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Update Nachweisgesetz – Künftig Textform statt Schriftform ausreichend?

Bereits seit dem 1. August 2022 gilt das „neue“ Nachweisgesetz („NachwG“), das die Arbeitgeber u.a. dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern eine schriftliche (= mit Originalunterschrift versehene) Niederschrift über die wesentlichen Arbeitsbedingungen auszuhändigen. Insbesondere an diesem Schriftformerfordernis gab es von Anfang an erhebliche Kritik, da die maßgebliche EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ((EU) 2019/1152) („Richtlinie“) ein solches nicht zwingend vorsah (siehe hierzu bereits den Blog-Eintrag vom 24. Juni 2022).

Das Bundeskabinett hatte sich am 13. März 2024 über den Entwurf „eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ (BEG IV) geeinigt und reagierte damit auch auf die Kritik am strengen Schriftformerfordernis des NachwG: Der Kabinettsentwurf sieht vor, dass künftig ein in elektronischer Form im Sinne des § 126a BGB (= qualifiziert elektronisch signiert) abgeschlossener Arbeitsvertrag für den erforderlichen Nachweis ausreichen solle. Nun aber überraschte der Bundesjustizminister mit einem Rundschreiben vom 21. März 2024. Danach solle in Zukunft die einfache Textform (z.B. eine E-Mail) genügen, um Mitarbeitern den erforderlichen Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen zur Verfügung zu stellen.

Ob, wann und wie diese Anpassung des NachwG erfolgt, ist offen. Laut des Rundschreibens soll eine Niederschrift jedoch weiterhin in Schriftform notwendig sein, sofern Mitarbeiter eine solche einfordern sollten. Auch deshalb ist fraglich, ob es sich tatsächlich um einen „großen Wurf“ der Entbürokratisierung handelt. Selbst wenn, würde lediglich eine bürokratische Hürde gesenkt werden, die erst im August 2022 eingeführt worden ist.

1. Keine Auswirkungen auf den Abschluss von Arbeitsverträgen

Entgegen manch erster Einschätzung zu dem Rundschreiben des Bundesjustizministers würde sich an den Formvorgaben für den Abschluss eines Arbeitsvertrages nichts ändern. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages bedarf weiterhin grundsätzlich keiner Form. Dieser konnte bisher schon mündlich oder einfach per E-Mail geschlossen werden.

Schon bislang gab es Kritiker, die angesichts der Formfreiheit des Arbeitsvertrages selbst an der Verhältnismäßigkeit des Schriftformerfordernisses für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen zweifelten. Ein (Schrift-)Formerfordernis hat u.a. eine Beweis- und Dokumentationsfunktion. Wenn der Gesetzgeber nicht einmal eine Dokumentationsfunktion für den Abschluss des Arbeitsvertrages selbst für notwendig erachtet, ist fraglich, wieso der bloße Nachweis der Vertragsbedingungen einer strengeren Form unterliegen können soll.

2. Besondere Schriftformerfordernisse bleiben unberührt

Unabhängig davon, ob und wie die Anpassung des NachwG vollzogen werden wird, wäre davon allein das Schriftformerfordernis für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen betroffen. Demnach wären weiterhin insbesondere die folgenden gesetzlichen Schriftformerfordernisse zu beachten:

• Kündigung und Abschluss von Aufhebungsverträgen (§ 623 BGB)
• Befristungsabreden, auch bei Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über Regelaltersgrenze hinaus (§ 14 Abs. 4 TzBfG)
• Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (§ 74 Abs. 1 HGB)

Auch wenn sich die letzten beiden Schriftformerfordernisse allein auf die konkrete Regelung – Befristung bzw. Wettbewerbsverbot beziehen – werden befristete Arbeitsverträge und auch solche mit nachvertraglichen Wettbewerbsabreden in der Praxis in der Regel sowieso schriftlich abgeschlossen, wodurch den Anforderungen des NachwG automatisch entsprochen wird.

3. Unklare Bedeutung der geplanten weiteren Gesetzesänderung

Die ersten Reaktionen auf das Rundschreiben des Bundesjustizministers und der geplanten Absenkung des Formerfordernisses [...]

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Beschlossene Änderung des Nachweisgesetzes

Der Bundestag hat gestern das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 105) („Richtlinie“) beschlossen. Dies sieht unter anderem eine Änderung des Nachweisgesetzes (NachwG) vor, nach dem Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden über die wesentlichen Arbeitsbedingungen in schriftlicher Form zu unterrichten haben. Für Unternehmen werden weitere Hinweise an die Mitarbeitenden notwendig, einer flächendeckenden Änderung von Arbeitsverträgen bedarf es allerdings nicht. Dramatischer ist da die eindeutige Absage an digitale Arbeitsverträge. Ein Überblick:

ÄNDERUNGEN DES NACHWEISGESETZES 

Bereits nach derzeitiger Rechtslage sieht das Nachweisgesetz vor, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden die wesentlichen (näher beschriebenen) Vertragsbedingungen schriftlich und im Original unterzeichnet überreicht. Die „elektronische Form“, mit der die Schriftform durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden kann, ist ausdrücklich ausgeschlossen. In der Regel wurden die Anforderungen des Nachweisgesetzes durch Übergabe des unterzeichneten Arbeitsvertrags erfüllt. Zur Umsetzung der Richtlinie (und leider auch darüber hinaus) soll das Nachweisgesetz nun erweitert werden und die Dokumentationspflicht insbesondere auch die folgenden Bestandteile umfassen:

  • Die Dauer der vereinbarten Probezeit;
  • Die vereinbarten Ruhepausen und -zeiten; bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen;
  • Falls der Mitarbeitende nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der er an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann;
  • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung;
  • Bei Arbeit auf Abruf die Vereinbarung, dass Mitarbeitende ihre Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen haben, die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, ferner der Zeitrahmen (Referenztage und -stunden), der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat;
  • Bestimmte Angaben über unter anderem das Land und die Entlohnung bei Beschäftigung eines Mitarbeitenden im Ausland für mehr als vier aufeinanderfolgende Wochen;
  • Die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen;
  • Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen;
  • Der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeitenden eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt;
  • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren (mindestens das Schriftformerfordernis, die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage).

Bislang hatte der Arbeitgeber bis zu einem Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses Zeit, dem Mitarbeitenden die wesentlichen Vertragsbedingungen auszuhändigen.

Der Gesetzgeber hat nun eine Staffelung von Fristen vorgesehen, innerhalb derer der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden spätestens die Niederschrift über bestimmte Vertragsbedingungen aushändigen muss. Einige wesentliche Vertragsbedingungen (Name und Anschrift der Vertragsparteien, Höhe des Arbeitsentgelts und vereinbarte Arbeitszeit) muss er zukünftig bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung aushändigen. Das gilt auch für Änderungen dieser wesentlichen Arbeitsbedingungen. Weitere Vertragsbedingungen müssen entweder spätestens am siebten Kalendertag oder einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt [...]

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Öffentlichmachung von Prozessakten mit sensiblen Daten als fristloser Kündigungsgrund?

Nach einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25. März 2022 (7 Sa 63/21) kann die (betriebs-)öffentliche Zugänglichmachung von Schriftsätzen aus arbeitsgerichtlichen Verfahren mittels Dropbox, in denen u.a. Gesundheitsdaten von anderen Mitarbeitern enthalten sind, sogar die außerordentliche Kündigung eines langjährig beschäftigten Mitarbeiters und Betriebsratsmitglieds rechtfertigen. Zumindest auf der Grundlage der Pressemitteilung – und in Unkenntnis der Entscheidungsgründe des vollständigen Urteils – wirft der Kündigungssachverhalt insbesondere die Frage auf, in welchen Fällen und inwieweit Mitarbeiter an das Datenschutzrecht, insbesondere nach der DSGVO, gebunden und Verstöße hiergegen als Kündigungsgrund geeignet sind.

SACHVERHALT UND ARBEITSGERICHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN

Der gekündigte Mitarbeiter war bereits seit über 20 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigt und über 15 Jahre Mitglied des Betriebsrats. Die außerordentliche Kündigung, der der Betriebsrat nach § 103 BetrVG zustimmte, beruht auf dem Vorwurf, dass der Mitarbeiter Schriftsätze aus einem vorherigen Kündigungsschutzverfahren zwischen den Arbeitsvertragsparteien betriebsöffentlich bzw. einem größeren Verteilerkreis mittels Dropbox zugänglich gemacht hatte. In den Schriftsätzen waren insbesondere Gesundheitsdaten weiterer Mitarbeiter unter voller Namensnennung erhalten.

In der ersten Instanz hielt das Arbeitsgericht die außerordentliche Kündigung für wirksam, weil der Mitarbeiter durch sein Verhalten gegen Bestimmungen des Datenschutzes verstoßen habe. Dagegen wandte sich der Mitarbeiter mit seiner Berufung und argumentierte, dass ein Datenschutzverstoß von vornherein ausscheide, da die DSGVO gemäß Art. 2 Abs. 2c DSGVO nicht anwendbar sei. Nach Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO findet die DSGVO keine Anwendung auf natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten.
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung jedoch ab, wobei es nicht mehr auf einen Datenschutzverstoß abstellte. Der Arbeitnehmer habe, indem er die Schriftsätze durch einen beliebig weitervertreibbaren Link öffentlich zugänglich machte, eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung der Persönlichkeitsrechte der in den Schriftsätzen namentlich benannten Personen begangen. Dieses Verhalten könne auch nicht durch u.a. Verteidigungsinteressen des Arbeitnehmers gerechtfertigt werden.

WEN BINDET DIE DSGVO?

Wie sich aus dem zuvor genannten Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO, der auch als „Haushaltsausnahme“ bezeichnet wird, ergibt, sind Personen bei ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeit nicht an die DSGVO gebunden. Dazu im Gegensatz stehen berufliche Tätigkeiten, die wiederum in den Anwendungsbereich des DSGVO fallen. Danach sind Verstöße gegen die DSGVO von Arbeitnehmern während ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit grundsätzlich geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen.

Im vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall ging es hinsichtlich der Veröffentlichung der Prozessakten offensichtlich nicht um eine Datenverarbeitung, die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zu Arbeitszwecken erfolgte, sondern um das – nach eigener Aussage des Mitarbeiters – Anliegen, Transparenz hinsichtlich des damaligen Kündigungssachverhalts zu schaffen. Folgerichtig hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Kündigung wohl auch nicht mehr auf einen potenziellen Datenschutzverstoß gestützt.

WORIN LIEGT DER MAßGEBLICHE ARBEITSRECHTLICH RELEVANTE VERSTOß?

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg stützt sich ausweislich der Pressemitteilung auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung der Schriftsätze. Zunächst ist festzustellen, dass es keine explizite Norm gibt, wonach die Veröffentlichung von zivilrechtlichen Prozessakten untersagt ist. Gleichzeitig finden arbeitsgerichtliche Verhandlungen grundsätzlich öffentlich statt. Insofern besteht hinsichtlich der Prozessinhalte bereits keine besondere Vertraulichkeit, eher im Gegenteil. Davon abgesehen dürften Gesundheitsdaten anderer Mitarbeiter, die nicht aufgrund der konkreten Tätigkeit im Betrieb, sondern „beiläufig“ bekannt werden, nicht unmittelbar der [...]

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Kein außergerichtlicher Tatsachenvergleich über Mindestlohn

Kein wirksamer Verzicht auf Mindestlohnanspruch durch außergerichtlichen Tatsachenvergleich

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder ausschließen, sind insoweit gemäß § 3 S. 1 MiLoG unwirksam. Ein Verzicht ist nach § 3 S. 2 MiLoG nur durch gerichtlichen Vergleich möglich. Umstritten ist, ob daneben ein Verzicht in einem außergerichtlichen Vergleich möglich ist, in dem der Arbeitnehmer nicht unmittelbar auf die Zahlung des Mindestlohns verzichtet, sondern sich die Parteien bei einem Streit über den Mindestlohnanspruch darauf einigen, dass dieser entweder bereits teilweise oder ganz erfüllt wurde, oder die an sich zu vergütenden Arbeitsstunden gar nicht erbracht wurden (= Tatsachenvergleich). Das LAG Berlin-Brandenburg (20.05.2021 – 21 Sa 638/20) hat vor kurzem nun entschieden, dass § 3 S. 1 MiLoG auch außergerichtliche Tatsachenvergleiche erfasse, durch die der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird. Diese Entscheidung sollte vorerst bei der Vereinbarung von außergerichtlichen Tatsachenvergleichen berücksichtigt werden, um nicht – wie im entschiedenen Fall – später doch noch Nachforderungen des Arbeitnehmers zu unterliegen.
Mehr unter gesetze.berlin.de.




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Verlängerung der Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld

In der Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August 2021 haben die Länder u.a. beschlossen, den Bund darum zu bitten, den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld zu verlängern. Konkretere Aussagen enthält der Beschluss jedoch nicht. Zuvor gab es bereits Berichte über eine grundsätzliche Einigung innerhalb der Bundesregierung, die Erleichterungen bis zum Jahresende zu verlängern. Die bisherigen befristeten Erleichterungen betrafen insbesondere die Absenkung des Anteils der mindestens von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer auf 10 Prozent, sowie die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge (https://www.bmas.de/DE/Corona/erleichtertes-kurzarbeitergeld.html#docac1889d9-c87e-4f42-994e-db703a1645dbbodyText1). Ob tatsächlich und inwieweit die bisherigen Kurzarbeiterregelungen verlängert werden, bleibt jedoch abzuwarten. Ein Entwurf für eine weitere Änderungsverordnung zur Kurzarbeitergeldverordnung liegt soweit ersichtlich noch nicht vor.

https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1949532/d3f1da493b643492b6313e8e6ac64966/2021-08-10-mpk-data.pdf?download=1




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BAG festigt seine neue Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen

Ende 2020 änderte das BAG seine Rechtsprechung zu pauschalen Ausschlussfristen. Diese seien entgegen der früheren Rechtsprechung nicht im Sinne eines erlaubten Inhalts auszulegen. Vielmehr seien Klauseln nichtig, die nach ihrem Wortlaut auch Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung erfassen. Sie verstoßen gegen § 202 BGB, der es verbietet, die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus zu verkürzen. Besonders bedeutend an dieser Rechtsprechung ist, dass sich auch der Arbeitgeber – als „Verwender“ der auch nach AGB-Recht unzulässigen Klausel – auf die Nichtigkeit berufen kann. Diese Rechtsprechung vertieft das BAG nun mit seiner Entscheidung vom 9. März 2021 (9 AZR 323/20), deren Gründe kürzlich veröffentlicht wurden. Danach reicht es auch nicht aus, wenn die Verfallsklausel „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ ausnimmt. Hier sei nicht erkennbar, dass die vereinbarte Ausnahme auch Ansprüche aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung erfasse. Auch solche Ausschlussfristen seien daher insgesamt nichtig.




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Bremen führt Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer ein

Echte Corona-Testpflicht für alle Arbeitnehmer in Bremen

Die echte Testpflicht für Arbeitnehmer kommt – zumindest in Bremen. Dies hat der Bremer Senat am 4. Mai 2021 beschlossen und verschärft damit als erstes Bundesland die Vorgaben der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung des BMAS für alle Arbeitnehmer. In Bremen müssen nicht nur Arbeitgeber im Betrieb tätigen Arbeitnehmern die Tests anbieten, Arbeitnehmer sind auch zur Testung verpflichtet. Das geht über Verordnungen in anderen Ländern wie Sachsen und Berlin hinaus, die z.B. nur eine Testpflicht für Arbeitnehmer mit Kundenkontakt vorgeben. Inkrafttreten soll die Bremer Verordnung wohl am 10. Mai 2021. Spannend ist, ob andere Bundesländer dem Beispiel Bremens folgen werden. Unabhängig davon dürfte es Arbeitgebern auch ohne gesetzliche Regelungen möglich sein, per Direktionsrecht oder Betriebsvereinbarung für bestimmte Bereiche eine Testpflicht im Betrieb einzuführen.

Hier erfahren Sie mehr zu dem Beschluss des Bremer Senats.




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Impfobliegenheit für Arbeitnehmer – sind Masern gefährlicher als Corona?

Sicher – wir haben in Deutschland gerade andere Probleme als die Diskussion über eine Impfpflicht. Wem es nicht gelingt, rechtzeitig ausreichend Impfstoff zu bestellen, muss sich keine Gedanken darüber machen, dass die Frage einer Impfpflicht das beherrschende Thema der Talkshows im Wahljahr sein wird. Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht wird es nicht geben. So viel steht fest. Erleichterungen für Geimpfte (vgl. etwa die jüngsten Ideen des Impfspitzenreiters Israel finden Sie hier) hält der deutsche Ethikrat u.a. aus einleitend genanntem Grund für einen Verstoß gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz. Bleibt das Arbeitsverhältnis und die Frage, ob es eine Impfpflicht für Arbeitnehmer geben kann.

Problem
Viele Arbeitgeber stellen sich die Frage, ob sie Arbeitnehmer anweisen können, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Insbesondere die in § 23 Abs. 3 IfSG genannten Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser, Arztpraxen, ambulante Pflegedienste) trifft nach der vorgenannten Vorschrift eine erhöhte Pflicht, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Übertragung des Corona-Virus zu vermeiden. Eine ausdrückliche gesetzliche Pflicht für die Impffung gegen das Corona-Virus existiert bisher nicht und wurde in der Politik bisher grundsätzlich abgelehnt. Jedoch hat u.a. der Ministerpräsident von Bayern, Markus Söder, eine solche für Pflegeberufe ins Spiel gebracht.

§ 20 Abs. 8 IfSG regelt Impfungen u.a. von Arbeitnehmern gegen das Masernvirus. Danach müssen alle, die in den in § 23 Abs. 3 S. 1 IfSG genannten Bereichen sowie u.a. in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 4 IfSG (z.B. Kindertageseinrichtungen, Heime und Schulen) und Asylunterkünften nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 IfSG tätig sind, ihrem Arbeitgeber entweder einen Masernimpfschutz oder Immunität nachweisen können. Solange kein Nachweis vorliegt, besteht gemäß § 20 Abs. 8 S. 7 IfSG ein Beschäftigungsverbot. Die Impfung eines Arbeitnehmers kann folglich nur mittelbar erzwungen, nicht aber gegen seinen Willen durchgesetzt werden. § 20 Abs. 8 IfSG statuiert damit keine Impfpflicht, sondern eine Impfobliegenheit. Dass solch ein mittelbarer Druck auf den Arbeitnehmer zulässig ist, kann ferner der gesetzgeberischen Wertung des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG entnommen werden, wonach der infektionsschutzrechtliche Entschädigungsanspruch bei Nichtanspruchnahme einer empfohlenen Impfung ebenfalls entfällt.

Rechtsgrundlage und rechtlicher Rahmen
Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung wie beim Masernvirus verbleibt als Rechtsgrundlage für die Impfobliegenheit gegen das Corona-Virus das arbeitgeberseitige Weisungsrecht nach § 106 GewO. Dieses kann der Arbeitgeber nutzen, um seinen Schutzpflichten gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Dritten gerecht zu werden. Danach hat der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren, möglichen und zum Gesundheitsschutz erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zwar trifft den Arbeitnehmer dabei gemäß § 15 ArbSchG eine Mitwirkungspflicht bei Arbeitsschutzmaßnahmen und Schutzmaßnahmen zugunsten Dritter, jedoch kann hieraus noch keine Impfpflicht abgeleitet werden.

Teilweise wird vertreten, dass eine Impfobliegenheit bzw. Impfpflicht bereits an einer fehlenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – wie im Falle der Maserninfektion – scheitere, da erhebliche Grundrechtseingriffe, die wie hier z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG betreffen, nur aufgrund eines hinreichend bestimmten Gesetzes erfolgen dürften. Es müsse zumindest eine Verordnung auf der Grundlage des § 20 Abs. 6, 7 IfSG erlassen werden. Jedoch besteht dieser [...]

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Fürsorgepflicht vs. Datenschutz. Recht oder Pflicht zur Offenlegung der Identität infizierter Mitarbeiter?

RECHT ODER PFLICHT ZUR OFFENLEGUNG DER IDENTITÄT INFIZIERTER MITARBEITER?

Immer wieder seit Ausbruch der Pandemie stehen Arbeitgeber vor der Frage, ob, in welcher Weise und gegenüber wem sie die Identität eines infizierten oder der Infektion verdächtigen Mitarbeiters offenlegen dürfen. Die Kollision der Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft mit der Pflicht zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts und des Schutzes der Daten des Betroffenen lässt sich bei verhältnismäßigem Vorgehen des Arbeitgebers im Sinne der Fürsorgepflicht und damit des Infektionsschutzes lösen.

Problem
Viele Personalverantwortliche, Betriebs- und Werksleiter kennen und fürchten die Situation seit März vergangenen Jahres: Ein Mitarbeiter, der in den Tagen zuvor im Betrieb tätig war, meldet sich arbeitsunfähig, weil er entweder positiv auf Corona getestet wurde oder der konkrete Verdacht einer außerbetrieblichen Ansteckung besteht. Der Empfänger der schlechten Nachricht muss nun unter Einbindung von Krisenstab, Betriebsarzt und ggf. dem Gesundheitsamt entscheiden, wie er seine übrigen Beschäftigten schnell und wirkungsvoll vor Ansteckung schützen kann, ohne gleich den Namen des Betroffenen ans (virtuelle) schwarze Brett zu hängen.

Abwägung und Lösung
Bei der Information über eine (mögliche) Infektion handelt es sich um ein Gesundheitsdatum. Für diese Kategorie personenbezogener Daten gelten besonders strenge Vorschriften. Während nach den Art. 5 und 6 der DS-GVO bereits hohe Hürden für die rechtmäßige Verarbeitung aller personenbezogenen Daten bestehen, ist nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten grundsätzlich untersagt. Zu diesen Kategorien zählen neben Daten etwa über die rassische und ethnische Herkunft oder politische Meinungen auch die Gesundheitsdaten. Ausnahmen von der Untersagung sind im zweiten Absatz des Art. 9 DS-GVO geregelt. Insbesondere zwei davon können dem Arbeitgeber bei der Lösung des beschriebenen Problems helfen: (i) Die betroffene Person willigt ausdrücklich in die Offenlegung ihrer (möglichen) Infektion ein. Nicht nur wegen des besonderen Erfordernisses der Ausdrücklichkeit ist die Einwilligungslösung wie in vielen Fällen auch hier riskant. Die Einwilligung muss freiwillig erfolgen, was im Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer per se zweifelhaft ist. Zudem muss der Zweck der Verarbeitung des Gesundheitsdatums konkret festgelegt werden. Abgesehen von diesen rechtlichen Problemen scheitert der Weg über die Einwilligung gerade bei schweren Verläufen mit womöglich stationärer Behandlung häufig bereits an den tatsächlichen Gegebenheiten. (ii) Praktisch relevanter ist daher die Ausnahme vom Verarbeitungsverbot nach Art. 9 Abs. 2 b) DS-GVO, wenn die Verabeitung der Gesundheitsdaten erforderlich ist, damit der Arbeitgeber die ihm aus dem Arbeitsrecht obliegenden Pflichten erfüllen kann. Die u.a. im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard kodifizierte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auferlegt ihm den Schutz seiner Beschäftigten vor Ansteckung mit dem Coronavirus aus Anlass ihrer Tätigkeit für den Arbeitgeber. Mögliche betriebliche Kontaktpersonen des Infizierten benötigen die Information über die Gefahr, um sich und ihre Angehörigen soweit wie möglich zu schützen. Alle übrigen Mitarbeiter sind darauf angewiesen, dass die Kontaktpersonen schnell identifiziert und isoliert werden, was regelmäßig nur über die allgemeine Kenntnis von der Infektion eines bestimmten Kollegen möglich ist, weil der Arbeitgeber nahezu niemals alle betrieblichen Kontaktpersonen der letzten Tage selbst ermitteln kann.

Im Regelfall dürfte der Arbeitgeber daher sowohl datenschutzrechtlich berechtigt als auch arbeitsrechtlich verpflichtet sein, über den Umstand einer (möglichen) Infektion zu informieren. Dies [...]

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Homeoffice-Pflicht per Verordnung oder Papiertiger?

In ihrer Konferenz am 19. Januar 2021 haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beschlossen. Sie haben in ihrem Beschluss eine befristete Verordnung des BMAS angekündigt, welche u.a. die Arbeitgeber verpflichten soll, das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen. Die Kabinettsvorlage der Verordnung, die fünf Tage nach der für heute geplanten Verkündung in Kraft treten und bis zum 15. März 2021 befristet sein wird, liegt nun vor. Ob die Zahl der im Homeoffice Arbeitenden dadurch kurzfristig wirklich erhöht werden kann, erscheint äußerst fraglich.

Ermächtigungsgrundlage
Infolge einer jüngst erfolgten Ergänzung des Arbeitsschutzgesetzes ist das BMAS ermächtigt, ohne Zustimmung des Bundesrates befristete Rechtsverordnungen zu erlassen, sofern eine epidemische Lage von nationaler Tragweite gegeben ist. Diese „Schnellverordnungen“ müssen dem Gesetzeszweck dienen, d.h. der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit. Der allgemeine Gesundheitsschutz ist zweifellos nicht Aufgabe des Bundesarbeitsministers. In der Begründung der Verordnung bemüht sich das BMAS deshalb offensichtlich darum, die zweifellos enge Verzahnung zwischen dem betrieblichen Gesundheitsschutz und dem staatlichen Bemühen um kurzfristige Senkung der Neuinfektionen hervorzuheben. Da eine Maßnahme wie die Homeoffice-Pflicht aber sehr weitgehend in die unternehmerische Freiheit eingreift und sich von typischen Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsschutzes – beispielseise einer Maskenpflicht – deutlich unterscheidet, steht die Verordnung auf einer recht wackeligen Ermächtigungsgrundlage.

Wesentliche Regelungen
Der nächtliche Referentenentwurf ist in der Kabinettsvorlage deutlich entschärft worden. Ursprünglich sah der Entwurf gestaffelte Maßnahmen vor, die sich an den 7-Tage-Inzidenzwerten von 50/100.000 und 200/100.000 Neuinfektionen orientieren. Von der angedachten wöchentlichen Testpflicht oder dem grundsätzlichen Verbot des gemeinsamen Verzehrs von Speisen und Getränken ist in der Verordnung aber nun ebensowenig die Rede, wie einzelne Maßnahmen von Inzidenzwerten abhängig gemacht werden. Abgesehen vom offensichtlichen Kernstück der Regelung, dem verpflichtenden Homeoffice-Angebot, übernimmt die Verordnung weitgehend den in den Betrieben bereits umgesetzten Sars-CoV2-Arbeitsschutzstandard zur Reduzierung von Kontakten im Betrieb: Reduzierung betriebsbedingter Zusammenkünfte auf das betriebsnotwendige Minimum und möglichst Vermeidung durch Einsatz von IT; mindestens 10qm/Person bei gleichzeitiger Nutzung von Räumen durch mehrere Personen, sofern es die Tätigkeiten zulassen; möglichst kleine Arbeitsgruppen in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten. Wo die Vorgaben zur Raumbelegung und zum Mindestabsatnd nicht eingehalten werden können oder eine besondere Gefährdung durch erhöhten Aerosolaustausch besteht, muss der Arbeitgeber medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung stellen, die von den Beschäftigten getragen werden müssen.

Kernstück – Homeoffice
Im Mittelpunkt der Verordnung steht ganz eindeutig die lange angekündigte Einführung einer Art Verpflichtung zum Homeoffice, nachdem die wiederholten Appelle für unzureichend empfunden wurden, um uneinsichtige Arbeitgeber zu mehr Homeoffice zu bewegen.

Sofern keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen, muss der Arbeitgeber den Beschäftigten anbieten, im Homeoffice zu arbeiten. Trotz des Wortlauts („müssen“) wird dadurch kein individueller Anspruch der Beschäftigten begründet. Vielmehr obliegt es der für den Arbeitsschutz regional zustehenden Behörde, die Pflicht zum Angebot von Homeoffice zu überwachen und gegebenenfalls entsprechende Anordnungen zu treffen. Gemäß dem grundsätzlichen Instrumentarium der Arbeitsschutzbehörden kann die Behörde bei Missachtung der Anordnung die betroffene Arbeit untersagen. Wann der Arbeit im Homeoffice zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen, ist der Verordnung und ihrer Begründung nicht zu entnehmen. Der [...]

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