, die über die vertraglich vereinbarte oder tarifliche Arbeitszeit hinausgeht. Eine Anordnung, Billigung oder Duldung durch das Unternehmen sei nicht mehr erforderlich, wenn sich das Unternehmen aufgrund eines Arbeitszeiterfassungssystem Kenntnis von erbrachten Überstunden hätte verschaffen können. Eine positive Kenntnis der Überstunden sei dann nicht erforderlich.

Besonders interessant bei dieser Entscheidung war, dass in dem vom Arbeitsgericht zu entscheidenden Fall sogar ein Arbeitszeiterfassungssystem bestanden hatte. Der klagende Arbeitnehmer konnte sich aufgrund seiner Tätigkeit als Kurierfahrer jedoch lediglich morgens im System anmelden und abends nach Ende der Arbeit wieder abmelden. Das System erfasst also lediglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, ohne Auskunft darüber zu geben, ob und in welchem Umfang in der Zwischenzeit tatsächlich Arbeitszeit angefallen war. Genau hierum drehte sich dann auch der geführte Rechtsstreit, in dem der Kläger die vom Arbeitszeiterfassungssystem generierten [...]

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Referentenentwurf des BMAS für ein Gesetz zur mobilen Arbeit

Der letzte Referentenentwurf sah noch einen gesetzlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten im Umfang von 24 Tagen im Jahr vor. Nachdem dieser Entwurf bereits an der Vorprüfung im Kanzleramt gescheitert ist, liegt nun ein neuer in der Koalition abgestimmter Entwurf aus dem BMAS vor.

Demnach soll künftig eine Erörterungs- und Begründungsobliegenheit des Arbeitgebers bestehen, wenn Arbeitnehmer den Wunsch äußern, ihre Arbeit mobil zu erbringen. Neben einer Definition der mobilen Arbeit umfasst der Entwurf auch Regelungen zur Arbeitszeiterfassung, zum Arbeitsschutz sowie zur gesetzlichen Unfallversicherung.

Obwohl der gesetzliche Anspruch auf mobile Arbeit damit erst einmal vom Tisch ist, regelt der Gesetzesentwurf einige Herausforderungen für den Arbeitgeber.

Einzelheiten finden Sie hier.




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